Angesichts des steigenden Wettbewerbs und schrumpfender Margen müssen Logistikunternehmen ihre internen Abläufe optimieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Druck, Kosten zu senken und Effizienz zu steigern, führt zur Suche nach innovativen Lösungen, einschließlich der Anwendung von KI und Drohnen, die besonders in Zeiten des Fachkräftemangels vielversprechend erscheint.
Insbesondere manuelle Tätigkeiten wie die Inventur binden Ressourcen und verursachen hohe Kosten. Viele Firmen beschränken sich daher auf die jährliche Bestandsaufnahme, um gesetzlichen Anforderungen zu genügen, und übersehen dabei die Vorteile häufigerer Inventuren für die Bestandsverwaltung und -qualität.
Durch die Integration von Drohnen in den Inventurprozess, besonders in den arbeitsintensiven Schritten der Zählung und Nachzählung, lässt sich der personelle Aufwand signifikant senken. Die Analyse des klassischen Inventurablaufs in SAP-Systemen zeigt, dass gerade diese Phasen hohe Personalkosten verursachen. Eine Kameradrohne, deren Flugroute zur Erfassung des Lagers vorab über GPS-Punkte festgelegt wird, minimiert diesen Aufwand enorm.
Die von der Drohne gelieferten Bilder werden durch KI-Modelle selbstständig ausgewertet, die mit Daten aus dem Lagerverwaltungssystem – beispielsweise über definierte Schnittstellen oder den Austausch standardisierter Dateiformate – abgeglichen werden, um die Plausibilität der Ergebnisse zu prüfen. Dies reduziert nicht nur den Bedarf an Zeit für die Zählung, sondern erlaubt es den Mitarbeitenden auch, sich auf die Klärung von Unstimmigkeiten und Abweichungen zu konzentrieren, was die Effizienz und Transparenz in der Lagerhaltung verbessert.
Auch die Nachzählung und Kontrolle lässt sich über den bildbasierten Ansatz vereinfachen: Durch die lückenlose Dokumentation und Erstellung eines 3D-Abbilds des Lagers kann die Nachzählung bequem in der Software stattfinden.
Nutzung digitaler 3D-Modelle des Lagers
Um ein digitales oder 3D-Modell des Lagers zu erstellen, werden Fotogrammetrieverfahren eingesetzt. Dabei werden 2D-Bilder mithilfe verschiedener Algorithmen analysiert, um gemeinsame Merkmale in den Bildern zu identifizieren und diese in detaillierte, geokodierte 3D-Punktwolken umzuwandeln. Diese Punktwolken bilden die Grundlage für eine präzise dreidimensionale Darstellung des Lagers, indem sie Millionen von Punkten mit genauen Positionen im Raum enthalten und somit die Basis für die Rekonstruktion räumlicher Informationen (z. B. Abmessungen in cm) aus den Bildern bilden.
Ein wesentlicher Nutzen dieser Methode ist die Möglichkeit, zusätzliche 2D-Bilder in die 3D-Modelle zu integrieren, wodurch eine detailreichere Sicht auf die Lagerbestände ermöglicht wird. So lassen sich beispielsweise optisch schwer zu unterscheidende Produkte durch die Kombination von 3D-Informationen wie Stapelhöhen mit 2D-Bildern von Produktetiketten eindeutig identifizieren.
Dank der GPS-Daten der Bilder kann jeder Palettenstapel präzise einem Lagerplatz zugeordnet werden. Bei der Überprüfung der Inventurergebnisse haben die Anwender die Wahl zwischen 2D- und 3D-Ansichten des Lagers, was eine umfassende Kontrolle auch schwer zugänglicher Bereiche ermöglicht. Softwaretools zur Messung von Dimensionen unterstützen zudem die Mitarbeitenden bei der Ergebnisverifikation und erhöhen die Transparenz sowie Nachvollziehbarkeit der Inventur.
Anbindung an Lagerverwaltungssysteme
Ein entscheidendes Element für den erfolgreichen Einsatz der KI-gestützten Inventurlösung ist ihre Integration in die bestehenden Lagerverwaltungssysteme (LVS), die den Dreh- und Angelpunkt der Lagerlogistik bilden. Während der KI-Ansatz hauptsächlich die physische Produktzählung verbessert, bleibt die Steuerung des Gesamtinventurprozesses in der Hand des LVS, was zur Sicherstellung von Konsistenz und Zuverlässigkeit der Lagerverwaltung beiträgt. Eine nahtlose Kommunikation zwischen der Inventurtechnologie und dem LVS ist hierfür essenziell, einschließlich des Austauschs von Artikelstammdaten, der Übermittlung von Inventurbelegen und der Rückführung der Inventurergebnisse in das LVS.
Die Auswahl der richtigen Integrationstechnologie hängt vom spezifischen LVS ab. Viele moderne Systeme wie SAP EWM ermöglichen durch APIs eine direkte Datenübertragung. Falls eine direkte API-Anbindung nicht möglich ist, können alternative Methoden wie RPA-Bots für automatisierte Datenprozesse oder manuelle Import- und Exportfunktionen, zum Beispiel über CSV-Dateien, genutzt werden.
Der Vorteil des hier dargestellten Ansatzes zur Inventur liegt in der modularen und flexiblen Architektur, die eine einfache Anpassung und Integration in verschiedene LVS bietet. Dadurch können einzelne Module der Technologie nach Bedarf eingesetzt oder kombiniert werden, was eine breite Anwendbarkeit in unterschiedlichen Szenarien zulässt.
Personeller Aufwand um bis zu 90 % reduziert
Die vorgestellte Inventurlösung verdeutlicht, dass durch den Einsatz von Drohnen und KI die manuelle Produktzählung bei Inventuren weitgehend automatisiert werden kann, wodurch der Personalaufwand deutlich reduziert werden kann. Stattdessen genügt ein Drohnenpilot für die Erstellung der Lageraufnahmen, während KI-Algorithmen die Zählung übernehmen.
Der Praxiseinsatz dieser Technologie bestätigt die hohe Zuverlässigkeit der KI bei der Produkterkennung. Ein Vergleich mit traditionellen manuellen Methoden zeigt, dass der personelle Aufwand für Inventuren um bis zu 90 Prozent reduziert werden kann. Diese Innovation führt nicht nur zu einer signifikanten Effizienzsteigerung, sondern ebnet auch den Weg für eine fortschrittliche, digitalisierte Lagerhaltung.
Der Autor:
René Kessler,
Experte für KI und Data Science bei Abat