In diesem Jahr haben sich die Preise für Industriemetalle deutlich nach oben bewegt. Seit Mitte Februar geht es auch mit dem besonders konjunktursensiblen Kupfer kräftig nach oben. Mit zuletzt 9797 US$ (19.4.2024) für die Tonne befindet sich der Kassa-Kupferpreis auf dem höchsten Niveau seit zwei Jahren, bewegt sich aber immer noch deutlich unter den Rekordniveaus aus den Jahren 2011 und 2021. Die Tatsache, dass zurzeit die ausgeprägteste Contango-Situation seit zwei Jahrzehnten vorliegt, muss Einkäufer aufhorchen lassen: Der Preis für Kupfer mit einer Lieferfrist von drei Monaten liegt an der London Metal Exchange mehr als 100 US$ unterhalb desjenigen für sofortige Erfüllung. Dies signalisiert kurzfristige Angebotsengpässe, die auch darauf zurückzuführen sind, dass es in der Kupfer-Supply-Chain den Schmelzen derzeit an Kupferkonzentrat fehlt. Erschwerend kommt für diese hinzu, dass neue Schmelzen u. a. in China und Indonesien um das eh schon knappe Konzentrat konkurrieren. Es bleibt abzuwarten, wie schnell geplante neue Kupferminen, die auf immer mehr Akzeptanzprobleme in den Förderländern stoßen, in Betrieb gehen können.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Kupfer (und Aluminium) in den nächsten Jahren weiter steigen dürfte, denn Kupfer ist das wichtigste Metall der Energiewende. In China, das die grüne Transformation seiner Industrie forciert, bleibt die Nachfrage auf Jahre hinweg hoch, und im Westen ist eine zyklische Erholung zu erwarten. Dies dürfte dem Kupferpreis weiterhin Flügel verleihen. Goldman Sachs prognostiziert nicht nur in den kommenden zwölf Monaten einen Kupferpreis von 12.000 Dollar (F.A.Z. vom 11.4.2024).
Die Internationale Energieagentur hat ein Net-Zero-2050-Szenario entwickelt und ausgerechnet, wie viel erneuerbare Energien man dazu installieren muss, wie viele Elektroautos notwendig sind, und auch wie viele neue Stromleitungen benötigt werden. Die anstehenden erneuerbaren Energieprojekte haben im Vergleich zu traditionellen fossilen Kraftwerken oder auch zu Atomkraftwerken den fünffachen Kupferverbrauch. Für ein Elektrofahrzeug bedarf es knapp viermal so viel Kupfer wie für einen Verbrenner. Anhand dieses Szenarios kann man abschätzen, wie groß die jährliche Kupfernachfrage bis 2050 im Schnitt sein dürfte – getrieben weniger von der Konjunktur als von der grünen Transformation.
Um den wachsenden Kupferbedarf zu decken, müsste viel mehr in neue Kupferminen investiert werden. Laut einer Schätzung der Bank of America sind dies mindestens 127 Mrd. Dollar pro Jahr. Im vergangenen Jahr wurden aber nur 104 Mrd. Dollar investiert (Handelsblatt vom 2.4.2024).
Vor dem Hintergrund des Angebotsdefizits müssen sich die Einkäufer bis zum Ende der Dekade auf einen sehr volatilen Kupfer-Superzyklus einstellen. Um die Angebotsentwicklung einzuschätzen, müssen sie alle Stufen der Kupfer-Supply-Chain im Auge behalten. Es ist eine volatile Preisentwicklung zu erwarten, in der die Einkäufer viel Fingerspitzengefühl und eine gehörige Portion Fortüne benötigen.
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