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KI: Co-Pilot für den strategischen Einkauf

Heatmap zur KI-Durchdringung im Einkauf
Co-Pilot für den strategischen Einkauf

Co-Pilot für den strategischen Einkauf
Über 160 KI-Use-Cases hat amc entlang von 56 Subprozessen des Einkaufs identifiziert. Bild: PixelPioneerX - stock.adobe.com

Das Potenzial Künstlicher Intelligenz im Einkauf diskutierten 140 Firmen beim KI-Praxisdialog der amc-Zukunftswerkstatt. Im Live-Talk stellten Körber und Voith erste Use-Cases vor.

Annette Mühlberger, Journalistin, Stuttgart

Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt. In welchem Umfang das auf den Einkauf zutrifft, diskutierten rund 140 Firmen beim KI-Praxisdialog der amc-Zukunftswerkstatt Einkauf & Supply Chain. Die meisten Unternehmen orientieren sich noch: „Aktuell ergründen wir mögliche Einsatzgebiete“, gaben 49 Prozent der Einkaufsorganisationen im Webinar an. Ein Fünftel (21 Prozent) hat Use Cases identifiziert oder sie in der Erprobung.

Wissen und Expertise aufbauen

Voith und Körber sind mit ihren KI-Überlegungen im Einkauf fortgeschritten. Beide Unternehmen haben in der Organisatin das Thema verankert, Expertise aufgebaut und mit konkreten KI Use-Cases Erfahrung gesammelt.

Jan van Hueth, Senior Project Manager, Procurement & Supply Chain Management, Körber Group: „Die Diskussion mit den Stakeholdern sollte man nicht unterschätzen.“ Bild: Körber

Jan van Hueth beschreibt beim ZKW-Webinar das Vorgehen: „Wir haben zunächst sehr viel experimentiert. Das diente vor allem unserem Wissens- und Erfahrungsaufbau im Team.“ Als Senior Project Manager steuert van Hueth die KI-Aktivitäten im Einkauf und Supply Chain Management des Körber-Konzerns.

KI-Chatbot mit eigenen Daten

Zehn Use-Cases für den strategisch-taktischen Einkauf rollt das Team in Kürze im Konzern aus. Die Anwendungsfälle sind in die globale E-Lösung eingebettet und werden zunächst von einem interessierten Userkreis getestet. Auch ein mit Verhandlungsliteratur gefütterter Chatbot wurde explorativ selbst entwickelt. Der auf die Anforderungen des Körber-Einkaufs trainierte Bot kann Einkäufer bei der Verhandlungsvorbereitung und -führung unterstützen.

Verträge auswerten

Matthias Krebs, Head of Purchasing Analytics, Voith Group: „Es gilt, die Potenziale von KI im Einkauf zu erkennen und sie gezielt als wertvolles Werkzeug dort einzusetzen, wo der größte Nutzen entsteht.“ Bild: Voith

Voith beschäftigt sich ebenfalls mit den Möglichkeiten individueller Chatbots, will KI im Einkauf jedoch zunächst zur Auswertung großer Datenmengen nutzen. Die Unternehmensgruppe hat mit Turbo (Antriebstechnik), Hydro (Wasserkraft) und Paper (Papiermaschinen) drei sehr unterschiedliche Konzernbereiche. Das Produktionsmaterial beschaffen diese bis auf wenige Ausnahmen dezentral. Matthias Krebs, Head of Purchasing Analytics der Voith Group, erklärt den KI-Ansatz: „Wir sehen das Potenzial aktuell vor allem darin, dem Einkauf konzernübergreifend auf Knopfdruck sehr schnell relevante Informationen zur Verfügung zu stellen.“

Davon würden nicht nur etwa junge Mitarbeitende profitieren, die die unterschiedlichen Vertragskonditionen nicht kennen, sondern auch internationale Kollegen. Viele Vertragsdokumente aus früheren Verhandlungen sind nur in Deutsch abgefasst. 13.000 Dokumente werden aktuell ausgelesen und für die Auswertung vorbereitet. Die Übersetzung ins Englische oder in die Landessprache übernimmt dann ebenfalls die KI.

Strategischer Einkauf im Fokus

Dass der Fokus von KI-Anwendungen auf dem strategischen Einkauf liegt, bestätigt ZKW-Gastgeber und amc-Partner Fabian Kittel. Der Abgleich von KI Use-Cases mit dem amc-Funktionsmodell des Einkaufs zeigt, dass die KI-Angebote auf dem Markt vor allem auf strategische Aufgaben zielen: „Die meisten Tools unterstützen Prozesse, bei denen es um die Auswertung großer Datenmengen aus unterschiedlichen Datenquellen in unterschiedlichen Formaten geht“, erklärt Kittel.

In viele der Entscheidungsprozesse sei wie beim S&OP, Bestands- oder Risikomanagement eine Vielzahl von Beteiligten aus unterschiedlichen Abteilungen eingebunden. „Viele Dokumente in Unternehmen sind aber dezentral abgelegt und der Einzelne muss wissen, wo die Daten zu finden sind. KI kann diese Informationen einfach zugänglich machen“, sagt Kittel.

KI-Heatmap des Einkaufs: 160 Use-Cases

Fabian Kittel, Partner amc: „Egal ob eigenentwickelte KI-Modelle, integrierte AI-Features bestehender eProcurement-Systeme oder KI-Einzellösungen, es gilt jetzt eigene Kompetenzen aufzubauen und Erfahrungen zu machen.“ Bild: amc

Über 160 KI-Use-Cases hat amc entlang von 56 Subprozessen des Einkaufs identifiziert. Für diese Anwendungsfälle gibt es Angebote am Markt oder es ist eine Eigenentwicklung sinnvoll (siehe Grafik). Vier Beispiele:

  1. Ausgaben- und Marktanalyse über einen mit eigenen Daten trainierten Chatbot für Lieferantenratings, Umsatzanalysen, Übersichten über Volumina, Abfrage von Vertragskonditionen
  2. Verhandlungs-Guides mit Empfehlungen verhandelbarer Positionen und Klauseln sowie Vorschlägen zur Verhandlungsführung
  3. Vertragsmanagement und -transparenz über das KI-gestützte Auslesen von Verträgen und ihrer Meta-Daten (Verschlagwortung) inklusive sprachlicher Übersetzung
  4. Auftragsmanagement über automatisiertes Erfassen von Auftragsbestätigungen und KI-gestützte Abgleiche mit den Bestellungen
Heatmap des Einkaufs zeigt die KI-Durchdringung entlang des Einkaufs. Bild: amc

Pragmatisch starten

Dass der Weg zur strategischen Einkaufs-KI kein Spaziergang ist und dass das alles so schnell auch gar nicht umsetzbar ist, weiß Jan van Hueth: „Die erste Lektion, die wir gelernt haben, ist, sich Zeit zu nehmen und erst einmal selbst ein Gefühl für die Technologie und ihren Nutzen zu bekommen“, erklärt er. Seine Empfehlung: Niederschwellig starten, Use-Cases „eher hemdsärmelig als akademisch“ priorisieren, dort beginnen, wo es bereits globale, IT-gestützte Prozesse sowie KI-Lösungen gibt.

Auch Körber sieht den Mehrwert von KI vor allem im strategischen Einkauf und für das Einkaufsmanagement. KI böte vor allem Chancen: „Viele Aufgaben, die bislang liegen bleiben, weil einfach die Zeit fehlt, können mithilfe von KI künftig angegangen werden“, ist der IT-Spezialist überzeugt.

Vertrauen aufbauen

Dr. Janina Goldberg, Vice President Purchasing Strategy and Methods, Voith Group: „Wir wollen den Einkauf mit KI gezielt unterstützen. Vertrauen in die Technologie aufzubauen ist ganz zentral.“ Bild: Voith

Das unterstreicht Dr. Janina Goldberg: „KI wird den Einkauf nicht ersetzen, sondern ihn als Werkzeug und wichtiges Hilfsmittel bei seinen anspruchsvollen Aufgaben unterstützen.“ Janina Goldberg ist Vice President Purchasing Strategy and Methods der Voith Gruppe. Mit Blick auf die Vorbehalte gegenüber der Technologie sagt sie: „Es ist wichtig die Ängste abzubauen und Vertrauen aufzubauen.“

Ihr Tipp für den Einkauf: Nicht zu viel auf einmal wollen, mit Projekten starten, die den Anwendern schnell einen Nutzen bringen, so dass der Mehrwert sich herumspricht. Goldberg: „Wir können uns für den Einkauf bei Voith eine Art „KI-Werkzeugkasten“ vorstellen mit verschiedenen Tools (Use-Cases), die helfen, Kosten- und Volumen-Potenziale zu identifizieren, unliebsame Aufgaben wie die Datenpflege übernehmen und Analysen erlauben, die aufgrund der Komplexität so bislang noch nicht möglich sind.“ Darüber hinaus sieht Goldberg potenzielle Einsatzfelder im Nachhaltigkeits- und Risikomanagement, im Forecast und für die Bedarfsplanung.

Wie verlässlich sind die Ergebnisse?

Vertrauen braucht es in Bezug auf die Verlässlichkeit KI-generierter Ergebnisse. Auch wenn sich die Neigung zur Halluzination bei den meisten Sprachmodellen durch spezifizierte Prompts und eine gute eigene Datenbases reduzieren lässt, betont Fabian Kittel: „Die Herausforderung besteht für den Einkauf auch darin nachzuweisen, dass man sich auf die Ergebnisse verlassen kann.“ Nicht nur aus diesem Grund bleibe der Mensch in der Beschaffung entscheidend und bis auf weiteres unverzichtbar, darin waren sich alle Beteiligten einig.

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