Die Corona-Jahre 2020 und 2021 waren geprägt durch niedrige Energiepreise und einen großen Wettbewerb unter den Energieversorgern. Die reinen Arbeitspreise sanken im ersten Lockdown auf 3,7 Cent je Kilowattstunde an der Börse für das Folgejahr. Die Anzahl der gelaufenen Ausschreibungen über die Energieplattform „enPortal connect“ erreichte im Jahr 2020 ein Rekordhoch von 3000. Viele Unternehmen deckten sich für mehrere Jahre mit Strom und Gas ein. Es lag ein klassischer Käufermarkt vor, d. h. die Energieversorger gingen auf viele Anforderungen vonseiten der Einkaufsabteilungen ein. Günstige Energiepreise sorgten für ausreichend Liquidität im Markt. Die Risiken wurden auf die Lieferanten übertragen, die Aufschläge waren gering und Festpreis-Lieferverträge für kleinere und mittlere Unternehmen typische Produkte, die gehandelt wurden.
Ukraine-Krieg sorgt für Energiekrise im Jahr 2022
Mit dem Ukraine-Krieg im Jahr 2022 änderte sich nahezu alles im Energiemarkt. Es herrschten explodierende Preise am Markt: Statt 3,7 ct/kWh waren in der absoluten Spitze rund 100 ct/kWh fällig. Das stellte unzählige Unternehmen vor den finanziellen Abgrund. Der Markt switchte in einen Verkäufermarkt, die Bedingungen wurden von den Lieferanten bestimmt, die ebenfalls von den politischen Entwicklungen betroffen waren. Angebotsstopp-Wochen, eine neu eingeführte Gasspeicherumlage und gesetzlich neue Energiepreisbremsen sorgten für Unsicherheit und Unruhe auf Versorger- und Kundenseite. Viele Unternehmen hatten Schwierigkeiten, geeignete Lieferanten zu finden, vor allem, wenn die Bonität nicht passabel war. Zudem waren kleinere Unternehmen mitunter aufgefordert, von Festpreis-Lieferungen auf Tranchen- oder Spotmarkt-Lieferungen zu wechseln, was wiederum zu internen Prozessanpassungen und Unsicherheit führte. Der Energieeinkauf war längst kein Thema der Einkaufsabteilungen mehr, sondern rückte in den Fokus von Geschäftsführungen und Vorständen.
Energiemarkt 2023: Beruhigung und Kleinteiligkeit
Im Jahr 2023 entspannte sich die Lage. Es zeigten sich Energiepreise auf höherem Niveau, aber Anfang Dezember 2023 für 2024 mit rund 10 ct/kWh an der Börse deutlich niedriger als in den Krisenjahren zuvor. Die Fixierung von Börsenprodukten für die Zukunft ist hingegen mit einem größeren Risiko, mehr finanziellem Aufwand und gestiegenen Finanzierungskosten behaftet. Daraus folgen erheblich gestiegene Aufschläge der Energieversorger, die sich beim Endverbraucher deutlich bemerkbar machten. Die gesetzlich geregelte Energiepreisbremse, die Unternehmen entlasten sollte, führte auf Seiten der Energieversorger dazu, dass weniger Personalkapazität im Vertrieb spürbar war. Der Wettbewerb bei Ausschreibungen flaute dementsprechend ab, was sich auf die Energiepreise zusätzlich auswirkte. Die Bonität spielte eine große Rolle und bei größeren Energiemengen war eine Zurückhaltung auf Seiten der Versorger zu verzeichnen. Zum Jahresende 2023 zeigte sich, dass der Markt mit wesentlich kleinteiligeren Produkten (Spotmarktkomponenten und vertikale Tranchen) agierte und sich Kunden sowie Versorger auf diese neue Situation einstimmen mussten.
Wechsel der Beschaffungsmodelle und notwendige Marktkenntnis
Wer sich im Jahr 2024 mit der Beschaffung von Strom und Gas für die Folgejahre beschäftigt, sollte folgendes Erbe der letzten Marktjahre berücksichtigen:
- Die Situation erfordert weiterhin schnelles und flexibles Handeln. Wer seine Energiedaten nicht jederzeit vollständig vorliegen hat, kann die am Markt auftauchenden Chancen schwer nutzen.
- Das Handeln kleinteiliger Produkte und der häufige Wegfall von Toleranzbändern wird alle weiterhin begleiten. Auch für Unternehmen, die weniger als 5 Gigawattstunden pro Jahr verbrauchen, werden verschiedene Beschaffungsmodelle von Energieversorgern angeboten. Daher ist die Kenntnis dieser (z. B. Festpreis, Tranche horizontal, Tranche vertikal, Spotmarkt, anteilig Spotmarkt oder reine Spotmarktbeschaffung) vonnöten. Wer dieses Wissen nicht besitzt, kann auf Plattformen mit Energieexperten zurückgreifen, die bei der Strategiefindung unterstützen.
- Energieversorger werden sich ihre Kunden weiterhin akribisch aussuchen. Vollständige Energieverbrauchsdaten mit historischer Entwicklung sind hier klar im Vorteil. Gut aufgestellt ist dasjenige Unternehmen, das alle Energiedaten digitalisiert und die Verbräuche aller Abnahmestellen stets aktuell vorliegen hat – idealerweise verknüpft mit öffentlichen Netzentgelten, Steuern, Umlagen oder Abgaben. Der Wandel von Excel-Tabellen zu digitalen, sich selbst automatisierbaren Daten ist heutzutage in wenigen Stunden vollzogen. Über digitale Marktplätze sind Ausschreibungen bei günstigen Börsenkursen jederzeit möglich.
- Die letzten Jahre haben gezeigt, wie schnelllebig der Markt ist. Wer nicht permanent informiert ist, kann Chancen nicht ergreifen und Energiekosten nicht senken. Hier empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit Netzwerken oder Dienstleistern, die den Energiemarkt und die Bedürfnisse von Unternehmen als auch von Energieversorgern gut kennen.
Wenn die Entwicklungen des Energiemarktes eines gezeigt haben, dann: Mit umfassender Marktkenntnis oder der Zusammenarbeit mit Energieexperten sowie digitalen Energiedaten lassen sich die Herausforderungen gut meistern. Es liegt an den Einkaufsabteilungen, das Know-how auf Unternehmensseite so zu gewährleisten, dass sie den Marktanforderungen gerecht werden. Wer das verstanden hat, kann von Marktchancen profitieren und Erfolg in seine Energiebeschaffung bringen.
Tipps für den Energieeinkauf
1. Bündeln und digitalisieren Sie Ihre Energiedaten aller Abnahmestellen auf einer Plattform und sorgen Sie ggf. dafür, dass sich die Energiedaten automatisch updaten.
2. Verknüpfen Sie Ihre Energiedaten automatisch mit veröffentlichten Netzentgelten, Steuern, Umlagen und Abgaben. Über digitale Plattformen können Sie diese Daten verknüpfen, was schnelle Wirtschaftsprognosen und ein effizienteres Controlling ermöglicht.
3. Lassen Sie täglich die Energiebörsenkurse beobachten und nutzen Sie günstige Einkaufszeitpunkte. Mit Plattformbetreibern lassen sich Börsenpreise auf Ihr Abnahmeverhalten übertragen. Damit Sie informiert werden, wann Ihre Zielpreise erreicht werden.
4. Nutzen Sie den Wettbewerb im Energiemarkt mit digitalen Energiemarktplätzen, um möglichst viele Energiepreise miteinander vergleichen zu können. Wichtig: Für jedes Unternehmen erstellt ein Energieversorger einen individuellen Energiepreis, der abhängig ist von Größe, Renommee, Bonität und Verbrauchsprofil.
5. Profitieren Sie von KI-gestützten Energiepreisprognosen für Ihr individuelles Abnahmeverhalten, um Forecasts vornehmen und Kaufentscheidungen besser treffen zu können.
6. Prüfen Sie Ihr Einkaufsmodell und passen Ihre Beschaffungsstrategie an den Markt an. Mit dem kurzfristigen Switchen des Beschaffungsmodells können Sie auf die Anforderungen im Energiemarkt reagieren und Ihre Energiekosten optimieren.