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Einteilung und Eigenschaften der Werkstoffe

Serie: Technik für Einkäufer
Einteilung und Eigenschaften der Werkstoffe

Lernen Sie die Grundlagen der Werkstoffkunde kennen. Mit der Einteilung und den Eigenschaften der Werkstoffe startet unsere Serie. Die technischen Entwicklungen stellen immer höhere Anforderungen an die Werkstoffe. Die Forschung reagiert darauf mit der Verbesserung des vorhandenen Materials oder der Entwicklung neuer leistungsfähigerer Werkstoffe. Andererseits ermöglichen diese auch neue, bisher nicht mögliche technische Nutzungen. Diese Entwicklung ist noch längst nicht abgeschlossen.

 

Nicht nur technische Anforderungen bestimmen die Entwicklung neuer Geräte, Anlagen und Einrichtungen. Auch ökonomische und – im Zeichen sinkender Rohstoff- und Energieressourcen – ökologische Anforderungen wurden und werden heute immer mehr zu entscheidenden Faktoren im Entwicklungsprozess.
Zwischen diesen unterschiedlichen Anforderungen treten zwangsläufig Wechselwirkungen auf. Besondere ökologische Anforderungen wie ein verringerter Treibstoffverbrauch erfordern höhere technische Anstrengungen, die sich natürlich auch in einem höheren Preis widerspiegeln. Niedrigere Kosten führen dagegen in der Regel zu einem geringeren technischen Aufwand.
Vergleichbare Gesetzmäßigkeiten gelten auch bei der Werkstoffauswahl. Höherer technischer Aufwand z. B. durch Auswahl besonderer Legierungen erhöhen zwangsläufig die Kosten. Der Einsatz von Sekundärwerkstoffen führt dagegen häufig zu deutlich niedrigeren Kosten, da bei der Herstellung oft ein geringerer Energieeinsatz erforderlich ist.
Wenn auch die reinen Werkstoffkosten nur selten entscheidend für die Gesamtkosten eines Werkstückes sind, können sich die Gesamtkosten doch mit der Werkstoffauswahl stark ändern: Beeinflusst werden dadurch meist die konstruktive Gestaltung, die Abmessungen, die Fertigungsprozesse, die Betriebskosten, die Haltbarkeit sowie auch die Entsorgungsmöglichkeiten.
 

Definitionen und Einteilung von Werkstoffen

In der Technik unterscheidet man die drei Gruppen Werkstoffe, Hilfsstoffe und Brennstoffe: Werkstoffe werden – wie die meisten anderen Stoffe auch – durch kombinierte physikalisch-chemische Prozesse aus den in der Natur vorkommenden Rohstoffen gewonnen. Es sind in der Regel feste Stoffe. Sie unterscheiden sich durch ihre spezifischen physikalischen und chemischen Eigenschaften, z. B. Festigkeit, elastische und plastische Verformbarkeit, elektrische Leitfähigkeit, Korrosionsbeständigkeit. Aus den Werkstoffen werden mit verschiedenen Fertigungsverfahren (z. B. Urformen, Umformen, spanendes oder spanloses Trennen, Fügen) Teile hergestellt, die eine bestimmte Funktion erfüllen sollen wie Geräte, Werkzeuge, Maschinen und Anlagen, Gegenstände für den täglichen Gebrauch und Kunstwerke.
Als Hilfsstoffe werden Stoffe bezeichnet, die für den störungsfreien Ablauf technischer Prozesse erforderlich sind wie z. B. Kühl- und/oder Schmierstoffe. Sie können fest oder flüssig sein.
Die Brennstoffe dienen als Lieferanten thermischer Energie.
 
Diese Einteilung ist jedoch häufig nicht eindeutig, die Zuordnung eines Stoffes zu einer dieser drei Gruppen ist oft nur durch Betrachtung des gerade vorliegenden Einsatzfalles möglich oder kann sich sogar im Laufe der Nutzungszeit ändern. Hölzer werden beispielsweise für den Bau von Möbeln genutzt, können aber auch direkt oder eben nach Ablauf der Nutzung als Möbel verbrannt werden. In einem Fall sind sie Werkstoff, im anderen Fall Brennstoff oder sie wandeln sich vom Werkstoff zum Brennstoff.
Betrachtet man zunächst die chemischen Elemente als kleinste Bausteine der Werkstoffe, sind diese unterteilt in Metalle und Nichtmetalle.
Chemisch gesehen sind die Metalle Basenbildner, die Nichtmetalle sind Säurebildner.
Metalle und Nichtmetalle bilden auch die beiden Hauptgruppen der Werkstoffe. Hier kommen als weitere Unterscheidungskriterien der atomare Aufbau und die daraus folgenden Eigenschaften hinzu.
 

Die Unterscheidungskriterien von Metallen

Metalle besitzen ein Kristallgitter: Die Atome sind nicht in Molekülen gebunden, sondern in größeren, räumlich regelmäßigen Strukturen angeordnet. Zwischen den Atomen bewegen sich die Elektronen der äußeren Elektronenschalen als freies „Elektronengas“. Die Kristallgitterstruktur gibt den Metallen die hohe Festigkeit und die gute plastische Verformbarkeit, die freien Elektronen sind Ursache für die elektrische und Wärmeleitfähigkeit sowie den metallischen Glanz. Metalle gehören zur Gruppe der anorganischen Stoffe.
 
Metalle werden weiter unterteilt in die beiden Gruppen „Eisenbasiswerkstoffe“ und „Nichteisenmetalle“. Diese Unterscheidung ist allerdings nur durch die herausragende technisch-wirtschaftliche Bedeutung der Eisenbasiswerkstoffe entstanden. Weder die Stellung des Elements Eisen im Periodensystem der chemischen Elemente noch die Metallkunde liefern Gründe, mit denen diese Sonderstellung innerhalb der Gruppe der Metalle gerechtfertigt werden könnte.
 
Weiterhin werden die Metalle nach ihrem spezifischen Gewicht unterschieden in „Leichtmetalle“ und „Schwermetalle“. Grenze ist das spezifische Gewicht 4,5 g/cm³. Diese Grenze ist vollkommen willkürlich festgelegt. Einzige Begründung ist, dass mit dieser Festlegung Titan mit seinem spezifischen Gewicht von 4,5 g/cm³ gerade noch zu den Leichtmetallen zählt.
Technisch reine Metalle enthalten nur einen geringen Prozentsatz von Fremdelementen. Sie sind nur mit besonderen Reduktions-, Umschmelz- oder Elektrolyseverfahren herstellbar und dementsprechend teuer. Ihre mechanische Festigkeit ist meist niedrig, dagegen sind sie überwiegend sehr gut plastisch verformbar. Ihre Anwendung ist auf wenige Sonderfälle beschränkt, bei denen die hohe Reinheit unbedingt erforderlich ist, z. B. Kupfer für elektrische Leiter.
 
Wesentlich bedeutender sind die Legierungen. Sie bestehen aus einem Grundmetall und mindestens einem Legierungselement, häufig aber auch aus mehreren Legierungselementen. Als Grundmetall wird der Legierungsbestandteil mit dem größten Massenanteil bezeichnet („Basismetall“, daher z. B. der Begriff „Eisenbasiswerkstoff“ für Stähle und Gusseisen). Als Legierungselemente können sowohl Metalle als auch Nichtmetalle eingesetzt werden. Die Legierungselemente werden gezielt zugegeben, um bestimmte Werkstoffeigenschaften zu erreichen. Die technisch wichtigste Legierung Stahl besteht aus dem Grundmetall Eisen und enthält als wichtigstes Legierungselement das Nichtmetall Kohlenstoff. Weitere Legierungselemente können je nach Einsatzanforderungen zugegeben werden.
 

Die Unterscheidungskriterien von Nichtmetallen

Nichtmetalle werden unterteilt in die beiden Gruppen „nichtmetallische anorganische Werkstoffe“ und „organische Werkstoffe“. Diese Eingruppierung ist aus der Geschichte der Werkstoffe zu erklären: Während die anorganischen Werkstoffe aus der unbelebten Natur gewonnen wurden, stammten die organischen Werkstoffe aus lebenden Organismen. Heute werden den organischen Werkstoffen alle Stoffe zugeordnet, deren Moleküle als Hauptelemente Kohlenstoff und Wasserstoff enthalten.
 
Anorganische Nichtmetalle können kristallin oder amorph aufgebaut sein. Bei kristallinen Stoffen sind kleine Moleküle, also Moleküle aus wenigen Atomen, in einer kristallgitterartigen Struktur ähnlich den Metallen angeordnet. Hierzu zählen viele Keramiken. In amorphen Stoffen liegen die Moleküle dagegen regellos im Werkstoffvolumen. Zu dieser Gruppe gehören z. B. die Gläser.
Charakteristisch für die organischen Werkstoffe sind die „Makromoleküle“, das sind extrem lange Kohlen-Wasserstoff-Verbindungen aus oft mehreren 100 000 Atomen. Wichtigste Vertreter sind hier die Kunststoffe, Kautschuke und Hölzer. Bei amorphen Kunststoffen liegen die Makromoleküle in einer regellos verknäulten, wattebauschartigen Struktur vor. In teilkristallinen Kunststoffen sind die Makromoleküle teilweise parallel ausgerichtet, teilweise wattebauschartig verknäult.
 
Kennzeichnend für Nichtmetalle ist meist eine deutlich niedrigere Festigkeit als bei den Metallen und eine geringe plastische Verformbarkeit. Aufgrund der fehlenden freien Elektronen – die Elektronen der Außenschalen werden für die Bindung innerhalb der Moleküle benötigt – sind die Nichtmetalle grundsätzlich elektrische Isolatoren und schlechte Wärmeleiter.
 

Die Unterscheidungskriterien von Verbundwerkstoffen

Die technischen Entwicklungen stellen an die verfügbaren Werkstoffe oft Anforderungen, die von einem einzelnen homogenen Werkstoff nicht mehr erfüllt werden können. Durch Kombination von zwei oder mehr Werkstoffen in einem Bauteil lassen sich jedoch oft die gewünschten Eigenschaften erzielen. Dabei wird das Prinzip der Aufgabenteilung genutzt: Die verschiedenen Phasen übernehmen unterschiedliche Aufgaben. Aus der Summe entstehen dann die gewünschten Bauteileigenschaften.
 
Ältester Verbundwerkstoff in der Menschheitsgeschichte ist die Mischung aus Lehm und Stroh für den Hausbau. Es ist ein Faserverbundwerkstoff. Das Stroh (Faser) übernimmt die mechanischen Belastungen, der Lehm (Matrix) gibt dem Bauteil die Gestalt, hält die Fasern zusammen und verschließt die Zwischenräume zwischen den Fasern. Holz ist ein natürlicher Verbundwerkstoff mit einer Matrix aus Lignin und eingelagerten Cellulosefasern.
Technische Faserverbundwerkstoffe sind z. B. Stahlbeton und glas- oder kohlefaserverstärkte Kunststoffe.
 
Eine weitere Gruppe sind die Teilchenverbundwerkstoffe. Bei diesen sind mehr oder weniger große, oft kugelförmige Partikel oder Teilchen in eine Matrix eingelagert. Beispiele sind Beton als Sand-Zement-Kies-Gemisch, Spanplatten aus Holzspänen in einer Kunststoffmatrix und mit Talkum oder Glaskugeln gefüllte Kunststoffe.
 
Bei Schichtverbundwerkstoffen werden platten- oder folienförmige Werkstoffe mit verschiedenen physikalischen und/oder mechanischen Eigenschaften kombiniert. In Kunststoff-Metall-Verbunden wird das niedrige spezifische Gewicht des Kunststoffs und die hohe Festigkeit des Metalls genutzt, in Gummi-Metallverbunden die hohe Elastizität des Gummis mit der hohen Festigkeit des Metalls. Weitere Schichtverbundwerkstoffe sind Tischlerplatten, Sperrholz oder Mehrscheiben-Sicherheitsglas.
 
Schließlich sind noch die beschichteten Werkstoffe zu nennen. Der Grundwerkstoff gibt dem Bauteil die Gestalt und übernimmt die mechanischen Belastungen. Die Beschichtung dient als Korrosions- oder Verschleißschutz oder auch zur Verbesserung des Aussehens. Beispiele sind Lacke und Anstriche, galvanische Beschichtungen, Plattierungen und Überzüge. Grundwerkstoffe und Beschichtungen können aus allen schon genannten Werkstoffgruppen kommen.
 

Eigenschaften der Werkstoffe

Werkstoffe werden mit Hilfe ihrer Eigenschaften charakterisiert. Nachfolgend sind nur einige der für technische Einsätze wichtige Eigenschaften beispielhaft aufgelistet.
 

Physikalische Eigenschaften:

Dazu gehören das schon erwähnte spezifische Gewicht (= Dichte), die Wärmedehnung, die Schmelz- und Erstarrungstemperatur, die Leitfähigkeit für Wärme oder Elektrizität, die Magnetisierbarkeit. Kennzeichnend für diese Eigenschaften ist, dass sie mit physikalischen Messverfahren exakt zahlenmäßig erfasst werden können.
 

Mechanische Eigenschaften:

Die Mechanik ist eigentlich ein Teilbereich der Physik. Aufgrund ihrer herausragenden Bedeutung in der Technik wird sie aber als eigenes Gebiet betrachtet. Zu den mechanischen Eigenschaften gehören die Festigkeit, die elastische Verformbarkeit, die Querdehnzahl und die Härte. Auch diese Eigenschaften können mit physikalischen Messverfahren zahlenmäßig erfasst werden.
 

Chemische Eigenschaften:

Sie beschreiben die Bereitschaft der Werkstoffe, mit ihrem Umgebungsmedium zu reagieren. Dazu gehören insbesondere die Korrosionsbeständigkeit und die Oxidationsbeständigkeit. Auch hier gibt es genormte Testverfahren, in denen die chemische Reaktion eines Werkstoffes unter definierten Umgebungsbedingungen geprüft wird.
 

Technologische Eigenschaften:

Diese sind maßgebend für die Herstellung, Be- und Verarbeitung der Werkstoffe, d. h. für die Möglichkeiten, aus einem Werkstoff ein Bauteil herzustellen. Dazu gehören beispielsweise die Gießbarkeit, die Umformbarkeit, die Zerspanbarkeit, die Schweißbarkeit, die Härtbarkeit. Diese Eigenschaften können oft nur qualitativ beschrieben werden („gut gießbar“, „schlecht umformbar“, „schwer zerspanbar“) oder sie werden mit speziell dafür entwickelten technologischen Prüfverfahren getestet, die den gewünschten Arbeitsprozess modellhaft nachbilden. Kennzeichnend für diese Prüfverfahren ist, dass ihre Ergebnisse nicht auf andere Arbeitsverfahren übertragbar sind.

Der Autor

Prof. Dr. Wolfgang Magin ist Professor für Werkstoffkunde und Werkstoffprüfung sowie Prodekan im Fachbereich Informatik und Ingenieurwissenschaften der Fachhochschule Frankfurt am Main, University of Applied Sciences
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