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EU-Mercosur-Handelsabkommen: Lieferkettendiversifizierung in Lateinamerika

Das EU-Mercosur-Abkommen
Lieferkettendiversifizierung in Lateinamerika

Lieferkettendiversifizierung in Lateinamerika
Die internationale Wirtschaftsorganisation Mercosur hat ihren Sitz in Montevideo, Uruguay. Bild: Leonid Andronov/ stock.adobe.com

Die Mercosur-Länder Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay beraten seit den 90er-Jahren mit der EU über ein umfassendes Handelsabkommen. Zwar sind die Verhandlungen seit 2019 abgeschlossen, jedoch steht die Ratifizierung des Abkommens weiter aus. Dabei könnte es wichtige Wachstumsimpulse für die deutsche Wirtschaft bieten und die Diversifizierung von Lieferketten vorantreiben, schreibt die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) – gerade auch mit Blick auf die Rohstoff- und Energieversorgung.

Weltweit nehmen Handelshemmnisse zu und erschweren das Außenwirtschaftsgeschäft. Eine ambitionierte EU-Handelspolitik ist daher die Grundvoraussetzung für den globalen Erfolg der deutschen Wirtschaft.

Das ehrgeizige EU-Mercosur-Abkommen setzt hierfür wichtige Akzente schreibt die DIHK: Im Laufe der nächsten Jahre sollen fast alle Zölle mit dem bisher wirtschaftlich protektionistisch aufgestellten lateinamerikanischen Wirtschaftsraum fallen.

Außerdem sieht das Abkommen vor, den Marktzugang im Dienstleistungshandel auszuweiten, öffentliche Beschaffungsmärkte zu öffnen, regulatorische Kooperation zu vereinfachen und 350 traditionelle europäische Spezialitäten wie bayerisches Bier oder schwäbische Spätzle auch im Mercosur zu schützen.

Handelsabkommen soll auch KMU erreichen

Das Handelsabkommen hat zudem ein gezieltes Mittelstandskapitel, damit die Vorteile auch kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) erreichen. Über 8500 deutsche Betriebe exportieren in die Mercosur-Länder, 74 Prozent von ihnen sind KMU.

Bisher unterliegen 85 Prozent der europäischen Ausfuhren in diesem über 260 Millionen Konsumenten umfassenden Markt einem Zoll. Das verursacht in deutschen und europäischen Betrieben Kosten in Höhe von vier Milliarden Euro pro Jahr.

Entsprechend sehen viele Unternehmen in einem Handelsabkommen Chancen für sich. Laut der Going-International-Umfrage 2023 der DIHK gibt jedes fünfte auslandsaktive deutsche Unternehmen an, Lateinamerika als zunehmend wichtigen Markt zu betrachten – das ist auch eine Reaktion der Betriebe auf die aktuellen wettbewerblichen und geopolitischen Spannungen.

Diversifizierung in Zeiten geopolitischer Risiken

Die deutsche Wirtschaft benötigt eine Zeitenwende in den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen mit wichtigen geopolitischen Partnern wie dem Mercosur, so die DIHK. Je länger die Ratifizierung des Mercosur-Abkommens auf sich warten lasse, desto mehr Marktchancen würden der deutschen Wirtschaft entgehen.

Eine rasche Ratifizierung würde europäischen Unternehmen einen zeitlichen Vorsprung verschaffen, da das Abkommen das erste zwischen den Mercosur-Staaten und einem bedeutenden Partner wäre. Auch andere große Wettbewerbsnationen sind aber in der Region zunehmend aktiv. China hat der DIHK zufolge inzwischen die frühere Position Europas als wichtigster Handelspartner mit den Ländern der Region übernommen.

Aktive Handelsbeziehung mit Brasilien

Europa kann bereits auf intensiven Handelsbeziehungen aufbauen: Allein nach Brasilien exportierten deutsche Unternehmen 2021 Waren und Dienstleistungen im Wert von über 13 Milliarden Euro. Der deutsche Investitionsbestand dort lag zuletzt bei mehr als 22 Milliarden Euro. Die deutschen Exporte unterstützen laut EU-Angaben in Deutschland fast 250.000 Arbeitsplätze. Die brasilianische Metropole São Paulo ist laut DIHK gleichzeitig einer der größten Standorte der deutschen Industrie weltweit.

Das zeigt das große Potenzial, das bei einer Ratifizierung des Abkommens gehoben werden kann. Marktchancen für deutsche Unternehmen liegen vor allem in den Bereichen Maschinenbau, Automobil und Ernährung, in denen die Mercosur-Länder bisher mitunter sehr hohe Zölle erheben.

Nachhaltiger Handel mit Lateinamerika

Durch Nachhaltigkeitsregelungen kann das Abkommen auch die Bemühungen der Mercosur-Staaten im Klimaschutz unterstützen. Alle Beteiligten haben sich auf klare Nachhaltigkeitsstandards verständigt und sich somit dazu verpflichtet, das Pariser Klimaschutzabkommen effektiv umzusetzen.

Für die deutschen Unternehmen bedeutsam: Je stärker die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Lateinamerika sind, desto größer sind auch die Chancen, in Umwelt- und Klimafragen gemeinsam voranzukommen. Ein Abkommen kann Unternehmen ermutigen und Investitionen für den Aus- und Aufbau nachhaltiger Lieferketten auslösen.

Hiesige Betriebe sind – auch mit Unterstützung der deutschen Auslandshandelskammern (AHKs) –seit über 100 Jahren in den Mercosur-Ländern vertreten. Sie sichern laut der DIHK Zehntausende Arbeitsplätze und tragen durch die duale Ausbildung vor Ort zur nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung der Region bei. Das EU-Mercosur-Abkommen bietet nun neue Chancen, dieses Engagement gemeinsam weiter zu stärken.

Umsetzung für Unternehmen entscheidend

Entscheidend für den Erfolg von Handelsabkommen ist ihre Umsetzung. Die EU sollte sich hier generell für Vereinfachungen stark machen, insbesondere durch klare und harmonisierte Regeln für den Warenursprung, ein umfassendes EU-Online-Tool zu Ursprungsregeln und standardisierte Ursprungsnachweise über alle Abkommen hinweg, empfiehlt die Deutsche Industrie- und Handelskammer. Die Digitalisierung der Zollprozesse sollte beschleunigt und der EU-Zolltarif vereinfacht werden. Das würde vor allem auch KMU entlasten und den Handel erleichtern.

Klemens Kober, Referatsleiter Handelspolitik, transatlantische Beziehungen und EU-Zollfragen, Deutsche Industrie- und Handelskammer

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