Die Organisation der Lieferkette hat sich weiterentwickelt. Traditionell wurde sie entlang der Wertschöpfungskette aufgebaut. Dadurch entstanden Silos, die unabhängig voneinander optimiert und verwaltet wurden. Dies erfordert auch heute noch die Verwaltung von teils über 20 Softwaresystemen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Eine solch traditionelle Organisationsstruktur ist nicht mehr zeitgemäß. Sie kann durch die Verknüpfung der einzelnen Punkte und die Anwendung von Automatisierung und KI vereinfacht werden und zu ganzheitlichen und kundenzentrierten Prozessen führen.
Für eine moderne Lieferkette muss vor allem der Informationsfluss zwischen den Organisationen nahtloser und freier werden. Wissen sollte geteilt und nicht versteckt werden. Dabei hilft es, interne Abteilungen und ihre jeweiligen, individuellen Systeme miteinander zu verbinden sowie sich wiederholende und dokumentenbasierte manuelle Prozesse zu automatisieren. Doch wo kommt nun KI bei der Umstrukturierung dieser Prozesse ins Spiel?
Vier Chancen für KI
1. Risikomanagement
KI kann eine wichtige Rolle im Risikomanagement der Lieferkette spielen. Denn viele Unternehmen suchen nach Möglichkeiten, störungsbezogene Informationen wie zum Beispiel Klimainformationen, geopolitische Fragen oder Gesundheitsdaten mit Unternehmensdaten zu kombinieren, um KI zur Vorhersage von Risikostufen zu nutzen.
2. Kommunikation
Alle Prozesse der Zusammenarbeit und Kommunikation in der Lieferkette können stark von der KI-Technologie profitieren. So wird eine einfachere, schnellere und genauere Zusammenarbeit zwischen Geschäftspartnern wie Kunden, Lieferanten, Spediteuren und Outsourcing-Partnern möglich. Viele dieser Prozesse sind immer noch sehr umständlich, der elektronische Datenaustausch (EDI) und die API-Integration erfordern eine hoch entwickelte IT-Infrastruktur. Mit KI können die Zusammenarbeit und die Kommunikationsprozesse auf unstrukturierten Informationen wie E-Mails mit Anhängen beruhen. KI ist in der Lage, die E-Mails zu klassifizieren, den Inhalt der Anhänge zu verstehen und die Informationen in strukturierte Eingaben für automatisierte Folgeprozesse umzuwandeln.
3. Arbeitskräftemangel
Die Lieferketten, vor allem in den hochindustrialisierten Ländern, sind vom Arbeitskräftemangel betroffen. KI kann Unternehmen bei der Überwindung dieses Problems helfen. In den Lieferketten gibt es viele Prozesse, die immer noch manuell, repetitiv und dokumentenbasiert sind, insbesondere in den Bereichen Beschaffung und Logistik. Die Kombination aus KI und Software-Robotern kann diese Prozesse automatisieren. Diese Kombination nennt sich KI-gestützte Automatisierung. Sie ist kein Luxus für diese Unternehmen, sondern ein Muss.
4. Nachhaltigkeit
Auch Lieferketten müssen nachhaltiger werden. Die Logistik ist jedes Jahr für elf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die erweiterte Lieferkette, einschließlich der Fertigung, ist für einen viel höheren Prozentsatz verantwortlich. Die Kreislauffähigkeit der Produkte, das heißt der Anteil wiederverwendeter und recycelter Produkte liegt nur bei etwa 7,2 Prozent. KI wird künftig dazu beitragen, optimierte Transportrouten und Ladungen zu generieren und durch stärker automatisierte und optimierte Produktionsprozesse den Energieverbrauch reduzieren. Aufgrund vieler komplexer und gegenläufiger Faktoren wird es jedoch einige Jahre dauern, bis Unternehmen in diesem Bereich wirklich von KI profitieren können.
Weitere Einsatzmöglichkeiten von KI
Darüber hinaus können Unternehmen KI auch für kundenzentrierte, wertschöpfende Maßnahmen einsetzen, die typischerweise in den Bereichen Vertrieb, Finanzen und Lieferkette liegen.
1. Dynamische Preisgestaltung
Einer der wichtigsten Prozesse für Unternehmen ist die Ermittlung des bestmöglichen Preises für ihre Kunden zu einem bestimmten Zeitpunkt unter Berücksichtigung der Marktsituation, von Angebot und Nachfrage, des Lagerbestands, der Rentabilität, der Priorität des Kunden und vieler weiterer Kriterien.
2. Lagerbestände
Der Schlüssel für eine erfolgreiche Lieferkette und ein erfolgreiches Unternehmen liegt darin, die Lagerbestände „korrekt“ zu halten. Es geht darum, eine optimale Lagerhaltung zu haben, die die Zufriedenheit der Kunden, die finanziellen Ziele und die Ziele der Lieferkette berücksichtigt.
3. Außendienst-Management
Kundenorientiertes Handeln endet nicht mit der Auslieferung des Produkts. Die Gewährleistung des richtigen Serviceniveaus für die Zeit nach dem Kauf ist ebenso wichtig wie die Aufrechterhaltung der Kundenzufriedenheit. Das erfordert die richtige Kombination aus der Festlegung von Kundendienstniveaus, finanziellen Zielen und den richtigen Lagerbestandszielen.
KI richtig integrieren
Um den größten Nutzen aus KI-Algorithmen zu ziehen, müssen diese in automatisierte End-to-End-Geschäftsprozesse eingebettet werden – auch KI-gestützte Prozessautomatisierung genannt. Aber warum ist es notwendig, Automatisierung mit KI zu kombinieren?
Automatisierung kann den notwendigen Kontext für den KI-Algorithmus liefern und bestimmte Aktionen aus dem optimierten Output des Algorithmus auslösen. Wird die Automatisierung ausgeschlossen, müssen diese Aufgaben manuell erledigt werden. Das schmälert den Produktivitätsgewinn. Unternehmen entdecken schnell, dass die Automatisierung von Geschäftsprozessen der Schlüssel zu einem echten Nutzen von KI ist. Einige Unternehmen haben damit begonnen, spezialisierte KI-Algorithmen (siehe Kasten) zu nutzen, vor allem für die Nachfrageprognose, und profitieren bereits von den Ergebnissen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es mehr Angebote für KI-Algorithmen geben wird, die traditionelle statistische oder Optimierungsalgorithmen (wie lineare Programmierung) ersetzen werden.
Während KI potenziell viele Herausforderungen löst, mit denen Lieferketten konfrontiert sind, ist die Automatisierung von Geschäftsprozessen der Weg, um den tatsächlichen Wert von KI jetzt zu realisieren. Durch die Automatisierung von Geschäftsprozessen können Unternehmen KI in der gesamten Lieferkette besser nutzen. Bei einem durchdachten Einsatz und mit guten Datenquellen ist die Leistungsfähigkeit von KI in Lieferketten grenzenlos.
Hans Thalbauer
Global Supply Chain Practice Executive bei UiPath, San Francisco. UiPath ist ein Unternehmen für Automatisierung und KI.
Spezialisierte KI vs. generative KI
Spezialisierte KI konzentriert sich auf die Vorhersage optimierter Ergebnisse auf Grundlage definierter Regeln und Bedingungen. Beispiele für die Lieferkette: Bedarfsprognosen, Bestellpunktkalkulationen, Optimierung des Bestandes und der Transportrouten auf der letzten Etappe und des Außendienstes.
Generative KI lernt die Muster und Strukturen der eingegebenen Trainingsdaten und generiert dann neue Daten, die ähnliche Merkmale aufweisen. Beispiele für Lieferketten sind noch begrenzt, aber Funktionen zur Kundenberatung nutzen bereits generative KI, um automatisch auf Anfragen zu Lieferstatus, Produktqualität usw. zu reagieren.