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Zuverlässigkeit neu definiert

Software zur Zuverlässigkeits- und Risikoanalyse
Zuverlässigkeit neu definiert

Die Steuerung komplexer Produktionsprozesse ist eine Kunst. Kaum überschaubar sind die gegenseitigen Abhängigkeiten, die für unliebsame Ergebnisse in der Fertigung sorgen können. Dabei lassen sich entscheidende Faktoren für die Produktqualität durch Einsatz mathematischer Methoden erkennen – die Entwicklung, Qualitätssicherung und Einkauf neue Impulse geben.

Der Wunsch des Autoherstellers war klar: Die Forscher sollten herausfinden, welche Schwankungen in der Dicke der zugelieferten Stahlbleche noch tolerabel sind. Einerseits wollte man nicht Gefahr laufen, in diversen Crashtests die Höchstbewertungen für die eigenen Automodelle medienwirksam zu verfehlen. Andererseits lockte die Aussicht, unter maximaler Ausnutzung der zulässigen Toleranzen kostengünstiger einkaufen und produzieren zu können.

Um solche Probleme zu lösen, entwickeln Forscher der Leibniz Universität Hannover gemeinsam mit Kollegen der Universität Liverpool Cossan-X, ein Programm zur Zuverlässigkeits- und Risikoanalyse. „Das Faszinierende sind die universellen Einsatzmöglichkeiten“, sagt Michael Beer, Bauingenieur und Professor am Institut für Risiko und Zuverlässigkeit (IRZ) der Leibniz Universität.

Liegt ein mathematisches Modell vor, dann können Unsicherheiten in der Festigkeit von Autokarosserien ebenso bewertet werden wie in der Stabilität von Brücken und Häusern – oder die Unsicherheiten, die Energiesystemen und Produktionsprozessen innewohnen.

Analysen hochkomplexer Systeme

„Der Clou ist die Möglichkeit, den Einfluss von Unsicherheiten und daraus resultierende Risiken auch für hochkomplexe Strukturen und Systeme zu analysieren. Das ist mit herkömmlicher Software, wie sie etwa für die Planung von Bauwerken eingesetzt wird, schlicht unmöglich“, sagt Michael Beer. „Diese Tools erfassen nur einen Bruchteil der Komplexität der Einflüsse auf Produktion oder Produkt.“

So lässt sich mittels Zuverlässigkeitsanalyse feststellen, wie man durch eine veränderte Stellung der Stützen einer Brücke diese für Schwankungen in der Materialqualität, aber auch für Umwelteinflüsse durch schwere Lkw und Wind weniger anfällig machen kann. Umgekehrt lässt sich herausfinden, welche Toleranzen erlaubt sind, ohne dass das Bauwerk beeinträchtigt wird. Zugespitzt formuliert lässt sich also prognostizieren, unter welchen Bedingungen eine Struktur die an sie gestellten Anforderungen selbst dann noch erfüllt, wenn vermeintlich notwendige, etwa durch Normen vorgegebene Voraussetzungen definitiv nicht erfüllt sind.

„Im Prinzip funktioniert die mathematische Risikoanalyse durch ein Spiel mit Eingangsvariablen. Wir berechnen einen Prozess, ein Produkt oder ein Bauwerk nicht nur einmal, sondern quasi zigtausend- oder millionenfach. Dabei verändern wir Stück für Stück verschiedene Parameter einzeln und gemeinsam“, erklärt Beer.

Dynamische Modelle der Realität

Das statische Modell, das der Ingenieur von einer Brücke oder einem Fertigungsprozess entwirft, wird zu einem dynamischen Modell, das oft überraschende Interdependenzen erkennen lässt. „Eine Dreh- oder Fräsmaschine bietet alle möglichen Einstellungen, um ein Halbzeug zu produzieren. Welche Parameter aber haben den größten Einfluss aufs Endprodukt? Ein guter Fertigungstechniker hat das im Gefühl, aber eine mathematische Analyse erlaubt weitergehende Aufschlüsse“, sagt der Forscher.

Mit seinen Kollegen arbeitet er derzeit an Wegen, die numerische Effizienz der Software zu steigern. Zu Deutsch: Die bislang für Berechnungen notwendige Zeit- und Rechenkapazität sollen stark reduziert werden. „Die ausführliche Simulation eines einzigen Crashtests dauert eine knappe Woche“, nennt Beer ein Beispiel.

Da ähnlich aufwendige Analysen anstehen wie die des U-Bahnnetzes von Schanghai, das auf seine Ausfallsicherheit untersucht werden soll, arbeiten die Ingenieure an effizienten Metamodellen. „Nach sagen wir fünfzig Analysen erkennt die Software den Zusammenhang zwischen bestimmten Eingangs- und Ausgangswerten. Das könnte zum Beispiel ein proportionales Verhältnis sein. Dann wird ein Großteil der entsprechenden Rechnungen einfach ausgelassen“, so der Forscher. Weniger Aufwand für die Berechnung könnte auch die Kosten senken. Noch stellen sie ein Hindernis für den breiten Einsatz mathematischer Methoden zur Zuverlässigkeitsanalyse dar.

Neue Einsatzmöglichkeiten

„Wenn es um die Berechnung der Sicherheit oder Stabilität von Energienetzen, Satelliten, oder Kernkraftwerken geht, sind Kosten kein großes Problem, bei vergleichsweise einfachen Produkten hingegen schon“, sagt Beer. Aber auch die Ausbildung der Ingenieure ist eine Hürde. „Sie lernen zu wenig Wahrscheinlichkeitsrechnung und Stochastik und haben die Möglichkeiten einer komplexen Zuverlässigkeitsanalyse nicht genügend im Blick“, bedauert Beer.

Mit der Software, an deren Weiterentwicklung die Forscher kontinuierlich arbeiten, steht eine Basis bereit, die Zuverlässigkeits- und Risikoanalyse für einen breiteren Markt nutzbar zu machen. Dazu gehört der Einsatz in der Wartung von Flugzeugtriebwerken, der derzeit in einem Sonderforschungsbereich der Leibniz Universität untersucht wird. Dort wollen die Ingenieure auf Datenbasis erkennen, welche Teile getauscht werden müssen, um den Wartungsaufwand ohne Kompromiss bei der Zuverlässigkeit zu senken.

Unternehmen, die am Einsatz der Software Interesse haben, können sich an das IRZ der Leibniz Universität, aber auch an die Hochschule in Liverpool wenden. „Wir klären dann zunächst mit den Fachingenieuren und Einkäufern, ob die Voraussetzungen für einen sinnvollen Einsatz gegeben sind“, sagt Beer. „Lässt sich die Größe der Studie beschränken, eignet sie sich auch gut für eine Master- oder für eine Doktorarbeit.“


Hannover Messe 2018

Zentrum der Zulieferindustrie

Ein Muss für Einkäufer und Beschaffer ist auf der Hannover Messe die Industrial Supply, internationale Leitmesse für innovative
Zulieferlösungen und Leichtbau vom 23. bis 27. April. Geschätzt mehr als 80 000 Besucher werden in diesem Jahr auf der branchenübergreifenden Schau in den Hallen 3 bis 5 erwartet, davon 95 % Fachbesucher und gut 40 % aus dem Ausland. Kernthemen der Industrial Supply sind neben Global Sourcing die Arbeit in Netzwerken (Smart Supply) und neue Werkstoffe. Das spiegelt sich in den Formaten der Messe wider, etwa in der neuen Integrated
Lightweight Plaza, im zentralen Zulieferforum und in den Highlights@IndustrialSupply.
Weitere Synergien ergeben sich aus der Cemat:
Die Weltleitmesse für Intralogistik und Supply Chain Management findet erstmals zeitgleich zur Hannover Messe statt. Noch ein Anziehungspunkt für Beschaffer ist die Leitmesse Research & Technology, auf der auch die Leibniz Universität Hannover die Ergebnisse ihrer anwendungsorientierten Forschungen und Dienstleistungen präsentiert (Halle 2, Stand B08). Prof. Michael Beer steht für persönliche Gespräche auf der Messe am 25. April nach Anmeldung bereit (E-Mail: beer@irz.uni-hannover.de).


Oliver Züchner,

Fachjournalist in Hannover

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