Startseite » Einkauf »

Wie findet der Einkauf seine Use Cases für generative KI?

Arbeitsabläufe automatisieren und Risiken reduzieren
Wie findet der Einkauf seine Use Cases für generative KI?

Wie findet der Einkauf seine Use Cases für generative KI?
Use Cases zum Einsatz von KI im Einkauf lassen sich meist in drei Kategorien identifizieren: Automatisierung von Prozessen, Verringerung von Geschäftsrisiken durch Datenanalyse und die Nutzung gewonnener Erkenntnisse für die strategische Planung. Bild: wenich/stock.adobe.com
In spätestens zwei bis drei Jahren wird KI unsere gesamte Geschäftswelt durchdrungen haben. Der Einkauf ist da keine Ausnahme. Vor allem die generative KI bietet vielfältige Möglichkeiten, Risiken in Lieferketten zu reduzieren, Prozesse zu automatisieren sowie strategische und monetäre Vorteile zu erzielen. Doch wer nur darauf schaut, was andere machen, wird nie den maximalen Nutzen aus der neuen Technologie ziehen. Deshalb gilt es, die individuell sinnvollsten Anwendungsfälle zu finden und umzusetzen. Aber wie?

Jedes Unternehmen setzt seine eigenen Prioritäten: Das eine will möglichst viel Gewinn erwirtschaften, das andere attraktiver für Fachkräfte werden, und das dritte legt besonderen Wert auf CO2-Neutralität. Das gilt auch für die jeweiligen Fachabteilungen. Doch was für den Endkunden wichtig ist, spielt in der Beschaffung oft eine untergeordnete Rolle. Wenn es darum geht, Anwendungsfälle für KI zu finden, ist es für Einkaufsentscheider daher die erste und wichtigste Aufgabe, die bestimmenden Faktoren und Herausforderungen im eigenen Wirkungsbereich zu identifizieren:

Was bedeutet eigentlich „Erfolg“ für das jeweilige Unternehmen? Was sind die „Schmerzpunkte“, zum Beispiel mangelnde Effizienz oder fehlende Transparenz, die den Erfolg behindern? Wo kann künstliche Intelligenz dabei helfen, diese Hindernisse zu beseitigen? Kurz: Wo und wie kann KI eingesetzt werden, um das gesamte Unternehmen oder einen bestimmten Bereich – zum Beispiel den Einkauf – erfolgreicher zu machen?

Am Anfang steht das Geschäft

Zunächst müssen also grundlegende Unternehmensentscheidungen getroffen werden. Wie dies konkret geschieht – ob durch abteilungsübergreifende Brainstorming-Workshops, mithilfe eines KI-erfahrenen Beraters oder Herstellers oder gar im Rahmen eines groß angelegten Prozess-Reengineerings – ist ein Thema für sich. Wichtig ist in diesem Zusammenhang nur, dass Tools, Datenmodelle, LLMs (Large Language Model) und andere technische Details nicht den Ausgangspunkt bilden dürfen. Aussagen wie: „Wir machen jetzt ein ChatGPT-Projekt“ sind hier wenig zielführend. Vielmehr sollte es heißen: „Wir wollen unsere Lieferantenbasis verbreitern beziehungsweise straffen, sowie die Auswahl der Partner transparenter und die Preisgestaltung flexibler gestalten.“

Im Grunde läuft die Suche nach geeigneten Use Cases im Einkauf meist auf drei Hauptkategorien hinaus:

  • Verbesserung und Automatisierung interner und externer Prozesse
  • Verringerung der Geschäftsrisiken durch intensive Datenanalyse, zum Beispiel als Entscheidungshilfe bei der Auswahl von Lieferanten und Partnern
  • Nutzung der gewonnenen Erkenntnisse für die strategische Planung, beispielsweise im Bereich des Vertragsmanagements oder zur Schaffung neuer Möglichkeiten der Preisgestaltung

Um KI erfolgreich einsetzen zu können, sollten Unternehmen eine Bestandsaufnahme durchführen und folgende Fragen auch für den Einkauf beantworten:

  • Gibt es bereits eine unternehmensweite KI-Strategie? Wenn ja, was ist darin festgelegt?
  • Welche Daten sind in welcher Qualität vorhanden – und welche weiteren Quellen sollten integriert werden?
  • Wie steht es um die KI-Expertise der Mitarbeitenden? Wo wird zusätzliches Know-how benötigt, und wie kann dieses erworben oder aufgebaut werden?
  • Wie steht es um die Prozessqualität? Wo müssen Lücken geschlossen und „nachgebessert“ werden?

Erfolgversprechender KI-Einsatz

Nach diesen Vorarbeiten liegen hoffentlich eine ganze Reihe von Vorschlägen vor. Diese können von der Fachabteilung und IT gemeinsam priorisiert und im Rahmen eines Proof of Concept auf Eignung und Machbarkeit geprüft werden.

Für die folgenden Beispiele konnte die Praxistauglichkeit bereits nachgewiesen werden:

  • Unterstützung der Kommunikation: In der Beschaffung fällt viel E-Mail-Verkehr an. Ein KI-unterstützter „Assistent“ analysiert Anfragen inhaltlich und gibt sinnvolle Antworten zurück.
  • Automatisierte Produktbeschreibungen: Das Internet wird nach Produktinformationen durchsucht, vorhandene gesammelt und aggregiert – und die Informationsquellen benannt.
  • Unterstützung bei der Erstellung von Checklisten: Fragebögen für Lieferanten müssen nicht mehr individuell erstellt und umgesetzt werden. Ein KI-Tool kann Vorlagen erstellen und für den jeweiligen Zweck anpassen.
  • Automatisierte Anfragen: Funktionale Beschreibung von Terminen, Zielen und Zwischenschritten – spezialisierte KI-Tools können alle notwendigen Informationen aus einem Textentwurf extrahieren und sinnvoll zu Anfragen zusammenstellen.
  • Dokumentenanalyse für das Vertragsmanagement: Lange Vertragstexte zu erklären ist mühsam. Eine KI-Anwendung kann sie intelligent zusammenfassen – auch in unterschiedlichen Sprachen.

Für diese Anwendungsfälle ist etwas mehr Vorlaufzeit nötig:

  • KI-unterstützte Anbieterauswahl: Ein solches Tool stellt geeignete Lieferanten aus dem vorhandenen Datenbestand zusammen und empfiehlt auf Basis von Markanalysen passende Ergänzungen.
  • Digitaler Rechtsbeistand: Ein „Legal Assistant“ bearbeitet Vertragsklauseln, ergänzt obligatorische und erstellt neue – alles in der jeweils gewünschten Sprache.
  • Intelligentes Category Management: Warengruppen zu klassifizieren ist eine Wissenschaft für sich. KI-Tools erledigen das in wenigen Minuten. Dabei berechnen sie die Auswirkungen und geben entsprechende Handlungsempfehlungen.
  • Improvement Plan Assistant: Unterstützung bei der Erstellung, Verwaltung und Überwachung von Verbesserungsplänen mit Lieferanten.

Künstliche Intelligenz bietet mehr als Benchmarking

Noch vor zehn Jahren ging es für den Einkäufer vor allem darum, die Preisvorstellungen der Lieferanten so weit wie möglich zu senken – und damit den eigenen Gewinn zu maximieren. Einige Anbieter von Einkaufsplattformen konzentrieren sich auch heute noch hauptsächlich auf das Benchmarking von Preisen.

Die heutige Geschäftsrealität ist jedoch weitaus komplexer als noch vor wenigen Jahren: Kunden fordern die Einhaltung internationaler Arbeits- und Umweltstandards – und auch der Gesetzgeber hat mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) die Gangart verschärft. Einkäufer müssen sich mehr denn je mit Themen wie Umwelt, Soziales und Governance (ESG) sowie den damit verbundenen Prüf- und Nachweispflichten auseinandersetzen. Für den Einkauf bedeutet dies im Wesentlichen eine kontinuierliche Bewertung zahlreicher Risikoparameter, die einer zentralen Fragestellung dienen: Halten ihre Partner an internationale ESG-Standards ein, was ist im Zweifelsfall zu tun und wo kann schnellstmöglich Ersatz gefunden werden?

Der damit verbundene Aufwand ist nicht zu unterschätzen und ohne Software nicht wirtschaftlich sinnvoll zu bewältigen. Moderne Einkäufer haben aber längst erkannt, dass die die Einhaltung von ESG-Standards eigene Risiken minimiert und sie das Thema als Verhandlungsposition gegenüber den Lieferanten nutzen können. Und hier kommen die so genannten Verbesserungspläne ins Spiel.

Verbesserungspläne als Verhandlungsmasse

Ein Verbesserungsplan (Improvement Plan) ist das Pendant zu der aus dem Personalmanagement bekannten „Abmahnung“: Er ist eine letzte Erinnerung daran, dass die gegenseitige Beziehung kurz vor der Auflösung steht. Im Gegensatz zur Abmahnung gibt der Verbesserungsplan dem Partner jedoch die Möglichkeit, Versäumtes nachzuholen. Beide Seiten wollen sich gemeinsam bemühen, einen Weg zu finden, wie sie (wieder) besser zusammenarbeiten können. Dazu benötigen sie ein definiertes Ziel, einen Zeitplan und Meilensteine einschließlich der zugehörigen Key-Performance-Indikatoren (KPIs).

Mithilfe einer KI-Anwendung für Verbesserungspläne kann frühzeitig erkannt werden, welche Lieferanten beispielsweise durch inakzeptable CO2-Emissionen auffallen. Der Einkauf kann den jeweiligen Partner fragen, wie er das Problem in den Griff bekommen will. Das ist vergleichbar mit der „Predictive Maintenance“ in der Instandhaltung, nur eben bezogen auf die Lieferantenbeziehung: Früher oder später wären die betreffenden Lieferanten ohnehin aufgefallen. Je früher sie auf das Problem aufmerksam gemacht werden, desto schneller können sie es beheben.

Der Einkauf wiederum kann die Situation zu seinen Gunsten nutzen: Er erstellt mit dem Partner einen Verbesserungsplan und koppelt die Preisgestaltung – Bonus, Malus oder frühzeitige Bezahlung – an den Fortschritt bei der Planerfüllung. Dazu muss er allerdings bereit sein, notfalls einen anderen Lieferanten zu beauftragen, auch wenn dieser deutlich teurer ist.

Fazit: Use Cases entwickeln oder einkaufen

Die oben aufgeführten Use Cases können prinzipiell von jedem Unternehmen selbst erstellt werden, sie müssen aber auch technisch umgesetzt werden. Dies kostet Zeit, erfordert KI-Know-how und meist höhere IT-Budgets. Doch KI-basierte Use Cases können aber auch gekauft oder selbst erstellte mit generativer KI noch effizienter gestaltet werden. Ivalua beispielsweise bietet sie über seinen „Add-on Store“ an – mit der Möglichkeit, sie an die Bedürfnisse der Anwender anzupassen und den KI-Assistenten „IVA“ ohne Programmierung in ihre Einkaufsprozesse zu integrieren.

Generative KI – das unterschätzte Risiko

Unternehmen, die eine andere Lösung nutzen, sollten ihren Anbieter fragen, welche KI-Funktionalitäten in den Angeboten enthalten sind und wie ihre eigenen Anwendungsfälle damit unterstützt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass der Einkauf diese bereits kennt, also entsprechende Vorarbeit geleistet hat. Möglicherweise muss das betreffende Unternehmen seine Use Cases selbst oder gemeinsam mit einem Beratungsunternehmen umsetzen. Doch wie auch immer die Entscheidung ausfällt: Use Cases sollten immer auf Basis der Anforderungen des Unternehmens definiert und nicht mit „Workarounds“ an die Prozesse eines Anbieters von Einkaufssoftware angepasst werden. Deshalb ist es sinnvoll nach Technologien und Lösungen Ausschau zu halten, die erprobte Use Cases mit KI-Funktionalitäten bereits “Out of the Box” bereitstellen, sowie die Möglichkeit bieten unternehmensspezifische Anwendungsszenarien abzubilden – idealerweise ohne Programmieraufwand.


Bild: Ivalua

Jan-Hendrik Sohn

Vice President DACH und CEE bei Ivalua

Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 10
Ausgabe
10.2024
PRINT
ABO
Aktuelles Heft

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de