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Auf dem Weg zum Green Procurement

Warengruppenstrategie
Auf dem Weg zum Green Procurement

Auf dem Weg zum Green Procurement
Eine gute Methode, um die Risiken entlang der Lieferkette zu bewerten, ist die Wesentlichkeitsanalyse. Sie beschäftigt sich anders als das Risikomanagement nicht allein mit den Risiken für das Unternehmen, sondern schaut vor allem auf die Risiken der Stakeholder, für Umwelt, Klima und Menschen. Bild: Freedomz/stock.adobe.com
Mit der nachhaltigen Beschaffung kommt dem Warengruppenmanagement eine neue Bedeutung zu. Erfahren Sie, wie Ihnen die Systematik hilft, Klimaziele und LkSG-Anforderungen in Ihre Einkaufsprozesse zu integrieren.

Nachhaltigkeit entsteht nicht durch Absichtserklärungen. Nachhaltigkeit muss in den Beschaffungsprozessen verankert werden. Je nach Branche und Geschäftsmodell entstehen bis zu 80 Prozent der CO2-Emissionen eines Unternehmens in der Lieferkette. Insofern kommt auf den Einkauf eine immense Aufgabe zu.

Dabei ist der Klimaschutz nicht das einzige Ziel. Die UN hat 17 Sustainability Goals formuliert. Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) legt seinen Fokus auf die Menschenrechte. In den nächsten Jahren kommen weitere gesetzliche Regelungen:

  • Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten mit dem Ziel nachhaltige Investitionen durch Privatanleger zu fördern. Einzelne Teile sind bereits Anfang 2022 in Kraft getreten, die Mehrheit folgt 2023.
  • Die EU-Offenlegungsverordnung für nachhaltige Finanzen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) löst zum Berichtsjahr 2024 die heutige Non-Financial Reporting Directive (NFRD) ab. Allein die Namensänderung zeigt die neue Bedeutung nachhaltigen Handelns für die Berichtspflicht.
  • Der Anfang 2022 von der EU-Kommission angenommene Vorschlag für eine Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen in der Lieferkette setzt den Schwerpunkt neben den Menschenrechten auch auf die Umwelt – beispielsweise Umweltverschmutzung und Verlust an biologischer Vielfalt. Unternehmen sollen verpflichtet werden, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit zu ermitteln sowie erforderlichenfalls zu verhindern, abzustellen oder zu reduzieren.

Was der Einkauf jetzt braucht

Viele Einkaufsmanager und Managerinnen fragen sich zurecht: Wie lassen sich die Anforderungen in der Einkaufspraxis umsetzen? Braucht es einen Nachhaltigkeitsbeauftragten im Einkauf? Neue Prozesse? Neue Software? Gerade im Mittelstand sieht man schon mal „den Wald vor lauter Bäumen“ nicht. Dabei muss das Rad gar nicht neu erfunden werden.

Leitplanken für Nachhaltigkeit setzen

Die gute Botschaft: Der moderne Einkauf verfügt über wirksame Prozessschritte, in die sich sowohl die Nachhaltigkeitsziele für die Lieferkette (z. B. SCOPE 3 Emissionen), als auch die Anforderungen des LkSG sehr gut integrieren lassen. Die Leitplanken, damit in den späteren taktischen und operativen Prozessen (Sourcing, Ausschreibung, Bestellung) nichts schief gehen kann, liefert das strategische Warengruppenmanagement, das auch die Impulse für das Lieferantenmanagement setzt. Hierfür brauchen Sie nachhaltige Einkaufsziele, die sich aus den Nachhaltigkeits- bzw. Klimazielen Ihres Unternehmens ableiten.

Beginnen wir bei der Warengruppenstrategie: Der Warengruppenstrategie-Prozess schafft einen grundlegenden Überblick über die Ausgaben in der Vergangenheit und die künftige Nachfrage. Außerdem werden die Beschaffungsmärkte, Risiken und Trends in der nahen Zukunft beleuchtet. Aus all dem leiten Sie Ihre Warengruppenstrategien ab, setzen Sie um und passen Sie über die Zeit an.

Risiken clustern und bewerten

Der Mensch denkt gerne in Schubladen und so hilft das Warengruppenmanagement nicht nur beim Aufspüren von Kostenpotenzialen, sondern auch beim Clustern und Bewerten von Risiken. Konsequent angewandt zerteilt das Warengruppenmanagement den riesigen Berg „Nachhaltigkeit im Einkauf“ in gangbare Etappen und legt die Basis für eine nachhaltige Lieferantenstrategie.

Nachhaltigkeitsziele formulieren

Ganz am Anfang stehen die Nachhaltigkeitsziele, auf die Sie sich im Einkauf committen. Welche Reduktion von CO2 streben Sie bis wann in Ihrer Lieferkette an? Welche weiteren Ziele haben Sie sich vorgenommen? Wie lassen sich diese mit messbaren Kennzahlen hinterlegen?

Machen Sie nicht den Fehler, die Anforderungen des Lieferkettengesetzes als reine „Enthaftungsfrage“ zu betrachten. Nutzen Sie diesen Rahmen, um sich um einen fairen Fußabdruck in Ihrer Supply Chain zu „bemühen“. Nichts anderes als Ihr Bemühen fordert das Gesetz. Es geht also nicht nur um Compliance, sondern um ein Herunterbrechen der Ziele in Maßnahmenpakete entlang der Einkaufsprozesse.

Warengruppenstrategie entwickeln

Für die Durchsetzung Ihrer Umwelt-, Sozial- und Governance-Ziele brauchen Sie im Warengruppenmanagement folgende Daten und Abläufe:

  • ein unternehmensweit harmonisiertes Klassifizierungsschema für Bedarfe (detaillierter Warengruppenschlüssel),
  • ERP-Daten, um Ihr Einkaufsvolumen in Bezug auf nachhaltige, ggf. zertifizierte Materialien sowie kritische Materialen bzw. fossile Rohstoffe zu analysieren,
  • Bedarfsdaten, um Ihre Bedarfe im Hinblick auf Spezifikation (gibt es nachhaltige Alternativen, innovative Fertigungsprozesse), Turnus (Refurbishing, Reparaturfähigkeit) und Lieferzeit zu hinterfragen,
  • interne und externe Informationen über Märkte, Lieferanten sowie politische und ökologische Entwicklungen in deren Herkunftsländern (hierfür gibt es zahlreiche externe, frei zugängliche Quellen),
  • bestehende Strategien und Strategievorlagen,
  • Vorlagen für Aktionspläne und Maßnahmenlisten,
  • Checklisten zur Identifizierung von Risikofeldern auf Warengruppenebene von Beschaffungsmärkten und Lieferketten, zum Beispiel über eine SWOT-Analyse (in Bezug auf Transport/Entfernung, Beförderungsmittel, Sorgfaltspflichten, Umweltschutz).

Auf der Basis der Analysen (Ausgaben, Bedarfe, Beschaffungsmärkte, Trends und Innovationen) passen Sie Ihre Warengruppenstrategie zur Steigerung Ihrer Nachhaltigkeitsleistung nach den Prinzipien Effizienz, Konsistenz und Suffizienz an.

Wesentlichkeitsanalyse durchführen

Eine gute Methode, um die Risiken entlang der Lieferkette zu bewerten, ist die Wesentlichkeitsanalyse. Sie beschäftigt sich anders als das Risikomanagement nicht allein mit den Risiken für das Unternehmen (etwa für die Versorgung), sondern schaut vor allem auf die Risiken der Stakeholder, für Umwelt, Klima und Menschen. So kann ein C-Teil mit einem geringen Beschaffungsvolumen und einer gesicherten Versorgung (geringes Risiko für das Unternehmen, weil niedrige Eintrittswahrscheinlichkeit und geringer Schaden) ein hohes Risiko hinsichtlich der Nachhaltigkeit darstellen, wenn Elemente der Lieferkette negative Auswirkungen auf die Umwelt oder auf die beteiligten Menschen haben.

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Über eine Wesentlichkeitsanalyse erkennen Sie die relevanten Nachhaltigkeits-Themen für Ihre Warengruppen und können entsprechend handeln.
Bild: amc

Mit der Wesentlichkeitsanalyse lassen sich die aus der Risikoanalyse ermittelten Risiken für einzelne Länder- und Warengruppen priorisieren und die nachhaltige Beschaffung in allen nachfolgenden Einkaufsprozessen (Sourcing, Ausschreibung, Lieferanten- und Vertragsmanagement, Bedarfsabrufe) verankern.

Maßnahmen ableiten

Aus der Risiko- und Wesentlichkeitsanalyse leiten Sie lieferantenspezifische sowie unternehmens- bzw. branchenspezifische Maßnahmen ab. Beispiele sind:

Beim Lieferanten:

  • Vertragliche Verpflichtungen, Unterzeichnen eines Code of Conduct oder branchenspezifische Vereinbarungen etwa vom ZVEI oder VDA,
  • Lieferantenselbstauskunft inklusive Angaben zum Umgang mit Menschen- und Umweltrechten
  • ISO 14001 und 50001 Zertifizierung (Environmental Management) oder EMAS,
  • Zielvorgabe zur Reduktion der CO2-Emissionen.

Im eigenen Unternehmen:

  • Mitarbeiterschulungen und -sensibilisierung zu Risikothemen
  • Teilnahme an branchenübergreifenden Projekten (UN Global Compact, Carbon Disclosure Project)

Das Ergebnis der Warengruppenanalyse ist ein individuelles Warengruppendossier. Hier lassen sich neben den alt bekannten Zahlen, Daten, Fakten ebenso die Nachhaltigkeitsziele und Aspekte dokumentieren. Es zeigt die Ausgangssituation in der Warengruppe, das Länder- und Warengruppenrisiko, die strategische Einordnung der Warengruppe, die aus der Strategie abgeleiteten Maßnahmen, inklusive der Maßnahmen bezüglich LkSG bzw. der Nachhaltigkeitsziele.

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Das Ergebnis Ihrer Warengruppenanalyse ist ein individuelles Warengruppendossier. Nachhaltige Themen und Maßnahmen werden hier abgebildet.
Bild: amc

Fazit: Diese fünf Punkte sind wichtig

1. Auch für die Nachhaltigkeit gilt: Die Struktur folgt dem Prozess und macht eine klare Zieldefinition unabdingbar.

2. Nachhaltigkeit entsteht in den Beschaffungsprozessen.

3. Die Integration nachhaltiger Kriterien in die Einkaufsprozesse hilft, das Profil der strategischen Einkäufer:innen um wesentliche Punkte zu erweitern und sie langfristig zu NachhaltigkeitsmangerInnen zu entwickeln.

4. Moderne Einkaufsprozesse wie das strategisches Warengruppenmanagement sind prädestiniert und gleichzeitig die Voraussetzung dafür, um im Unternehmen die Weichen in Richtung Green Procurement zu stellen.

5. Tools und Lösungen können die nachhaltige Entwicklung des Einkaufs maßgeblich unterstützen und beschleunigen. Ohne klares Ziel und definierte Abläufe sind sie allerdings eher irreführend.


Das Autorenteam:

Maximilian Droste, Senior Project Manager, und Isabelle Wehling, Consultant, amc Group. Bild: amc

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