Startseite » Einkaufsrecht »

Wann hat eine Kaufsache einen Mangel

Der Kaufvertrag ab dem 1.1.2002
Wann hat eine Kaufsache einen Mangel

…und welche Rechte ergeben sich hieraus für die Einkaufsseite?
Das Einkaufsrecht wird sich ab dem 1.1.2002 erheblich verändern. Prof. Dr. Schmid, Lüneburg, stellt die für die Einkaufsseite wesentlichen Änderungen beim Kaufvertrag in einem ersten Beitrag vor. In einer nächsten Folge werden die Rechte beim Sachmangel ausführlich kommentiert.

Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat den für den Einkauf wichtigsten Vertrag, nämlich den Kaufvertrag, grundlegend verändert. Da die neuen gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich für alle Verträge gelten, die ab dem 1.1.2002 abgeschlossen werden, soll die Kommentierung des neuen Einkaufsrechts mit der Darstellung der neuen kaufrechtlichen Bestimmungen beginnen.
1. Zur Verpflichtung von Käufern und Verkäufern
Unverändert bleibt die Verpflichtung des Verkäufers, dem Käufer die gekaufte Sache zu übergeben und ihm daran das Eigentum zu verschaffen (§ 433 Abs.1 Satz 1 BGB). Neu ist dann jedoch der folgende Satz: „Der Verkäufer hat dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen“ (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Dies hat u.a. folgende Konsequenz: Wenn nämlich der Verkäufer sowohl beim Stück- wie beim Gattungskauf verpflichtet ist, eine mangelfreie Sache zu liefern, dann ist die bisherige Unterscheidung zwischen einem Stück- und einem Gattungskauf nicht mehr erforderlich.
Konsequenz: Zwischen diesen beiden Kaufarten wird zukünftig nicht mehr unterschieden!
2. Wann ist die Kaufsache mangelhaft?
Wenn der Verkäufer zur Lieferung einer Sache verpflichtet ist, die frei von Sach- und Rechtsmängeln ist, dann stellt die Lieferung einer mangelhaften Sache eine Pflichtverletzung dar.
-Wann liegt eine solche Pflichtverletzung vor?
-Wann ist die Kaufsache mangelhaft?
Die Prüfung kann in drei Stufen erfolgen:
1. Die Sache hat einen Sachmangel, wenn sie bei Gefahrübergang die „vereinbarte Beschaffenheit“ nicht hat. Es kommt also zunächst ganz darauf an, welche Aussagen die Vertragspartner zur Warenbeschaffenheit gemacht bzw. was sie vertraglich festgelegt haben. Der Inhalt der getroffenen Vereinbarung zur Beschaffenheit steht damit ganz im Vordergrund und ist damit allein maßgebend. Die Juristen sprechen hier vom sogenannten subjektiven Fehlerbegriff.
Entspricht die später gelieferte Sache nicht dieser Beschaffenheitsvereinbarung, so ist sie nicht vertragsgemäß und damit mangelhaft.
2. Zwar wird in der Vertragspraxis häufig von der Einkaufsseite größter Wert auf eine genaue Produktbeschreibung gelegt, doch geschieht dies nicht ausnahmslos. In solchen Fällen richten sich dann die Vorstellungen der Vertragspartner nicht auf einzelne Beschaffenheitsmerkmale, vielmehr soll in solchen Fällen die Ware für einen bestimmten Verwendungszweck tauglich sein.
Wurde also eine Beschaffenheit der Ware nicht vereinbart, dann hat die Sache einen Sachmangel, wenn sie sich bei Gefahrübergang für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung nicht eignet.
Ob hierfür unbedingt eine vertragliche Vereinbarung vorliegen muss, oder ob auch (nachweisbare) gemeinsame Vorstellungen der Vertragspartner ausreichen, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Aus der Formulierung wird jedoch deutlich, dass eine konkludente Übereinstimmung der Parteien ausreicht.
3. Wenn die Beschaffenheit nicht vereinbart wurde und die Vertragspartner auch eine bestimmte Verwendung nicht vorausgesetzt haben, dann kommt es bei der Frage, ob die Sache einen Sachmangel aufweist, zunächst darauf an, ob sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet. Eine Sache ist – in diesem dritten Fall – frei von Sachmängeln, wenn sie sich für diese gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (vgl. § 434 Abs.1 Satz 2 BGB).
Nach § 434 Abs.1 Satz 3 BGB gehören zu der üblichen Beschaffenheit auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte oder kennen musste oder dass sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte.
Beschaffenheitsvereinbarung
Es wird also in Zukunft viel mehr als bisher darauf ankommen, ob Werbeaussagen erfüllt werden oder nicht. Hierzu wird es erforderlich sein, solche Werbeaussagen ausfindig zu machen, sie zu sammeln und zu dokumentieren. Je konkreter solche Werbeaussagen sind, um so wichtiger können sie bei dem Nachweis sein, dass die gelieferte Sache einen Mangel aufweist. Denn je konkreter Werbeaussagen sind, um so eindeutiger werden sie die Kaufentscheidung beeinflussen. In solchen Fällen wird man auch davon ausgehen können, dass eine sogenannte Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt. Dies bedeutet: Weicht die tatsächliche Beschaffenheit der gelieferten Sache von dieser Beschaffenheitsvereinbarung ab, so liegt ein Sachmangel im Sinne von § 433 BGB vor.
Werbeaussagen und andere öffentliche Aussagen zur Warenbeschaffenheit werden überwiegend vom Hersteller stammen. Deshalb wird es zukünftig von Bedeutung sein, nicht nur die Aussagen des Vertragspartners, sondern ganz besonders die des Herstellers zu kennen und festzuhalten. Es entspricht schon der bisherigen Rechtsprechung: Wer öffentliche Äußerungen des Herstellers seiner Kaufentscheidung zugrundelegt, muss auf deren Richtigkeit auch im Verhältnis zum Verkäufer vertrauen können.
Zuzustimmen ist in diesem Zusammenhang auch dem Gesetzentwurf (S. 500ff), wenn es dort heißt: „Der Verkäufer wird durch die Bindung an öffentliche Aussagen des Herstellers über konkrete Eigenschaften der Kaufsache nicht in unzumutbarer Weise in seiner Rechtsposition beeinträchtigt. Denn zum einen profitiert auch er von der Werbung des Produzenten, weil sie auch seinen Absatz fördert und Werbeaussagen kaufentscheidend sein können. Zum anderen sind nur öffentliche Äußerungen über „konkrete Eigenschaften“ der Kaufsache rechtlich von Bedeutung, also nicht reißerische Anpreisungen allgemeiner Art ohne Bezugnahme auf nachprüfbare Aussagen über die Beschaffenheit der Sache.“
Die fehlerhafte Montage
Neu ist Folgendes: Ein Sachmangel liegt auch dann vor, wenn die vereinbarte Montage durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt worden ist. Ein Sachmangel liegt bei einer zur Montage bestimmten Sache ferner vor, wenn die Montageanleitung mangelhaft ist, es sei denn, dass die Sache fehlerfrei montiert wurde (vgl. § 434 Abs.2 BGB). Jetzt steht also fest, dass das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht auch dann anzuwenden ist, wenn bislang einwandfreie Sachen erst durch die fehlerhafte Montage des Verkäufers mangelhaft werden. Das war bisher nicht so! Damit diese Verbesserung für die Einkaufsseite voll genutzt werden kann, ist es erforderlich, solche Montageanleitungen zu dokumentieren.
Falschlieferungen und Zuweniglieferungen sind jetzt Sachmängel
Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert (vgl. § 434 Abs. 3 BGB). Durch diese neue Regelung wird die Falschlieferung und die Zuweniglieferung ausdrücklich einem Sachmangel gleichgestellt.
Bei einer Falschlieferung wird man im Regelfall nur durch die spätere Lieferung der richtigen Sache, also durch die so genannte Nachlieferung, den Gewährleistungsfall bereinigen können. Im Gesetzentwurf (S. 505) wird aber auch die Möglichkeit einer Nachbesserung nicht ausgeschlossen: „Der Nachbesserungsanspruch wird beim „Aliud“ (andere Leistung/an Stelle…) in der Regel ausscheiden, ist aber doch nicht gänzlich undenkbar, etwa wenn eine Maschine durch Einbau eines zusätzlichen Aggregates zu einer Sache umgerüstet werden kann, die einer anderen Gattung angehört.“
Die Zuweniglieferung lässt sich im Regelfall einfach durch Nachlieferung der fehlenden Menge bereinigen. Doch kann es auch hier zu Komplikationen kommen, wenn etwa die fehlende Menge mit der Erstlieferung nicht übereinstimmt. Auch dieser Fall wurde im Gesetzentwurf gesehen (S. 505): „Bei einer Zuweniglieferung wird zumeist der primäre Erfüllungsanspruch hinsichtlich der fehlenden Menge ausreichen. Wenn es aber z.B. bei Fliesen wegen möglicher Farbabweichungen darauf ankommt, dass die Gesamtlieferung aus einer Partie stammt, ist die Nacherfüllung durch völlige Neulieferung in der nunmehr richtigen Menge die geeignete Rechtsfolge.“
Rechte des Käufers bei Mängeln
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer gemäß § 437 BGB unter den Voraussetzungen
1. des § 439 BGB Nacherfüllung verlangen.
Diese Nacherfüllung, auch Resterfüllung genannt, kann einmal darin bestehen, dass
-nachgebessert (Nachbesserung, Mängelbeseitigung) oder
-neu geliefert wird (Neulieferung, Ersatzlieferung).
2. der §§ 440, 323, 326 Abs. 5 BGB von dem Vertrag zurücktreten oder des § 441 BGB den Kaufpreis mindern und …
-Das Recht des Käufers zum Rücktritt vom Vertrag wegen eines Sachmangels setzt grundsätzlich voraus, dass eine dem Verkäufer vom Käufer gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist (§ 323 Abs.1 Satz 1 BGB).
-Nach bisherigem Recht konnte der Käufer beim Vorliegen eines Sachmangels sofort Wandlung, also Rückgängigmachung des Kaufs verlangen. Das neue Schuldrecht sieht jetzt also ein solches sofortiges Gewährleistungsrecht nicht mehr vor.
-Auch ist der Begriff „Wandlung“ verschwunden.
-Neu ist auch, dass in Zukunft Minderung nur dann verlangt werden kann, wenn dem Verkäufer zuvor erfolglos eine angemessene Nachfrist gesetzt wurde.
3. der §§ 440, 280, 281, 283, 311a BGB Schadensersatz oder des § 284 BGB Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen.
•Kleiner Schadensersatz: Den eigentlichen Mangelschaden, also den Schaden, der im Mangel der Sache selbst besteht, kann der Käufer nach § 281 Abs.1 BGB grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zuvor gesetzten Frist zur Nacherfüllung verlangen.
Soweit es um diesen eigentlichen Mangelschaden geht (sogenannter kleiner Schadensersatz) und den Verkäufer insofern Fahrlässigkeit trifft, führt die Neuregelung erstmals zu einer Schadensersatzpflicht des Verkäufers.
•Mittelbare Schäden: Hier sind die über das Erfüllungsinteresse hinausgehenden Vermögensnachteile auszugleichen, Schäden also, die früher über die Positive Vertragsverletzung ausgeglichen werden mussten. Es geht hier um Schäden, die durch die Mangelhaftigkeit der Kaufsache an anderen Rechtsgütern als der Kaufsache selbst eingetreten sind.
•Großer Schadensersatz: Soweit der Verkäufer die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Käufer unter den Voraussetzungen des § 280 Abs.1 BGB – nämlich schuldhafte Pflichtverletzung durch den Verkäufer – Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Verkäufer eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt hat und diese Frist erfolglos abgelaufen ist (§ 281 Abs.1 Satz 1 BGB). Dies bedeutet, dass man bei einer teilweisen oder einer mangelhaften Leistung Schadensersatz statt der Leistung nur für den ausgebliebenen oder mangelhaften Teil der Leistung verlangen kann.
Schlussbemerkung
Angesichts der erheblichen Änderungen im Gewährleistungsbereich des Kaufrechts sollen im folgenden Beitrag die einzelnen Gewährleistungsrechte noch ausführlicher dargestellt werden. Dann wird auch deutlicher, dass das neue Recht aus Einkäufersicht ganz erhebliche Vorteile im Vergleich zum bisherigen Recht aufweist.
Der Kaufvertrag
-Der Kaufvertrag bleibt als Grundmuster für die entgeltliche Warenveräußerung mit einer Reihe wesentlicher Änderungen bestehen.
-Das Abstraktionsprinzip, also die typisch deutsche Unterscheidung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, bleibt zunächst noch erhalten.
-Zwischen Stück- und Gattungskauf wird zukünftig nicht mehr unterschieden.
-Nach § 453 Abs.1 BGB sind die Vorschriften über den Sachkauf jetzt auch auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen (Unternehmen, Unternehmensteile, freiberufliche Praxen, Elektrizität, Fernwärme usw.) entsprechend anzuwenden.
-Das Kaufrecht ist nunmehr auch anwendbar auf die Lieferung noch herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (§ 651 BGB).
-Neu ist, dass der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sachmängeln zu verschaffen hat. Dadurch wird jetzt die Lieferung einer mangelhaften Sache zu einer Pflichtverletzung.
-Der Sachmangel wurde völlig neu definiert.
-Hatte sich der Verkäufer vertraglich zur Montage verpflichtet und wird der Zusammenbau, der Einbau oder der Anschluss nicht sachgemäß durchgeführt, so liegt – jetzt neu – ein Sachmangel vor.
-Muss ein Möbelstück noch zusammengebaut werden, weil es in Einzelteilen geliefert wurde, so stellt eine mangelhafte Montageanleitung einen Sachmangel dar (sog. IKEA-Klausel).
-Die Lieferung einer anderen Sache (sog. aliud-Lieferung) und die Zuweniglieferung werden jetzt auch wie ein Sachmangel behandelt.
Arbeitsmappe mit 108 Seiten
und allen wesentlichen Neuerungen für den Einkauf, von Prof. Dr. jur. Karlheinz Schmid zusammengestellt und kommentiert; 77 Euro plus MwSt. und Versandkosten, über
Fax 0 41 31/97 04 01
Unsere Whitepaper-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de