Demnach sind mehr als 40 Prozent der Unternehmen der Meinung, dass sie beim Thema ESG (Environment, Social, Governance) noch nicht gut abschneiden; nur jedes Dreizehnte (7,6 %) hält seine diesbezügliche Aufstellung für „exzellent“.
Die Studie beleuchtet darüber hinaus, was die Vorreiter von den Nachzüglern bei diesem Thema unterscheidet: Zentral sind demnach entsprechend ausgerichtete Strukturen, informierte und engagierte Führungskräfte, fortschrittliche Technologien und eine Kultur, die die ESG-Prinzipien anerkennt und lebt.
Über 70 Prozent unterliegen gesetzlichen ESG-Verpflichtungen
„Mehr als 70 Prozent der europäischen Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, die neue EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) einzuhalten“, sagt Andreas Stocker, Partner bei Roland Berger. „Und auch Firmen, die nicht darunter fallen, müssen sich darauf einstellen, etwa weil sie als Zulieferer indirekt betroffen sind. Entsprechend wichtig ist das Thema für Führungskräfte.“
Die Einhaltung der ESG-Anforderungen und -Standards nennen daher 23 Prozent der Befragten als größte Herausforderung für die nächsten drei bis fünf Jahre, nur knapp getoppt vom aktuell bedeutsamsten Thema „Management von Inflation und Preissteigerungen“ mit 25 Prozent der Nennungen. Mit Abstand folgen „Digitalisierung“ (19 %) und „geopolitische Risiken“ (16 %).
Organisatorische Herausforderungen
Die Wichtigkeit des Themas ist also erkannt, dennoch sehen nur 7,6 Prozent der Befragten sich „exzellent“ dafür gerüstet, während 40 Prozent die Performance ihres Unternehmens beim Umgang mit den ESG-Anforderungen als „mäßig“ oder „schlecht“ einstufen.
„Viele Unternehmen kämpfen mit organisatorischen Herausforderungen und können dadurch beim Thema ESG noch nicht optimal handeln“, sagt Stocker. „Häufig fehlt es schon an der klaren Zuweisung der Verantwortung für das Thema, es mangelt am Engagement der Führungskräfte oder auch an Unterstützung durch das Top-Management.“
Erschwerend wirkt sich aus, wenn es kein ausdrücklich zugewiesenes Budget für ESG-Aktivitäten gibt und maßgeschneiderte Schulungsprogramme fehlen, in denen die Mitarbeitenden die notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerben können.
ESG bietet auch strategische Vorteile
Immerhin ergibt die Umfrage, dass die zentrale Verantwortung für ESG in fast der Hälfte der Unternehmen (48 %) auf Vorstandsebene verortet ist; zudem berichten 50 Prozent der ESG-Manager direkt an den CEO, weitere rund 15 Prozent an den CFO oder den COO.
„Dieser Trend zu einem zentralisierten und weit oben in der Entscheidungshierarchie verankerten ESG-Management zeigt, dass die Unternehmen den Nachhaltigkeitszielen eine hohe strategische Priorität beimessen“, sagt Stocker. „Und sie tun dies nicht nur aus gesetzlicher Verpflichtung heraus, sondern weil sie greifbare Vorteile in Bezug auf Kundenbeziehungen und Marktpositionierung sehen.“
Womit punkten „Best-in-Class“-Unternehmen?
Was zeichnet nun die 7,6 Prozent der befragten Unternehmen aus, die sich selbst als Vorreiter beim Thema ESG sehen? Zum einen haben sie deutlich häufiger (89 % im Vergleich zu 76 % der „Nachzügler“) eine spezielle Organisationseinheit, die sich mit ESG-Angelegenheiten befasst. Dieser Ansatz deutet auf eine proaktive Herangehensweise hin und auf eine Verankerung von ESG-Themen in der Unternehmens-DNA.
Zudem liegt bei ihnen die ESG-Verantwortung häufiger (59 % vs. 38 %) auf Vorstandsebene, und ESG-Manager berichten häufiger (54 % vs. 45 %) direkt an den CEO – beides ebenfalls ein Beleg für die hohe strategische Priorität, die diese Unternehmen dem Thema einräumen. Ähnlich beim Budget für einschlägige Aktivitäten, das 84 Prozent der Vorreiter haben, aber nur 61 Prozent der anderen Unternehmen.
Zu guter Letzt führen die meisten von ihnen (87 %) spezielle Schulungen ihrer Mitarbeitenden zu ESG-Themen durch und schärfen so das Bewusstsein und das Verständnis dafür in der gesamten Organisation – bei den übrigen Unternehmen tun dies nur 56 Prozent.
Von der reaktiven Erfüllung zur proaktiven Nutzung
„Die Betrachtung der ‚Best-in-Class-Unternehmen‘ zeigt klar, dass sie einen entscheidenden Sprung geschafft haben: von der reaktiven Erfüllung von gesetzlichen Vorschriften hin zu einer proaktiven Nutzung von Nachhaltigkeitsthemen als Mehrwert-Bringer“, so Stocker. „Sie haben ESG zu einem Eckpfeiler ihrer Identität und unverzichtbaren Bestandteil ihrer operativen Exzellenz entwickelt.“
Diese systematische und proaktive Herangehensweise empfehlen die Roland-Berger-Experten allen Unternehmen, die sich bisher noch nicht richtig aufgestellt sehen. „Verzögern ist keine Option mehr“, sagt Stocker. „ESG ist keine lästige Pflicht, die man aussitzen könnte. Es ist vielmehr eine Chance, das eigene Geschäft zu optimieren und zukunftsfähig zu machen, während man gleichzeitig etwas für die Zukunftsfähigkeit unseres Planeten tut.“ (ys)