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Grundstoff für die Industrie

Rohstoff des Monats: Erdöl
Grundstoff für die Industrie

Grundstoff für die Industrie
Im vergangenen Jahr stammten nach Robert Habecks Angaben etwa 35 Prozent des deutschen Ölverbrauchs aus Russland. Vom russischen Importrohöl kamen wiederum zwei Drittel über die Druschba-Pipeline, der Rest über den Seeweg. „Druschba“ ist übrigens das russische Wort für Freundschaft. Bild: Maksym Yemelyanov/stock.adobe.com
Erdöl begleitet als Rohstoff die industrielle Entwicklung: zuerst als Leucht- und Schmiermittel, ab 1920 auch als Treibstoff und heute vor allem als Energielieferant sowie als Ausgangsmaterial für Kunststoffe sowie für die gesamte petrochemische Industrie.

Michael Grupp, Journalist, Stuttgart

Erdöl ist mit 31 Prozent Anteil nach wie vor Energieträger Nummer eins in Deutschland, gefolgt von Erdgas (26 %) und Kohle (17 %) – erst danach folgen fast gleichauf Windkraft und Biomasse mit jeweils rund 8 Prozent, Kernkraft mit 5 Prozent und Solarkraft mit 3 Prozent. Zur Einordnung: Hohe Anteile von bis zu 45 Prozent erreichen regenerative Energiequellen nur im Stromsektor, nicht aber beim Gesamtenergiebedarf.

Erdöl wird in Deutschland hauptsächlich für den Mobilitätssektor verwendet, direkt gefolgt vom Wärmesektor (jeweils rund 30 %). Zehn Prozent verbraucht die chemische Industrie unter anderem für Farben, Lacke, pharmazeutische Produkte, Plastik und Kleidungsstoffe. In einer Plastikflasche stecken beispielsweise zwei Liter Öl, acht Liter in einem Pressspannregal und rund 60 Liter in einer Schaumstoff-Matratze. Aber auch der Transport scheinbar ölfreier Produkte schlägt zu Buche: So verbraucht ein Kilogramm Obst aus Übersee indirekt rund fünf Liter Erdöl.

Langfristig betrachtet sinkt in Deutschland der Rohölverbrauch: Er ist in den letzten 20 Jahren um fast ein Drittel zurückgegangen. Im Coronajahr 2020 verbrauchte Deutschland 96 Mio. Tonnen Erdöl, 2019 waren es noch 107 Mio. Tonnen. Der EU-weite Bedarf stagniert immerhin; ebenso der Verbrauch in den USA.

Der Westen spart,
der Osten legt zu

Weltweit betrachtet nimmt der Verbrauch allerdings zu. In den vergangenen 50 Jahren hat sich der globale Erdölverbrauch fast verdreifacht. Die Region mit dem höchsten absoluten Erdölverbrauch war 2020 der asiatisch-pazifische Raum mit einem Anteil von 36 Prozent. Zwar liegen China mit einem Pro Kopf-Verbrauch von 2,14 Barrel Rohöl pro Jahr nur auf Platz 128 auf der Liste der öl-verbrauchenden Volkswirtschaften, Indien mit 0,86 Barrel auf Platz 151 – hier schlagen aber die progressive Wachstumspolitik sowie die Bevölkerungszahlen zu Buche. Spitzenreiter in dieser Liste sind Singapur mit 66 Barrel und Kuwait mit 50 Barrel. Deutschland findet sich auf Platz 50 mit einem Wert von zwölf Barrel pro Kopf und Jahr.

Wie lange reicht das Öl?

Der Club of Rome prognostizierte 1972 das Ende des Wachstums sowie des zur Verfügung stehenden Erdöls. Der Club hat sich getäuscht: Nie waren die Vorräte größer als heute. Die nachgewiesenen Ölreserven haben sich in den letzten Jahrzehnten vervierfacht; das entspricht aktuell einer Reichweite von mindestens 50 Jahren. Dazu haben nicht nur eine Verbesserung der Fördermethoden, sondern auch die Entdeckung neuer Lagerstätten geführt. Allerdings wird vom Weltklimarat IPCC derzeit eine neue Begrenzung ins Feld geführt: Um die Erderwärmung in Relation zur vorindustriellen Zeit bei 2 °C zu begrenzen, können bis 2100 noch höchstens 1100 Gigatonnen CO2 in die Atmosphäre entlassen werden. Das hat die Menschheit bei Fortschreibung des aktuellen Verbrauchs in den nächsten 25 Jahren erreicht. Mit einem Drittel aller Importe ist Russland mit Abstand der wichtigste Öllieferant für Deutschland – gefolgt von den USA (rund 12 %), Kasachstan, Norwegen und Großbritannien (jeweils rund 10 %). Saudi-Arabien und der Irak spielen für den deutschen Markt nur eine marginale Rolle. Der hohe Anteil ist auch der deutschen Energiewende geschuldet – Frankreich zum Beispiel bezieht nur 17 % seines Öls aus Russland.

Der Preis pro Barrel Rohöl wird weniger von Angebot und Nachfrage geprägt als vielmehr von politischen Einflüssen, der Börse sowie von den Marktteilnehmern – angefangen von den Förderländern bis hin zu den Ölmultis. Die Höchststände aus dem Jahr 2008 (über 140 US$ pro Barrel) hat der Markt in den letzten Wochen nicht erreicht. Er lag Anfang März bei 123 US$ und ist seither wieder unter 100 US$ gefallen, zumindest für die Rohölsorte Brent Blend aus der Nordsee.

Der Ölpreis ist ein politischer Preis

Die relativ verhaltene Preisentwicklung ist auch der Freigabe der Rohöl-Reserven geschuldet. Insgesamt 60 Mio. Barrel hat die Internationale Energieagentur IEA bis April 2022 freigegeben, weitere 120 Mio. Barrel sollen in den nächsten sechs Monaten folgen – die größte Freigabe in der IEA-Geschichte. Preisdämpfend wirken zudem die nachlassende chinesische Nachfrage, die unter einem erneuten harten Lockdown leidet. Darüber hinaus wird in den USA immer konkreter über eine Zinsanhebung diskutiert, was sowohl die Konjunktur als auch die Ölnachfrage dämpfen kann. Aufgrund dessen sehen Analysten in naher Zukunft keine weitere Preisrallye.


Mehr als „nur“ Energielieferant

Erdöl wird nicht nur zur Energiegewinnung genutzt. Es ist auch die Grundlage für zahlreiche weitere Produkte. Etwa zehn Prozent der raffinierten Ölmenge ist Naphtha, auch als „Leichtbenzin“ bekannt. Dieses wird in weitere Teile aufgespalten:

  • Ethylen und Ethylenoxid
    Herstellung von Polyestern (beispielsweise PET), Tensiden z. B. Folien, Waschmittel oder Plastikeimer
  • Benzoesäure
    Konservierungsmittel in Lebensmitteln, wie Ketchup, Senf und anderen Soßen, sowie Wurst, Margarine, Fischsalaten, Tabak und Kosmetika
  • Benzol und Paraxylol
    dienen zur Erzeugung der Kunststoffe Polystyrol und PET, Ausgangsstoff zur Synthese von Styrol, Phenol, Aceton, Cyclohexanol, Cyclohexanon und Anilin.
  • Paraffin
    Kerzen und Salben, Pflege- und Putzmittel
  • Butadien
    für Synthesekautschuk (z. B. in Autoreifen, Schuhsohlen) oder anderen Polymeren sowie als Zwischenprodukt für die Herstellung weiterer Chemikalien (Gehäuse, Latexmatratzen, Einweghandschuhe)
  • Bitumen
    Asphalt/Teer
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