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Materialgruppenstrategie

Supplier Relationship Management – Teil II
Materialgruppenstrategie

Der erste Teil der Beitragsreihe hat das 3-Ebenen-Modell des Supplier Relationship Managements vorgestellt und ist konkret auf die erste Ebene, die Beschaffungsgesamtstrategie, eingegangen. In diesem Zusammenhang wurde das GFSR-Modell (General Features of Supplier Relations) vorgestellt. Im zweiten Teil wird gezeigt, wie auf der zweiten Ebene die Ausprägung der Supplier Relations für die einzelnen Materialgruppen konkret erfolgt.

Wieland Appelfeller wappelfe@fh-muenster.de Wolfgang Buchholz wbuchholz@fh-muenster.de Marcus Schulte in den Bäumen msidb@eic-partner.de

In der zweiten Ebene werden die Phasen Vorbereitung, Anbahnung und Vereinbarung differenziert. In der Vorbereitungsphase geht es u. a. um die Festlegung der passenden GFSR für die jeweiligen Materialgruppen. In der Phase der Anbahnung werden die am besten geeigneten Lieferanten identifiziert und in der Vereinbarungsphase schließlich die Ausgestaltung und der Abschluss der vertraglichen Bedingungen bearbeitet.
Vorbereitung
Um für die Vorbereitungsphase materialgruppenspezifische Aussagen tätigen zu können, bedarf es im Vorfeld einiger Analyseschritte, die in der materialgruppenübergreifenden Sicht auf Ebene 1 des Modells zu bearbeiten sind. Zunächst müssen die Materialgruppen unter Anwendung der ABC-Analyse und einer Einschätzung des Versorgungsrisikos der jeweiligen Materialgruppe in das Materialportfolio überführt werden. Aus dem Materialportfolio lassen sich vier Materialkategorien ableiten. Materialgruppen können daher in Standardmaterial, Engpassmaterial, Hebelmaterial und strategisches Material eingestuft werden. Diese Einteilung ist wichtig, da sich für jede dieser vier Materialkategorien eine Normstrategie ableiten lässt, für die im Folgenden die materialgruppenspezifischen Ausprägungen der in Teil 1 der Beitragsreihe behandelten GFSR beschrieben werden.
Materialgruppenprofile: Konkretisierung der GFSR
Sobald die Materialgruppen den Materialkategorien zugeordnet und somit mit einer Normstrategie versehen sind, wird für die vier Materialkategorien die Ausgestaltung der GFSR vorgenommen. Dabei gilt die Ausgestaltung der GFSR einer Materialkategorie i. d. R. für alle dieser Materialkategorie zugeordneten Materialgruppen. Diese Tätigkeiten finden im Rahmen der Vorbereitungsphase der zweiten Ebene des Modells statt. In den folgenden Materialgruppenprofilen wird zwischen einer aktuellen Sourcing Strategie (Ist) und einer empfohlenen Sourcing Strategie (Soll) unterschieden. Die Beispiele stammen aus einem anonymisierten Praxisprojekt.
Laut Normstrategie soll Standardmaterial effizient beschafft werden. Die Reduzierung der Einkaufspreise ist sicher ein übergeordnetes Ziel der Beschaffung, allerdings ist im Bereich der Standardmaterialien mit einer höheren Ersparnis durch Prozesskostenreduzierungen zu rechnen. Es ist sinnvoll lange Wege zu vermeiden und tendenziell eher Lieferanten in geographischer Nähe zu wählen.
Materialgruppenprofil für ein Standardmaterial
Eine möglichst einfache Abwicklung sieht dabei auch die Fokussierung auf wenige Lieferanten vor. Im besten Fall gibt es für die üblichen Standardmaterialien auch nur einen einzigen Lieferanten. Eine Entwicklungseinbindung des Lieferanten ist für derartige Materialien nicht notwendig. Beschafft wird auf Einzelteilbasis, wobei die Einzelteile ein hohes Maß an Standardisierung aufweisen sollten. Die starke Mengenbündelung ergibt sich aus der Konzentration auf wenige bis einen Lieferanten. Gemeinsame Beschaffung mit Partnern ist auf Grund des geringen Wertes der Standardmaterialien nicht sinnvoll, wohingegen man sich überlegen kann, die gesamte Abwicklung der Beschaffung an einen Dienstleister abzugeben. Ein Beispiel hierfür wären Büromaterialschränke in verschiedenen Teilen des Unternehmens, die ein Dienstleister selbstständig auffüllt und somit jederzeit die Verfügbarkeit der Materialien gewährleistet. Eine Abrechnung kann beispielsweise durch monatliche Sammelrechnungen oder per Gutschriftenabwicklung durchgeführt werden.
Für Engpassmaterialien ist das oberste Ziel die Versorgung zu sichern. Um das Versorgungsrisiko zu reduzieren, sollte man auf die globalen Beschaffungsmärkte schauen. Die lokalen Märkte bieten für Engpassmaterialien in der Regel nur unzureichende Bezugsmöglichkeiten. Durch die Erweiterung der Lieferantenanzahl wird die Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten für Engpassmaterialien verringert. Es steht nicht der Einstandspreis des Materials im Vordergrund, sondern die Sicherung der Versorgung. Da es sich meistens um geringwertige Einzelteile handelt, ist eine Produktentwicklung eher nicht bedeutend. Durch Standardisierung von Engpassmaterialien kann eine Verringerung des Versorgungsrisikos erreicht werden.
Materialgruppenprofil für ein Engpassmaterial
Wo ein Engpassmaterial gegen ein Standardmaterial ausgetauscht werden kann, sollte es durchgehend gemacht werden. Eine Mengenbündelung wird sich für Engpassmaterialien nur schwer realisieren lassen. Eine gemeinschaftliche Beschaffung mit Partnern ist kaum möglich. Engpassmaterial ist oft zu unternehmensindividuell und dadurch kaum zu bündeln. Eine Möglichkeit der Zusammenarbeit mit einem Partner besteht in einem Dienstleister mit fundiertem Know-how fremder Beschaffungsmärkte. Das Auffinden neuer Bezugsquellen durch den Dienstleister kann das Versorgungsrisiko senken.
Die Normstrategie für Hebelmaterialien sieht vor, das vorliegende Marktpotenzial auszunutzen um die Preise zu reduzieren. Je weiter der zugrunde liegende Beschaffungsmarkt ausgedehnt wird, desto mehr Marktpotenzial kann erschlossen werden.
Materialgruppenprofil für ein Hebelmaterial
Für diese Art von Material wird demnach Global Sourcing betrieben. Um bestmögliche Einstandspreise zu gewährleisten, sollte nam Schluss der Verhandlungen ein einzelner Lieferant oder wenige Lieferanten ausgewählt werden. Es handelt sich in der Regel um relativ einfache Einzelteile, die möglichst standardisiert sein sollten, um eine bestmögliche Mengenbündelung zu gewährleisten. Nicht nur unternehmensweite Bündelungen sind dabei zu berücksichtigen, sondern auch Bündelungen über die Unternehmensgrenzen hinaus mit Kooperationspartnern. Dienstleister können ebenfalls durch ihr fundiertes Know-how über fremde Beschaffungsmärkte zum einen und durch gebündelte Mengen von ihren verschiedenen Kunden zum anderen den Kunden zu besseren Preisen verhelfen.
Materialgruppenprofil für ein strategisches Material
Der Schwerpunkt bei strategischem Material liegt im Aufbau einer Wertschöpfungspartnerschaft mit den jeweiligen Lieferanten. Ziel ist eine Win-win-Situation. Es macht Sinn für derart wichtige Materialien auf dem globalen Markt nach geeigneten Lieferanten zu suchen. Ist der passende Lieferant gefunden, wird zu ihm eine partnerschaftliche Single-Source-Beziehung aufgebaut, die oft eine tiefe Integration von Logistik und IT mit sich bringt. Die bezogenen Materialien sind oft komplexe Systeme, die das beschaffende Unternehmen gemeinsam mit dem Lieferanten entwickelt. Diese Materialien sollten die Charakteristik des Produkts widerspiegeln und sind daher tendenziell eher individuell und weniger standardisiert. Auf Grund der Individualität ist eine Mengenbündelung selten möglich. Ebenso werden andere Unternehmen in den wenigsten Fällen die gleichen Materialien benötigen, wodurch eine gemeinschaftliche Beschaffung keinen Sinn macht. Eine Partnereinbindung oder Dienstleisternutzung ist meistens nicht praktikabel.
Durch die konsequente Ausrichtung der allgemeinen GFSR an den in den Normstrategien beschriebenen Anforderungen der Materialgruppen wird die Basis für die konkrete Beziehung zum Lieferanten festgelegt. Es geht anschließend um die detaillierte Ausgestaltung der einzelnen Lieferantenbeziehung, z. B. die genaue Ausgestaltung von Global Sourcing für eine bestimmte Materialgruppe. Es ist mit den entsprechenden Materialgruppenprofilen und den zugeordneten GFSR für jede Materialgruppe der Rahmen festgelegt, innerhalb dessen die Beschaffung der Materialgruppe bestmöglich durchgeführt werden kann. Nachdem die GFSR detailliert festgelegt sind, geht es um die Auswahl der Beschaffungsprozesse für die Materialgruppen. Auch hierfür wird ein Modell, das sogenannte Process Features of Supplier Relations-Modell (PFSR-Modell), eingesetzt. Dieses Modell beschreibt die strategischen und operativen Beschaffungsprozesse.
Teil 3 dieser Beitragsreihe wird sich mit dem Thema PFSR (Process Features of Supplier Relations) beschäftigen und eine Vielzahl an unterschiedlichen Prozessmodellen vorstellen.
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