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Lieferzeiten-Management

Das Ärgernis geplatzter Termine
Lieferzeiten-Management

Lieferzeiten-Management
Jens Holtmann, Fachberater und -trainer für zeitgerechten und wirtschaftlichen Einkauf, Oerlinghausen
Egal ob Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen, der geplatzte Liefertermin eines Lieferanten gefährdet die Kundenorientierung und verursacht erhebliche Kosten. In Zeiten härtester Kundenforderungen und schärfsten Konkurrenzkampfes ist zuviel Nachsicht und Duldsamkeit gegenüber Zulieferern fehl am Platz.

Jens Holtmann, Seminare für den Einkauf, 33813 Oerlinghausen

Firmen, die in solchen Fällen einen „Schmusekurs“ mit Ihren Lieferanten fahren, arbeiten nicht konsequent für Ihre Kunden. Natürlich darf ein guter Lieferant auch einmal den Liefertermin überschreiten. Allerdings muß dies die Ausnahme sein und nicht die Regel.
Geplatzte Liefertermine sind die häufigsten Blitze, die in Einkaufsabteilungen einschlagen. Vielen Firmen fehlen durchdachte Konzepte und wirksame Werkzeuge für ein zeitgemäßes Lieferzeiten-Management.
Aktives Lieferzeiten-Management beginnt bereits mit der Auswahl des Lieferanten. Die meisten Firmen wissen dies und sind dabei, ihre Leistungskette zu erneuern. Sie soll schneller, qualitätsverbessert und kostenreduziert ausgestaltet werden. Das erste Kettenglied ist der Einkauf. Wie soll das Preis-/Leistungsverhältnis gegenüber den eigenen Kunden nachhaltig verbessert werden, wenn bei der Zulieferung Termine und Zuverlässigkeit nicht stimmen? Es wird in den Einkaufsabteilungen daran gearbeitet, allerdings häufig nach dem Feuerwehrprinzip: Liefertermine müssen mit Anstrengung und Kostenaufwand gerettet werden.
Die Leistungskraft jedes Unternehmens ist direkt von der Leistungsfähigkeit seiner Zulieferer abhängig. Wenn die Lieferpartner gute Arbeit leisten, ist ein wichtiger Grundstein in Richtung Kundenzufriedenheit und -orientierung gelegt. Die Kunden entscheiden, ob sie zufriedengestellt worden sind oder nicht. Und nur wer mit den besten Lieferanten zusammenarbeitet, kann erfolgreicher sein als die Konkurrenz.
Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen sind immer individuell zu bewerten. Vorteile, die ein Lieferant einem Abnehmer einräumt, beispielsweise eine schnelle und zuverlässige Belieferung, werden nicht automatisch allen anderen Abnehmern zugänglich gemacht. Ein ertragsorientiertes Unternehmen wird im Normalfall genau soviel leisten, nicht mehr und nicht weniger, daß sein Kunde zufrieden ist.
Viele Einkaufsbereiche arbeiten nach dem herkömmlichen Muster mit ihren Lieferanten. Es gibt Stammlieferanten für die einzelnen Produktgruppen, mit denen langjährige Geschäftsbeziehungen bestehen. Regelmäßig kommt es jedoch bei bestimmten Lieferanten zu Schwierigkeiten mit den Lieferterminen, auf die Lieferantenauswahl haben diese Zustände häufig wenig Einfluß. „Es gibt keine anderen Lieferanten“ ist zu hören oder: „Wir haben keine Zeit, die Einkaufsmärkte zu erkunden, und außerdem lohnt sich das nicht.“ Wie muß der Einkauf vorgehen, wenn er ein wirkungsvolles Lieferzeiten-Management betreiben will? In der Praxis hat sich die folgende Vorgehensweise bewährt:
–Ein Lieferanten-Anforderungsprofil erstellen und mit den Lieferanten vereinbaren,
–die durch Lieferanten-Pannen entstandenen Kosten und kundenfeindlichen Auswirkungen transparent machen,
–das richtige Vorbeugeprogramm entwickeln.
Einen Lieferantenleitfaden erstellen
Die Ausgangsbasis ist ein firmenspezifisch entwickeltes Lieferanten-Anforderungsprofil. Dort wird detailliert beschrieben, welche konkreten Anforderungen der „Ideallieferant“ hinsichtlich Qualitätsstandards, Qualitätstreue, Termin- und Mengentreue, Preise und Kosten, Service und Zuverlässigkeit sowie Zusatzleistungen erfüllen soll. Ein klares Bild über diese Punkte ist auch die Voraussetzung für eine funktionierende Lieferantenbewertung.
Der Lieferantenleitfaden als Werkzeug für den Einkauf hat folgenden Inhalt:
–Die Lieferantenanforderungen,
–die Qualitätsrichtlinien und
–die Einkaufsprogrammübersicht.
Sagen Sie Ihren Lieferanten klar, was Sie von ihnen erwarten und wie Sie sich die Zusammenarbeit vorstellen. Geben Sie sich nicht mit durchschnittlichen Leistungen zufrieden. Beachten Sie: Mit schlechten Lieferanten werden Sie Schwierigkeiten haben, Ihren Kunden eine Top-Leistung zu bieten.
Teilen Sie Ihren alten und jedem neuen Lieferanten deutlich Ihre Erwartungen und Anforderungen bezüglich der Liefertreue und -zuverlässigkeit mit. Sagen Sie ihnen klipp und klar, was Sie von Ihren Lieferanten haben wollen:
–Zweifelsfreie Qualität,
–schnelle Abwicklung und pünktliche Lieferung,
–günstige Preise und Konditionen,
–umfassende Beratung und Informationen,
–pünktliche und vollständige Angebote,
–unbürokratisches Verhalten und
–umfangreiche Serviceleistungen.
Nur wenn Sie Ihre Lieferanten fordern, werden diese Höchstleistungen für Sie erbringen.
Im Lieferantenleitfaden werden neben der Unternehmens- und Einkaufsphilosophie auch die Anforderungen an die Zulieferer und der Ablauf der Zusammenarbeit festgehalten: Zusammenarbeit und Informationsaustausch, Mitarbeit bei Kostensenkungsprogrammen, Lieferzeit, Zuverlässigkeit und Flexibilität und ständige Verbesserungen.
Die aufzubringende Zeit für eine Lieferantenrichtlinie ist bestens investiert.
Beugen Sie Schwierigkeiten mit Lieferanten vor
Die meisten Fehler, Versäumnisse und Pannen bei der Zusammenarbeit mit Lieferanten wirken sich negativ auf das Einkaufsergebnis und damit auf die Kostensituation des Unternehmens aus. Leider wird in vielen Firmen die Mehrarbeit, die durch verspätete Lieferungen entsteht, nicht kostenrechnerisch erfaßt.
Somit sind vielen Einkaufsabteilungen die Hände gebunden, wenn Sie den Lieferanten an den durch seine Versäumnisse entstandenen Kosten beteiligen wollen. Dabei ist eine Kostenbelastung an den Lieferanten einer der besten Verhandlungsbeschleuniger im Rahmen des Lieferzeiten-Managements. Hier wachen sogar dickfellige Lieferanten auf und werden gesprächsbereiter.
„Vorbeugen ist besser als heilen“. Dieses Sprichwort trifft auch beim betrieblichen Einkauf zu. Was können Sie tun, um möglichst schon beim allerersten Kontakt mit einem Lieferanten Probleme zu vermeiden? Wie können Sie sich das Vorbeugungsprinzip zu nutze machen?
Treffen Sie mit Ihren wichtigsten Lieferanten eine schriftliche Vereinbarung, in der klar geregelt ist, was passiert, wenn der verbindlich zugesagte Liefertermin nicht eingehalten wird.
Natürlich sind Lieferantenleitfaden und Einkaufsvereinbarung kein Allheilmittel. „Wo gehobelt wird, da fallen Späne.“ Gerne benutzen Lieferanten dies als Entschuldigung. Es ist richtig, daß nicht immer alles klappen kann, aber Fehler dürfen sich nicht häufen und schon gar nicht an der Tagesordnung sein.
Wenn Lieferanten ihre Vereinbarungen nicht einhalten, sind die bewährten Mittel und Instrumente:
–Gespräch mit dem Lieferanten,
–Brief an die Verkaufs- oder Geschäftsleitung,
–die gesetzliche Notbremse,
–der Lieferantenwechsel.
Sprechen Sie offen mit Ihren Lieferanten
Es ist wichtig, daß Sie jedesmal sofort reagieren, wenn Sie mit der Leistung eines Lieferanten unzufrieden sind. Nur so unterstreichen Sie Ihre Aussagen in den Lieferantenrichtlinien. Diese Arbeitsweise hat nichts mit „Kleinkrämerei“ zu tun, sondern spiegelt die moderne und zeitgerechte einkäuferische Grundhaltung wider, nämlich für sein Geld erstklassige und fehlerfreie Produkte und Dienstleistungen zu verlangen.
Ob Sie ein Telefonat oder ein persönliches Gespräch führen, hängt davon ab, wieviel Zeit Sie haben und ob Sie regelmäßig von einem Lieferantenvertreter besucht werden. Die meisten Gespräche werden, da schnell reagiert werden soll, per Telefon erledigt. Zählen Sie Ihrem Lieferanten konkret die Nachteile auf, die Ihnen und vor allen Dingen Ihren Kunden entstanden sind oder entstehen können.
Es kommt immer wieder vor, daß telefonische Zusagen nicht eingehalten werden. Ein Brief hat mehr Gewicht, besonders dann, wenn er an die richtige Person gerichtet ist. Kommen Sie mit einem Gespräch nicht weiter, schicken Sie einen Brief an den Geschäftsführer oder die Verkaufsleitung des Lieferanten.
Der Brief ist ein Instrument für die Lieferanten, die über einen längeren Zeitraum wiederholt – und nicht nur einmal – untragbare Schwierigkeiten verursacht haben.
Reklamieren Sie erfolgreich
Es kommt vor, daß Lieferanten sich nicht durch ein Telefonat oder einen Brief angesprochen fühlen. Der Lieferant hat keine Konsequenzen zu fürchten, außer die, daß sein Kunde abspringt. Aber häufig kauft der Kunde auch weiter bei ihm und hofft, daß sich doch noch etwas ändert und die Versprechen eingehalten werden. Leistungs- und kundenorientierte Firmen ziehen jetzt die gesetzliche Notbremse, nach dem das allgemein übliche kaufmännische Vorgehen nichts genutzt hat.
Die Grundlage für die nächste Stufe bildet das Bürgerliche Gesetzbuch: Haftung für Sachmängel (§ 459): Der Verkäufer ist verpflichtet, seine Produkte mangelfrei zu liefern. Er trägt die Gewährleistungspflicht für Mängel der Ware. Lieferungsverzug (§ 284): Lieferungsverzug liegt vor, wenn der Verkäufer schuldhaft nicht oder nicht rechtzeitig liefert.
Zeigen Sie Ihren Lieferanten, daß Sie Ihre Rechte und Pflichten genau kennen. Bestehen Sie immer darauf, daß Sie für Ihr Geld einwandfreie Produkte und Dienstleistungen bekommen. Um erfolgreich zu reklamieren, brauchen Sie nicht nur gesicherte Rechtskenntnisse. Ein gezieltes und geschicktes Vorgehen ist ebenso wichtig.
Trennen Sie sich von schwachen Lieferanten
Gelingt es nicht, Schwierigkeiten mit einem Lieferanten innerhalb eines vernünftigen Zeitraumes zu lösen, muß eine Alternative gefunden werden. Einkäufer, die sowieso ständig die Einkaufsmärkte erkunden, haben sich meistens bereits nach Ersatz umgesehen. Nicht immer ist sofort ein gleichwertiger Lieferant zur Stelle, allerdings sind die wenigsten Lieferanten unersetzlich. Es ist mehr eine Frage, wie professionell und intensiv die nationalen und internationalen Einkaufsmärkte nach leistungsstarken Zulieferern durchsucht werden.
Manche Einkäufer vereinbaren mit wichtigen Lieferanten zur Sicherung der Termine eine Vertragsstrafe mit dem Lieferanten: „Erfolgt die Lieferung nicht spätestens am …, so ist für jeden Tag der Verspätung eine Vertragsstrafe von 750 DM zu zahlen.“ Mit Konventionalstrafen will der Einkauf den Lieferanten zusätzlich motivieren, seinen zugesagten Termin einzuhalten.
Im normalen Verzugsfall muß der Einkäufer dem Lieferanten den tatsächlich entstandenen Schaden nachweisen. In der Praxis führt dies regelmäßig zu Schwierigkeiten. Eine vorher schriftlich vereinbarte Vertragsstrafe entbindet den Einkäufer von der Nachweispflicht, und der Lieferant hat den vereinbarten Betrag unabhängig von der Schadenshöhe zu zahlen.
Das Ziel des Einkäufers muß es immer sein, Streitigkeiten mit einem Lieferanten vor Gericht zu vermeiden. Einkaufsprozesse verursachen nicht nur immense Kosten, ihr Ausgang ist aufgrund der vielen Gesetze und der aktuellen Rechtsprechung auch meistens nicht vorhersagbar. Der Einkäufer benötigt gesicherte Rechtskenntnisse, damit er bei Problemen mit Zulieferern sachlich korrekt argumentieren kann.
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