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„Gesamtkostenoptimale“ Region gesucht

Best Cost Country Sourcing
„Gesamtkostenoptimale“ Region gesucht

Wer im Ausland einkaufen will, sollte alle Kriterien, die für oder gegen die Auswahl einer bestimmten Beschaffungsregion sprechen, analysieren. Ziel ist es, „gesamtkostenoptimale“ Regionen zu finden – und diese können sich von Niedriglohnländern deutlich unterscheiden.

Alexander Voigt, Leiter der Practice „Best Cost Country Sourcing“ Markus Römer, Projektleiter, BrainNet Management, Consultants GmbH, Bonn

Im Jahr 2010 werden deutsche Unternehmen rund ein Drittel ihres direkten Beschaffungsvolumens aus den Niedriglohnländern beziehen. Das entspricht einer Verdoppelung in nur fünf Jahren. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass bisher bei der Auswahl der Beschaffungsregionen sehr häufig nur ein Kriterium entscheidend war – der unmittelbare Produktpreis, der meist stark vom Lohnniveau des jeweiligen Landes abhängig ist. Doch diese verengte Betrachtungsweise ist mitverantwortlich dafür, dass die erhofften Wettbewerbsvorteile oft nicht realisiert werden können, oder sich sogar ins Gegenteil verkehren: Im schlimmsten Fall drohen Imageschäden und der Verlust von hochgradig wettbe-werbsentscheidendem Wissen.
Um dieser Gefahr zu entgehen, ist es zwingend notwendig, im Rahmen eines Total-Cost-Ansatzes alle Kriterien, die für oder gegen die Auswahl einer bestimmten Beschaffungsregion sprechen, systematisch zu analysieren. Das Ziel dieser Analyse ist die Identifikation von „gesamtkostenoptimalen“ Regionen – und diese können sich von den klassischen Niedriglohnländern deutlich unterscheiden. Das ist der Grund, warum wir vom „Best Cost Country Sourcing“ sprechen.
Neben dem Produktpreis gibt es mindestens fünf weitere Kriterien, die bei einer fundierten Entscheidung für oder gegen einen Beschaffungsmarkt berücksichtigt werden müssen: Qualität, Koordinationsaufwand, Innovationskosten, Kundensensibilität und auch der Know-how-Schutz. Qualität: Die Qualität der im Ausland eingekauften Vorprodukte ist die Achillesferse der globalen Beschaffung und ein häufiger Grund, warum sich Unternehmen entscheiden, die vorgelagerte Produktion im Heimatland zu belassen. Will man die Vorteile der globalen Beschaffungsmärkte nutzen ohne Abstriche bei der Qualität zu machen, braucht man eine Reihe von Instrumenten. Dazu gehören vor allem professionelles Lieferantenmanagement, Technologietransfers vor Ort, Vereinbarung von Entwicklungspfaden und damit letztlich die konsequente Gestaltung des Lieferantenportfolios.
Koordinationsaufwand: Hierzu zählen alle Aufwendungen, die notwendig sind, um den entfernt sitzenden Lieferanten so steuern zu können, als ob er „um die Ecke“ säße. Dies betrifft neben dem Reiseaufwand für Experten und Management vor allem die sprachlichen Anpassungen wichtiger Dokumente und die tendenziell wesentlich längeren Reaktionszeiten ausländischer Partner.
Innovationskosten: Heute entstehen viele Innovationen nicht in der internen Forschungsabteilung, sondern durch Innovationspartnerschaften innerhalb der Wertschöpfungskette. Die Innovationsimpulse der Lieferanten aus den Niedriglohnländern sind jedoch eher gering. Dies erhöht entweder den Aufwand für Eigenentwicklungen oder erfordert einen zusätzlichen und zielgerichteten Innovationseinkauf. Allerdings gibt es auch eindrucksvolle Beispiele dafür, dass man das Innovationspotenzial der ausländischen Lieferanten systematisch pflegen und nutzen kann: So lässt beispielsweise Puma, einer der globalen Trendsetter der Sportbekleidungsindustrie, 8000 Artikel pro Jahr in Asien entwickeln.
Sechs wichtige Kriterien
Kundensensibilität: Markenprodukte, die einen ausgeprägt lokalen Kern haben, können nur einen begrenzten offensichtlichen Anteil an Komponenten aus Niedriglohnländern enthalten. Anders formuliert: „Made in Germany“ oder „Swiss made“ sind feste Bestandteile der Marken und begründen absatzseitig Premiumpreise. Wird dieses Markenattribut verwässert, sinkt die Zahlungsbereitschaft der Kunden und die Marke muss durch aufwendige Marketingkampagnen aufgewertet und neu „aufgeladen“ werden. Eine Lösungsmöglichkeit kann darin bestehen, die bereits etablierten Lieferanten dazu zu bewegen, Teile ihrer Produktion in andere Märkte zu verlagern. So bleiben dem Namen nach die etablierten Lieferanten bestehen, Kostenvorteile können aber trotzdem genutzt werden.
Auswahl und Skalierbarkeit
Know-how-Schutz: Heute macht die Produktpiraterie über fünf Prozent des gesamten Welthandelsvolumens aus – ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass das geistige Eigentum in den meisten Regionen der Welt keinen wirkungsvollen Schutz genießt. Am meisten besorgniserregend ist dabei nach wie vor die chinesische Volksrepublik, in der rund acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts mit Produktfälschungen erwirtschaftet werden. Das Problem wird die Weltwirtschaft auch in den nächsten Jahren beschäftigen. Expertenschätzungen zufolge wird in China der Aufbau eines zuverlässigen Rechtssystems noch länger als eine Dekade in Anspruch nehmen. Die Überlassung von kritischem Know-how an Lieferanten aus solchen rechtsunsicheren Ländern birgt somit die Gefahr, das Zukunftspotenzial des eigenen Unternehmens zu verspielen. Deshalb müssen in Abhängigkeit von regionalen Besonderheiten entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden, zum Beispiel die Etablierung schneller Innovationszyklen, die den Aufwand für Nachbauten nicht lohnen lassen.
Für den Erfolg einer weltweiten Sourcing-Strategie sind zwei Aspekte maßgeblich verantwortlich: Einerseits geht es darum, die beschriebenen Einflussfaktoren im Hinblick auf konkrete Verlagerungsentscheidungen und unterschiedliche Beschaffungsmärkte zu quantifizieren und damit die gesamtkostenoptimalen Regionen auszuwählen. Andererseits muss die Skalierbarkeit der Arbeitsabläufe im Einkauf gewährleistet werden. Eine fehlende Skalierbarkeit lässt sich mit einem einfachen Beispiel illustrieren: Die Verlagerung eines mittelkomplexen Industrieprodukts in ein Niedriglohnland beansprucht heute im Durchschnitt 22 Tage mehr als die Auftragsvergabe in Westeuropa: Pro zehn Teile die verlagert werden sollen, ist also ein zusätzlicher Mitarbeiter notwendig. In einem erfolgreichen Verlagerungsprojekt muss also gewährleistet werden, dass sich der Steuerungsaufwand in Bezug auf die Anzahl verlagerter Produkte unterproportional entwickelt.
Um diesen Forderungen zu genügen, ist eine leistungsfähige Software unabdingbar. So erlaubt beispielsweise die von BrainNet entwickelte Lösung MyValueDriver die Simulation von Verlagerungsentscheidungen. Im Kern steht dabei ein Kalkulationsschema, das die Produktkostenrechnung aus der Sicht des Einkäufers strukturiert. Dabei wird die Kostenstruktur eines Produkts anhand der Arbeitsschritte des realen Wertschöpfungsprozesses aufgenommen. Im nächsten Schritt werden die aufgenommenen Kostenstrukturen Simulationen unterzogen. Hier können einzelne Variablen (z. B. Stundenlohn, Maschinentyp, Struktur der Logistikkette) auf Basis aktueller Datenbanken einfach verändert werden.
Insgesamt erlaubt der Best-Cost-Country-Sourcing-Ansatz einen professionellen und ganzheitlichen Blick auf die Herausforderungen in der Beschaffung und ist deshalb ein Imperativ.
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