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Der Faktor Glaubwürdigkeit

Was für den FC Bayern gilt, gilt auch für den Einkauf
Der Faktor Glaubwürdigkeit

Der Faktor Glaubwürdigkeit
Ulrich Rehrmann, Geschäftsführer der GMVK Procurement Bild: GMVK

Haben Sie am Sonntagmorgen zufällig zugeschaut, wie Hasan „Brazzo“ Salihamidžić in der Sport 1-Sendung „Stahlwerk Doppelpass“ von Moderator Florian König gegrillt wurde? Selbst wenn ich Fan des FC Bayern München wäre, hätte ich mich ein wenig fremdgeschämt. Wie sich der Sportvorstand wand und, leicht stotternd, keine plausible Erklärung zum plötzlichen Rausschmiss von Cheftrainer Julian Nagelsmann fand, war mal wieder ein Paradebeispiel für Unglaubwürdigkeit – und zugleich auch eines für das Vorgehen eines „Markführers“, der Dinge tut, weil er es kann.

Weder der Rekordmeister noch eine Reihe anderer Klubs scheren sich um Lippenbekenntnisse ihrer Verantwortlichen. Noch vor wenigen Tagen hieß es allenthalben, Nagelsmann säße fest im Sattel … warum auch nicht, man habe mit ihm schließlich vor einem Jahr ein mehrjähriges Projekt eingeläutet. Gefühlt nur wenige Stunden nach dem uneleganten Hinausbitten trabte dann bereits der Neue im Klubdress (nein, noch nicht in Lederhose!) über die Säbener Straße – als Deus ex machina. Obwohl: Eine Wohnung hatte Thomas Tuchel ja bereits in der bayerischen Landeshauptstadt, wie praktisch. Und der nassforsche Nagelsmann? Das „langfristige“ Projekt? Egal, heute ist heute. Und heute stellt sich „die Situation“ nun einmal anderes dar als noch vor ein paar Tagen. Die „neue Situation“ erfordert halt eine neue Bewertung, so einfach ist das. Kann man intern so sehen, muss man als externer und zuweilen zweifelnder Betrachter der Szene aber nicht gut finden.

Um es deutlich zu sagen: Mein Mitleid mit einem hochbezahlten Trainer, der für eine irrwitzige Summe von einem, nun ja, möglichen Mitbewerber abgeworben wurde, hält sich in Grenzen. Zur Erinnerung: Red Bull Leipzig hatte vor einem Jahr 25 Mio. Euro für seinen gehypten Noch-Trainer gefordert – bestätigt im Dezember 2021 vom damaligen RB-Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzenden Oliver Mintzlaff.

Wäre „Brazzo“ glaubwürdiger gewesen, wenn er rundheraus gesagt hätte, dass man sich die Chance nicht (noch einmal) entgehen lassen wollte, die derzeit ungebundene Lichtgestalt Tuchel zu verpflichten, bevor der Schwabe (womöglich in Englands Premier League) unterschreibt? Nein! Scheinheilige Bekenntnisse lassen sich auch in der Fußball-Community, die sich zusehends entzweit, nicht unter den Tisch kehren. Medien und die vielen Kritiker vergessen nicht. Ein Verweis sei an dieser Stelle gestattet: Der ehemals beliebte Max Eberl muss sich als neuer Geschäftsführer Sport bei RB Leipzig ebenfalls an seinen früheren negativen Aussagen zum Brauseklub messen lassen – und auch er gab dabei bisher kein gutes Bild ab.

Das Theater amüsiert mich, wenn auch in Maßen. Zugleich stößt es mich ab. Weil mit jedem neuen Fall in Sachen „Unglaubwürdigkeit“ wieder falsche Bilder tiefer in unsere Gesellschaft einsickern. Weil Betrachter – darunter viele Kinder und Jugendliche – erleben, dass Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Loyalität oftmals keine Bedeutung mehr zu haben scheinen.

Aber schauen wir auch auf uns. Wir sieht es in unserer Community aus? Manche Einkäufer spielen zuweilen ihre Macht aus – sofern sie es aufgrund der Marktlage oder ihrer Nachfrageoptionen können. Manche Dienstleister preisen ihre Dienstleistung als „einzig Seligmachende“, obwohl sie deren Macken sehr wohl kennen. Wir alle sollten uns stetig hinterfragen: Wie argumentieren wir? Sind unsere Argumente belastbar? Wie definieren wir Partnerschaft? Und stehen wir auch in schwierigen Zeiten dazu?

Wissenslücken führen zu falschen Bewertungen und teuren Missverständnissen. Wer gut argumentieren will, braucht Belege. Um eindeutige Aussagen über uns und unsere Partner treffen zu können, sollten wir uns im Einkauf entsprechender KI-Tools bedienen. Transparenz, Erkenntnisse und Analysen lassen sich mittlerweile im Handumdrehen generieren. Künstliche Intelligenz kann uns auch zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen. Was wir daraus machen, liegt freilich an uns.

Auf die Kraft der Daten setzen bekanntermaßen auch die zumeist jungen Laptoptrainer, zu denen der gerade mal 35-jährige Julian Nagelsmann zählt. Wer ihnen Verantwortung für Multimillionäre in kurzen Hosen gibt, sollte davon ausgehen, dass menschlich Reife sehr wahrscheinlich erst noch Reifen muss. Datenmengen hin oder her: Die Wahrheit liegt am Ende auf dem Platz. Wenn ein Team menschlich nicht harmoniert (und das Runde nicht wenigstens einmal mehr als der Gegner über die Torlinie bugsiert wird), dann hilft auch ein content-gefütterter Laptop nicht. Das gilt auch für den Einkauf. Glaubwürdigkeit ist in jeder Gemengelage ein erfolgskritischer Faktor.

Am kommenden Sonntag (2. April) sollten Sie um 11:00 Uhr wieder den „Doppelpass“ anschauen. Als Gast der Expertenrunde wird Bochum- und Bayern-Legende Hermann Gerland erwartet. Ein integrer Haudegen, der deutschlandweit für Glaubwürdigkeit und Vereinstreue steht. Der „Tiger“ hatte 2021 seine Zelte als Co-Trainer beim FC Bayern abbrechen müssen, weil der neue Chefcoach und sein Team keine Verwendung für den gebürtigen Bochumer hatten. Der Neue hieß … richtig: Julian Nagelsmann. Auf Gerlands Beiträge am Sonntag bin ich sehr gespannt.

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Ulrich Rehrmann, Geschäftsführer der GMVK Procurement
Bild: GMVK

Der Autor:
Ulrich Rehrmann
Geschäftsführer
GMVK Procurement Group
www.gmvk.de

 

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