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Einkaufsverhandlungen in den BRICS-Staaten

Verhandlungsstrategien und -taktiken für Fortgeschrittene
Einkaufsverhandlungen in den BRICS-Staaten

Die BRICS-Staaten gewinnen immer mehr an Gewicht. Dadurch wird die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus diesen Regionen immer wichtiger. Aufgrund der verschieden kulturellen Hintergründe werden auch die traditionellen, westlich ausgerichteten, Verhandlungsansätze infrage gestellt.

Die BRICS-Staaten gewinnen auf den globalen Märkten wirtschaftlich immer mehr an Gewicht. Prognosen, wie etwa eine PWC-Studie weisen darauf hin, dass diese Länder in den kommenden Jahrzehnten maßgeblich zum weltweiten BIP beitragen werden. Dieser Aufschwung führt einerseits zu einer verstärkten Konkurrenz auf globaler Ebene, in der deutsche Unternehmen Kosten senken müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Andererseits werden Unternehmen in den BRICS-Staaten, auch technologisch immer besser – in manchen Bereichen sogar führend – und so als alternative Zulieferer immer attraktiver. Vor diesem Hintergrund wird die Zusammenarbeit mit Unternehmen aus den BRICS Regionen immer wichtiger.

Die Probleme bei Verhandlungen

Zu der wachsenden Bedeutung der BRICS-Nationen werden jedoch auch gleichzeitig die traditionellen, westlich ausgerichteten, Verhandlungsansätze immer mehr infrage gestellt.

Der Grund? Zulieferer in den BRICS-Staaten verhandeln bedingt durch die unterschiedlichen Geschäftspraktiken und Mentalitäten einfach anders. Dies wird sogar durch die sich immer mehr zugunsten der Zulieferer verschiebende Verhandlungsmacht – bedingt durch die zunehmende wirtschaftliche und technologische Stärke der Unternehmen – noch potenziert. Dabei sind die Verhandlungstechniken, wie sie immer noch von vielen Trainern und Dozenten für Verhandlungen in den BRICS-Nationen empfohlen werden, sehr oft westzentriert und dadurch deutlich weniger wirksam.

Harvard-Konzept schwer anwendbar

Ein Paradebeispiel dafür ist das berühmte Harvard-Konzept. Dieses besitzt zweifellos Stärken in der westlichen Geschäftswelt, jedoch ist es, wie eine neue in den USA erschienene Studie zeigt – in der Nicht-Westlichen Welt – und dazu zählen alle BRICS-Nationen – nur schwer anwendbar. Multinationale Einkaufsabteilungen laufen daher Gefahr, entweder viel Potenzial in Verhandlungen ungenutzt auf dem Verhandlungstisch liegenzulassen oder – noch schlimmer – schlechtere Verhandlungsergebnisse bis hin zum Verhandlungsabbruch zu riskieren, wenn sie ihre Verhandlungsstrategien und Einkaufspraktiken nicht auf die spezifischen Gegebenheiten ihrer Zielregionen ausrichten.

Daher ist es für Einkäufer heute unabdingbar, nicht nur ihren strategischen Ansatz zu überdenken, sondern sich auch weiter zu perfektionieren und sich mit neuesten Best Practices für das internationale Geschäft vertraut zu machen. Dazu gehört, die Verhandlungsstile an die Regionen anzupassen. Was sich auf den ersten Blick kompliziert anhört, lässt sich jedoch sehr gut kategorisieren und anwenden. Nur so können wir unseren Einkauf auch in diesen Regionen der Welt effizient aufstellen.

Fallbeispiel Brasilien

Ein mittelständisches Unternehmen aus dem Technologie-Sektor erlebte dies beim Versuch, über den strategischen Einkauf in Brasilien Kosten zu sparen, stieß jedoch bei den Verhandlungen auf unerwartete Probleme.

In der ersten Angebotsrunde legte der favorisierte brasilianische Lieferant und die beiden gewählten lokalen Alternativen Angebote vor, die weit über der marktüblichen Preisspanne lagen. Dies kam für das deutsche Unternehmen unerwartet, da man übliche, an den globalen Marktpreisen entsprechend ausgerichtete Angebote erwartet hatte. Ernüchtert diskutierten die Einkäufer die Optionen und erwogen, die Verhandlungen abzubrechen. Letztendlich konnte die deutsche Firma die gesteckten Einsparziele nicht erreichen und nur durch erhebliche Zugeständnisse bei Menge, Liefer- und Zahlungsbedingungen überhaupt einen Abschluss erreichen.

Hintergrund: hohe Anker

Das erste Angebot – d. h. mehr zu fordern, um sein Ziel zu erreichen – wissenschaftlich Ankern genannt – bestimmt zu einem erheblichen Teil das Verhandlungsergebnis. In den BRICS-Ländern gibt es hierbei jedoch deutliche Unterschiede: Verglichen mit Deutschland wird dort oft deutlich höher geankert, was dann zu systematisch höheren Erstangeboten und zu längeren Verhandlungen führt und daher die Gefahr besteht, dass sich dies in höheren Einkaufspreisen niederschlägt. Selbst das Einholen von Alternativangeboten führt hier nicht weiter, da diese mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls überhöht sind. Brasilianische Einkäufer wissen das und lassen sich selbst von beträchtlichen Nachlässen nicht beeinflussen und behalten Ihr Ziel im Auge.

Praxistipps Beispiel Brasilien

(1) Bereiten Sie sich auf hohe Erstangebote vor und ankern Sie in den Verhandlungen direkt gegen.

(2) Bereiten Sie über das Cost-Engineering eine Analyse der Preisstruktur vor Ort vor und definieren Sie so Ihr Verhandlungsziel.

(3) Vergleichen Sie Ihre Berechnungen mit dem Cost-Breakdown der Lieferanten (Vorsicht: Auf übertriebene Overheadkosten achten!).

(4) Die Unterschiede (Deltawerte) zwischen Cost-Engineering und Cost-Breakdown geben Ihnen genug Argumente für die Verhandlung in die Hand.

(5) Lassen Sie sich selbst von größeren Nachlässen nicht beeindrucken. Behalten Sie immer Ihr Ziel im Auge. Nicht die Höhe der Rabatte, sondern das Erreichen Ihres Ziels ist maßgeblich.

Angebote_Anker.png
Systematische landesspezifische Verhandlungsaufschläge auf Angebote (Anker) Brasilien und Deutschland
Bild: Schoen

Fallbeispiel Südafrika

Ein Automobilzulieferer stand in Südafrika bei Verhandlungen vor ähnlichen Herausforderungen. Vorausschauend wurde vor der Verhandlung noch das Verhandlungsteam in der Harvard-Methode trainiert, das sich daran machte, mit den südafrikanischen Partnern die Einsparziele zu realisieren. Die Firma stand jedoch vor dem Problem, dass der Lieferant bei den Gesprächen am Verhandlungstisch zwar überaus freundlich war, jedoch kaum Informationen teilte und auch offensichtlich taktierte. Daher war es gar nicht möglich, das Win-Win-Potenzial überhaupt zu adressieren, so, wie es eigentlich die Harvard Methode vorsieht.

Der Hintergrund

Wer in Südafrika verhandelt, muss genau genommen zwischen zwei Südafrikas unterscheiden. Dem Afrikaans Südafrika – Nachfahren europäischer Einwanderer – deren Verhandlungsstil sehr an den europäischen angelehnt ist und den Südafrikanern, die kulturell den Stämmen zuzuordnen sind, deren Verhandlungsstil sich sehr von dem deutschen unterscheidet und am ehesten mit dem indischen Stil vergleichbar ist. Hier werden Information seltener direkt am Verhandlungstisch offen geteilt. Zudem ist hier das Konzept der „Gesichtswahrung“ stark verwurzelt. Beides bestimmt die Art und Weise des Informationsaustausches sehr stark. Das führt dazu, dass über besonders heikle, wichtige Themen oder strittige Punkte meist nicht auf offener Bühne verhandelt wird, sondern hinter verschlossenen Türen in vertrauter Umgebung.

Praxistipps Beipsiel Südafrika

(1) Suchen Sie den informellen Austausch mit ihrem Verhandlungspartner parallel zu den eigentlichen Verhandlungen: Backchannel.

(2) Diskutieren Sie dort die wirklich wichtigen und strittigen Punkte.

(3) Hier können Sie Informationen sammeln, Kompromisslinien ausloten und Win-Win-Potenziale adressieren.

(4) Bauen Sie Vertrauen auf! Je mehr Vertrauen zwischen Ihnen und Ihrem Verhandlungspartner besteht, desto besser wird Ihnen die Umsetzung gelingen.

In einer Welt, in der die BRICS-Staaten zunehmend an wirtschaftlichem und technologischem Einfluss gewinnen, ist es für Unternehmen unabdingbar, sich auf diese ändernden Rahmenbedingungen einzustellen. Das bedeutet, traditionell – westlich ausgerichtete – Verhandlungsansätze kritisch zu hinterfragen und durch praxisnahe, an die Zielregion angepasste Methoden zu ersetzen, die sowohl die lokalen Mentalitäten und Geschäftspraktiken berücksichtigen. So können wir die anstehenden Veränderungen strategisch zu unserem Vorteil nutzen.

Weiterführende Informationen: Verhandeln in den BRICS Staaten

 


Raphael Schoen. (Bild: HHL-Daniel Reiche)

Der Autor:

Raphael Schoen

Raphael Schoen trainiert Manager im Führen von Verhandlungen. Er berät Verbände, große Unternehmen wie Vattenfall und assoziierte Unternehmen für Entwicklungsprogramme der Bundesregierung. Der langjährige Praktiker und zertifizierte Harvard Negotiator hat seine Promotion in Verhandlungswissenschaft an der HHL Leipzig in Verbindung mit der Harvard Business School abgeschlossen. Er ist bekannt für einen neuen Ansatz zur Maximierung von Verhandlungsergebnissen, der die strategische Analyse und Positionierung von Unternehmen mit der taktischen Verhandlung verzahnt. Durch seine Schulungen hilft er Führungskräften, diese Fähigkeiten zu entwickeln und zu verbessern, um ihre Verhandlungsziele effektiv zu erreichen.

 


Zusatzmaterial:

(1) Studie Harvard Konzept: www.emerald.com

(2) Studie PWC: www.pwc.com

(3) Erklärvideo: youtu.be


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