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Geopolitische Spannungen und die Konsequenzen

Meinung
Geopolitische Spannungen und die Konsequenzen

Geopolitische Spannungen und die Konsequenzen
Der Autor: Prof. Dr. Robert Fieten, wissenschaftlicher Berater der BA, Köln

Eine kluge Risikostreuung ist in der neuen Realität geopolitischer Spannungen und der daraus resultierenden Lieferkettenrisiken zu einem Top-Thema für die Beschaffungsstrategen in unserer Industrie geworden. Global Sourcing muss anders als in den vergangenen goldenen Jahren der Globalisierung angegangen werden. Die Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges hat deutlich gemacht, wie riskant einseitige Abhängigkeiten von Lieferquellen sind. Es ist erkannt worden, wie gefährlich es ist, dass Deutschland von Chinas Rohstoffen und vielen dort produzierten Vorprodukten massiv abhängig ist aber auch wie anfällig die Lieferketten der Chip-Versorgung sind. So hat der BDI im Frühjahr 2023 mit Blick auf die Rohstoffstrategie der Bundesregierung gefordert, Deutschland und Europa müssten sich „diversifizieren und unabhängiger aufstellen“. Heute ist von Derisking statt von Decoupling insbesondere im Hinblick auf China-Sourcing die Rede. 2022 importierte Deutschland fast 70 Prozent der seltenen Erden, die in der IT-Industrie und im Energiesektor unverzichtbar sind, aus China. Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts bezieht fast die Hälfte aller deutschen Industrieunternehmen Vorprodukte aus China; in der Automobilindustrie sind es über drei Viertel. 80 Prozent der Unternehmen wollen Umfragen zufolge ihre Abhängigkeit von China verringern.

Auf EU-Ebene und in der Bundesregierung, die beide von strategischen Abhängigkeiten sprechen, wird die Diversifizierung der Lieferquellen als Allheilmittel angesehen. Dies ist jedoch zu kurz gesprungen: In den Fokus treten muss stattdessen die Reduzierung der Verwundbarkeit durch Abhängigkeit.

Der prima vista nur begriffliche Unterschied zwischen Abhängigkeit und Verwundbarkeit wird in der laufenden Debatte leider zu oft verkannt (s. Handelsblatt vom 6.3.2023). Als Strategie für Versorgungssicherheit ist die Diversifizierung der Lieferquellen kostspielig. Sie funktioniert nicht per Knopfdruck. So wird es Jahre dauern, um etwa die entdeckten Vorkommen seltener Erden in Schweden zu erschließen. Doch Deutschlands Abhängigkeit von China und die Verwundbarkeit der deutschen Industrie brennen jetzt auf den Nägeln. Ähnliches gilt für die Chip-Versorgung unserer Industrie.

Die Industrieunternehmen müssen ihre Verwundbarkeit reduzieren. So müssen die Möglichkeiten der Verlagerung der Lieferketten in befreundete Länder (Friendshoring) geprüft werden. Die EU begleitet dies mit Handelsabkommen. Parallel dazu müssen die Unternehmen mehr die Wiederverwertung und die effizientere Verwendung von kritischen Rohstoffen und Vorprodukten forcieren. Leider geht es auch nicht mehr ohne höhere Vorräte. Im Bereich der Rohstoffe kann eine staatlich organisierte strategische Vorratshaltung Schutz vor geopolitischen Risiken bieten. In der risikoreichen neuen Realität bedarf es also eines ganzen Bündels von Maßnahmen der Versorgungssicherung. Eine Vollkaskoversicherung ist nicht zu finden!

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