Startseite » C-Teile-Management »

Akin Incesu, Director Purchase bei Böllhoff, im Interview

Akin Incesu, Director Purchase bei Böllhoff, im Interview
Networking als Erfolgsgrundlage

Mit 45 Standorten in 25 Ländern, einem Netzwerk von mehr als 1500 Lieferanten aus über 40 Nationen und einem Umsatz von 783 Millionen Euro, ist die Böllhoff-Gruppe ein global agierender Hersteller und Anbieter von Verbindungstechnik. Für die Beschaffung ist Akin Incesu, Director Purchase, verantwortlich. Im Interview spricht er über die aktuellen Herausforderungen im Einkauf, die Zusammenarbeit mit den Lieferanten und die Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens.

Im Gespräch mit Yannick Schwab, Beschaffung aktuell

Beschaffung aktuell: Herr Incesu, Sie verantworten bei der Böllhoff GmbH die Beschaffung. Wie ist Ihre Einkaufsorganisation strukturiert?

Akin Incesu: Wir haben einen strategischen Einkauf, der sich aus unseren Leadbuyern zusammensetzt. Diese legen die Warengruppen- und Lieferantenstrategie fest und verantworten sie. Daneben haben wir eine operative Einkaufsabteilung, die das tägliche RFQ-Management betreut sowie die Stammdaten pflegt. Besonders anspruchsvolle Kundenanfragen, etwa für Produkte mit sicherheitsrelevanten Merkmalen werden durch unseren Projekteinkauf gemanaged. Einen wichtigen Beitrag zur Stabilität der Lieferketten leistet die Disposition, die unsere Lieferbereitschaft verantwortet. Das Lieferantenmanagement begleitet unsere Einkaufsbereiche sowie Lieferanten und kümmert sich neben der Lieferantenqualität auch um die Entwicklung der Lieferanten. Abschließend führen wir wichtige Abteilungen im Beschaffungscontrolling und im Accounting.

Welche Art von Gütern beschaffen Sie? Gibt es Warengruppen, die derzeit besonders anspruchsvoll in der Beschaffung sind?

Mit Standorten in 25 Ländern sind wir für unsere Kunden weltweit Partner für 360°-Verbindungstechnik und senken ihre Beschaffungs- und Bevorratungskosten bei Verbindungselementen. Entsprechend breit und tief ist unser Sortiment. So führen wir mehr als 100.000 DIN- und Normteile als klassische Verbindungselemente, bei denen unsere Warengruppen weit über die standardisierten Schrauben, Muttern oder Scheiben hinausgehen. Ein weiteres Fundament unserer Produkte und Warengruppen bilden Verbindungselemente nach Kundenzeichnungen sowie unsere Handelsmarken.

Grundsätzlich sehen wir eindeutig eine Beruhigung der Lieferketten. Die Beschaffung wird immer da anspruchsvoll, wo es vermeintliche Monopolisten gibt oder die Warengruppen sich auf ganz wenige Lieferquellen beschränken. Daneben können wir unseren Kunden immer dann einen signifikanten Mehrwert bieten, wenn wir frei in unserer Lieferantenauswahl sind und nicht, wenig wertschöpfend, lieferantengebundene Produkte ausschließlich aus vorgegebenen Quellen beschaffen müssen.

Wo befinden sich Ihre Einkaufsmärkte?

In Europa sind Italien, Türkei sowie ost- und südosteuropäische Länder wichtige Beschaffungsregionen für uns. Auch der deutsche Beschaffungsmarkt spielt für uns weiterhin eine tragende Rolle im Kontext einer ausgewogenen Balancierung unseres Spends. Selbstverständlich haben auch weiterhin die Beschaffungsregionen aus Fernost eine große Bedeutung für unsere zukünftigen Strategien, hier gibt es neben den etablierten Regionen in China, Indien und Taiwan neue, vielversprechende Ansätze.

Wo sehen Sie aktuell Herausforderungen in der Beschaffung von Verbindungstechnik und C-Teilen und wie begegnen Sie diesen?

Es wird viel von der VUCA-Welt gesprochen und tatsächlich erleben wir in kurzen Zeitabständen erhebliche Schwankungen am Markt, zuletzt einhergehend mit gesteigerten Anforderungen an die Unternehmen und deren Einkauf. Ein konkretes Beispiel ist die Umsetzung des aktuellen Sanktionspaketes gegen Russland, dass das Verbot der Einfuhr oder des Kaufs von Verbindungselementen aus Drittländern beinhaltet, wenn diese unter Verwendung bestimmter Stahlerzeugnisse russischen Ursprungs hergestellt worden sind. Die Umsetzung war für die gesamte Branche mehrere Monate unklar, auch unser Fachverband des Schrauben-Großhandels hat sich intensiv bemüht, mehr Klarheit in die Umsetzungsanforderungen von den zuständigen Behörden zu erhalten. Ein weiteres Beispiel ist das Inkrafttreten des CO2-Grenzausgleichsmechanismus – CBAM – auf die Einfuhr von Verbindungselementen in die EU sowie die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Darüber hinaus gibt es immer wieder vereinzelte „Force Majeure“-Ankündigungen, wie zuletzt für bestimmte Produkte eines großen US-Unternehmens.

Wir begegnen diesen Herausforderungen zum einen, indem wir viel kommunizieren und den direkten Dialog zu unseren Geschäftspartnern sowie Verbänden suchen. Darüber hinaus haben wir in unseren Einkaufsabteilungen sowie in der Zusammenarbeit mit kompetenten Abteilungen aus unserer Gruppe, wie etwa unserer Zollabteilung, fachkompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen wir im Austausch mit unseren Lieferanten gute, praxistaugliche Lösungen entwickeln. Zudem werden wir für die Bewältigung dieser Herausforderungen weiter in die Digitalisierung unserer Einkaufsprozesse und -systeme investieren. Wir sind überzeugt, dass es für einen modernen Einkauf keine digitale „One fits all“-Technologie um ein ERP-System mehr geben kann. Daher sind wir in einem engen Austausch mit sehr interessanten Unternehmen aus der Start-Up-Szene, die uns bei fachspezifischen Themenblöcken beraten und digital begleiten. Zu guter Letzt ist die Gewinnung von mehr Transparenz in den Lieferketten eine „lessons learned“ für uns. Das fängt bei einzelnen Produktbestandteilen an, geht weiter in die Transparenz in der Produktionskette und den einbezogenen Lohnbehandlern und beinhaltet die Transparenz in der logistischen Lieferkette.

Welche Maßnahmen sind notwendig, um trotz globaler Unsicherheiten eine langfristige Lieferkettenstabilität zu gewährleisten?

Wenn wir vom Prozess her denken, würde es mit einer guten und belastbaren Kundeninformation und -forecasting beginnen, begleitet mit einer guten Kommunikation auf Augenhöhe. In Zeiten steigender Zinsen ist die Absicherung der Lieferkette durch einen steigenden Bestandsaufbau auf eigenes unternehmerisches Risiko vielleicht die naheliegendste, aus Working Capital Gründen nicht jedoch die wirtschaftlich sinnvolle Lösung. Auch hier bleibe ich bei dem Thema gute Kommunikation, gute Stammdatenpflege, vor dem Hintergrund sinkender Lieferzeiten sowie digitale Möglichkeiten und Dispositionstools, die uns helfen, der Volatilität und der Unsicherheit der Märkte zu begegnen.

Welche Kriterien sind für die Auswahl und Bewertung von Lieferanten bei Böllhoff entscheidend?

Übergeordnet und rein strategisch betrachtet ist es weiterhin die Triangel zwischen wettbewerbsfähigen Preisen, hoher Produktqualität sowie logistischer Lieferzuverlässigkeit. In unserem Branchenumfeld, in dem wir keine Verwerfungen durch Transformation wie etwa bei der E-Mobility erwarten, bleiben das für mich die wesentlichen Säulen. Daneben bekommt das Thema Nachhaltigkeit viel mehr Bedeutung und Gewichtung in unseren Lieferantenbewertungen sowie folgend in den Entscheidungsprozessen. Parallel dazu erheben wir bewusst Soft Facts, die auf das Kommunikations-, Informations- und Antwortverhalten abzielen sowie bewerten, wie agil und flexibel sich der Lieferant in bestimmten Situationen verhält.

Wie setzen Sie Nachhaltigkeit und CSR-Anforderungen in der Lieferkette um?

Seit über 145 Jahren wirtschaften wir als familiengeführtes Unternehmen. Nachhaltige Orientierung und verantwortliches Handeln ist in unserer Unternehmenskultur seit jeher tief verwurzelt. Wir bekennen uns zu den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen. Als Unternehmen wollen wir bis 2030 CO2-Neutralität in Scope 1 und 2 erreichen. Unsere Nachhaltigkeitsstrategie wird dabei durch drei Handlungsfelder bestimmt: Planet, People und Partnership.

In der Umsetzung in der Lieferkette ist unser Code of Conduct als Vertragsbestandteil ein wichtiges Werkzeug, um eine nachhaltige Supply Chain sicherstellen zu können. Der Code of Conduct beinhaltet wichtige Themen rund um Corporate Social Responsibility. Beispielsweise verlangt er von unseren Lieferanten, dass sie Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter übernehmen, aktiv Maßnahmen für den Umweltschutz ergreifen und Korruption im Unternehmen bekämpfen. Darüber hinaus werden sie aufgefordert, ihr Qualitätsmanagementsystem für die Produktion weiterzuentwickeln. Wir schließen mit unseren Lieferanten Qualitätssicherungsvereinbarungen ab, in denen sich unsere Lieferanten verpflichten, alle gesetzlichen Regelungen zu Umwelt-, Gesundheits- und Arbeitsschutz einzuhalten. Wir erwarten hier konkret, dass unsere Lieferanten das Umweltmanagementsystem nach ISO 14001 weiterentwickeln. Und natürlich ist ganz wesentlich die persönliche Inaugenscheinnahme im Rahmen von Audits, auch mit dem Fokus auf Umwelt- und sozialen Kriterien. Ferner überarbeiten wir im Zuge der Einführung des Lieferkettengesetzes unser Risikomanagementsystem, das nunmehr einen größeren Fokus auf die Prävention legt, um allen Anforderungen hinsichtlich der Einhaltung von Menschenrechten in unserer globalen Lieferkette zu genügen.

Inwiefern nutzen Sie Daten und Analysen, um Ihre Beschaffungsprozesse zu optimieren?

Man kann es nicht oft genug betonen, wie wichtig Daten und wie wichtig die Qualität der Stammdaten für unseren Erfolg sind. Im Grunde bildet die hohe Datenqualität die Grundlage für unsere Lieferanten- und Warengruppenstrategie. Mit modernen, toll visualisierten Tools können wir etwa in der Steuerung unseres Tagesgeschäfts unmittelbar Abweichungen erkennen, gleichzeitig lassen sich Massendaten in kürzester Zeit komprimieren, um notwendige Trends zu erkennen, einzugreifen oder Strategien zu entwickeln. Daher spielt ein modernes Beschaffungscontrolling eine erhebliche Rolle in der Effektivität und Effizienz unserer Beschaffungsorganisation.

Wie verändert sich derzeit das Anforderungsprofil an Einkäuferinnen und Einkäufer?

Ich bin überzeugt, dass die Zeiten einer rein operativen Orientierung als reine Linienfunktion vorbei sind, genauso wie eine ausschließlich kommerzielle und in Teilen reaktive Orientierung. Wir haben zu Beginn über die VUCA-Welt gesprochen. Diese bringt erhebliche Veränderungen an das Anforderungsprofil mit sich. Neben den Elementen des klassischen Kostenmanagements und der stabilen Versorgung erhöhen wir unsere Kompetenz in der Digitalisierung, auch durch die Zusammenarbeit mit externen Geschäftspartnern. Auch das Bewusstsein für die Wertigkeit der Nachhaltigkeit als ein Entscheidungskriterium wird sich deutlich steigern. Die zukünftigen Einkäuferinnen und Einkäufer müssen noch intensiver Netzwerkkompetenz besitzen, sowohl zu unseren Lieferanten als auch zu unseren internen und externen Stakeholdern.

Unsere Webinar-Empfehlung


Hier finden Sie mehr über:
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de