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Potenziale im Einkauf ausschöpfen

Procurement Scan – Von der Analyse zur Festlegung thematischer Schwerpunkte, Teil I
Potenziale im Einkauf ausschöpfen

Potenziale im Einkauf ausschöpfen
(Bild: Kentoh/Fotolia)
In zunehmendem Maße werten viele Unternehmen Ihre Einkaufsfunktion auf, um die Potenziale der externen Wertschöpfung zu nutzen und Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten. Damit verbunden ist die Herausforderung, die Einkaufsorganisation für ein erweitertes Aufgabenspektrum fit zu machen. Das richtige methodische und kommunikative Vorgehen sichert dabei den nachhaltigen Erfolg.

Eine effiziente Einkaufsorganisation trägt nicht nur zur Gewinnsteigerung bei, sondern erlaubt auch flexible Reaktionen auf komplexe äußere Einflüsse. Um steigenden Anforderungen und Veränderungen im Markt erfolgreich zu begegnen, sollte die Einkaufsfunktion sich daher selbst regelmäßig auf den Prüfstand stellen.

Der Einkaufsleiter braucht daher eine Methodik, bei der diese Hürden überwunden, die Fachbereiche mitgenommen und die Ziele des Einkaufs dennoch erfüllt werden – den Procurement Scan. Das große Ziel des Einkaufsleiters muss es sein, eine mehrjährige Roadmap für den Einkauf zu entwickeln, die auf Basis einer ganzheitlichen Betrachtung Optimierungsansätze aufzeigt. Zudem muss die Roadmap vom Unternehmen und den anderen Fachbereichen mitgetragen werden.
Dazu nutzt der Procurement Scan ein Vorgehen, das sich aus vier methodischen Säulen zusammensetzt:
  • 1. Best-Practice-Benchmarks: Auf Basis von Fakten und Best Practices werden Stärken und Schwächen identifiziert.
  • 2. Aufnahme des Selbstbilds: Über strukturierte Interviews mit dem Einkaufspersonal und allen relevanten Stakeholdern werden unternehmensspezifische Handlungsfelder definiert und die Benchmark-Ergebnisse erprobt.
  • 3. Berücksichtigung der Geschäftsstrategie: Identifizierte Handlungsbedarfe aus Benchmarks und Selbstbild werden anhand einer Balanced Scorecard oder anderweitig definierter Unternehmensziele priorisiert.
  • 4. Ausgewählte Analysen: Verifizierung und Konkretisierung von Schwerpunkten durch zusätzliche Detailanalysen.
Baustein 1: Für und Wider von Benchmarks
Für die eigene Standortbestimmung sind Benchmarks unerlässlich. Der Einsatz von Benchmarks muss jedoch mit Bedacht und unter Einhaltung grundlegender Regeln erfolgen. Zunächst dient ein Benchmark immer der Verortung in einem Referenzsystem. Daher sollte die Bewertung nicht anhand einzelner Kennzahlen erfolgen, sondern über die Einordnung der Leistungsfähigkeit des Einkaufs in ein Gesamtbild. Dazu müssen Werte zu Kostenentwicklung und Einkaufseffizienz, vor allem aber zu den Punkten Strategie, Organisation, Prozesse, Systeme und Mitarbeiter verglichen werden. Um dies zu gewährleisten, werden unterschiedliche Arten von – frei verfügbaren – Benchmarks herangezogen.
Benchmarks sollte der Einkauf kontinuierlich selbst durchführen, um frühzeitig und vorbereitet weitere Diskussionen anstoßen zu können. Sie dienen zudem zur Versachlichung emotionaler Debatten. Die Ergebnisse dieses methodischen Bausteins werden genutzt, um die Untersuchungsschwerpunkte für die zweite methodische Komponente, das eigene Selbstbild, festzulegen.
Baustein 2:
Themenstellungen individualisieren
Zweck des Selbstbildes ist es, die frühzeitige Integration aller Beteiligten zu gewährleisten. Daneben werden die Anforderungen der Stakeholder – zu denen auch das eigene Einkaufspersonal gehört – aufgenommen und mit den über die Benchmarks identifizierten Stärken und Schwächen verknüpft.
Das Selbstbild wird in Form eines Fragebogens aufgenommen. Im Fragebogen können zwei unterschiedliche Fragetypen genutzt werden: allgemeine Verständnis-/Informationsfragen sowie Bewertungsfragen. Eine Kombination beider Fragetypen ist empfehlenswert. Offene Informationsfragen an die Stakeholder sind zum Beispiel: Welche Ziele haben Sie? Welche unterstützenden Aufgaben sind dazu nötig? Bei welchen Punkten fühlen Sie sich durch den Einkauf nicht ausreichend unterstützt? Offene Fragen sollten, in Abhängigkeit der Organisationsgröße, vorzugsweise im Rahmen von Interviews gestellt werden.
Daneben sollten die Stakeholder vorgegebene Aussagen bewerten. Für die Bewertung kann eine 4- oder 6-stufige Skala genutzt werden, bei der immer die Hälfte der Antworten negativ und die andere Hälfte positiv ist. Auch für diesen Ansatz empfiehlt es sich teilweise, Interviews durchzuführen. In Gesprächen werden oft Fallbeispiele erläutert, anhand derer sich die spätere Optimierung darlegen oder auch messen lässt. Je nach Schwerpunkt kann ein Statement zum Beispiel lauten: „Der Einkauf ist immer in der Lage, auf Knopfdruck die aktuellen Produktkosten im laufenden Entwicklungsprozess zu benennen.“
Insbesondere durch den Vergleich von Benchmark- und Selbstbild-Ergebnissen lassen sich Erkenntnisse über die wichtigsten Handlungsfelder gewinnen.
Ein einfaches, reales Beispiel: Durch Benchmarks wurde festgestellt, dass der Anteil der Einkaufskosten am Gesamtumsatz vergleichsweise hoch ist, während die Materialkostenentwicklung deutlich schlechter als der Marktstandard ist. Zudem konnten keine besonderen Indizien für eine hohe Auslastung festgestellt werden, d.h. die Anzahl der Artikel, Lieferanten oder Bestellungen je Einkäufer ist nicht besonders hoch. Dennoch war die Auslastung der Einkäufer nach eigenen Aussagen sehr hoch. Erst in Gesprächen gelang es herauszufinden, dass der Einkauf neben seinen eigentlichen Aufgaben zahlreiche Zusatzarbeiten im Bereich der Fertigungssteuerung erfüllen musste.
Baustein 3:
Erkannte Schwachpunkte priorisieren
Durch die Kombination der Ergebnisse aus Benchmark und Umfrage ist es möglich, die richtigen Fragen zu stellen und Antworten zu bekommen, aus denen sich konkrete Maßnahmen entwickeln lassen. Die Akzeptanz für das Vorgehen ist sehr hoch, da der Benchmark in diesem Zusammenhang als Indikator und nicht als harter (und oft nur zweifelhaft vergleichbarer) Zielwert genutzt wird.
Die Durchführung ist zwar vergleichsweise zeitintensiv, jedoch hat der Einkaufsleiter danach eine sachlich fundierte Einschätzung zu den Stärken und Schwächen des Einkaufs. Darüber hinaus wird auf die Anforderungen des Personals eingegangen.
Mit diesem Vorgehen wird typischerweise eine große Zahl von Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert. In der Umsetzung sollte sich der Einkaufsleiter jedoch zunächst auf die wichtigen Punkte beschränken. So bleibt der Aufwand machbar und Verbesserungen sind schneller umsetzbar. Die Priorisierung der Themenstellungen geschieht am einfachsten durch eine Abstimmung der Ergebnisse mit der Unternehmensleitung.Als Basis dazu sollten – sofern vorhanden – existierende Balanced Scorecards oder anderweitig klar definierte und kommunizierte Ziele dienen. Leider sind diese in der Realität oft nur vage und wenig konkret beschrieben. Umso wichtiger ist, dass die Erwartungen bereits im Rahmen der Interviews aufgenommen wurden.
Stärken, Schwächen und Maßnahmen sind nun definiert und mit den Stakeholdern abgestimmt.
Das Vorgehen zu Ausplanung und Einbindung der Fachbereiche wird im 2. Teil, der in der April-Ausgabe von Beschaffung aktuell erscheinen wird, beschrieben.

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Dr. Marcel Urban, Partner, Targus Management Consulting AG

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Andreas Sans, Vorstand, Targus Management Consulting AG
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