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Schritt für Schritt zum digitalen Einkauf

Process-driven Transformation (PdT)
Schritt für Schritt zum digitalen Einkauf

Einkaufsorganisationen können häufig nicht darauf zählen, dass große Transformations- oder Digitalisierungsstrategien budgetiert werden. Um den Digitalisierungsprozess auch mit einem begrenzten Budget vorantreiben zu können, bietet sich eine Process-driven Transformation an. Hierbei wird der gesamte Beschaffungsprozess zuerst in einzelne Teilprozesse zerlegt. So wird es möglich, Schritt für Schritt den gesamten Einkauf zu optimieren beziehungsweise zu digitalisieren, ohne dabei in Budget- oder Komplexitätsfallen zu laufen.

Die prozessgesteuerte Transformation ist ein PwC-Procurement-Ansatz zur Teilung einer Hauptaufgabe in logische Bausteine – komplexer und/oder hoch budgetierter Transformationsprojekte (Dekomposition). So wird beispielsweise das Procurement-Target-Operating-Model in sinnvolle, händelbare Projekte zerlegt. Das Zerlegen einer allumfassenden Optimierungsaufgabe ist erfolgsversprechend, da einzelne Fragestellungen in einer realistischen, einfachen Umgebung optimal gelöst werden, ohne dass diverse Parallel- oder Mamutaufgaben einer Lösung bedürfen.

Die Grundlage des PdT setzt auf einen klassischen mathematischen Ansatz auf, der aus dem Bereich des Operation Research stammt. Ist man nicht in der Lage, ein Optimierungsproblem in angemessener Zeit zu lösen, so bedient man sich der Heuristik, bei der man der optimalen Lösung möglichst nahekommt.

Die Analytiker dieser Welt werden behaupten, dass ein global übergeordnetes Optimum, das beispielsweise im Rahmen eines Target-Operating-Models verfolgt wird, so nicht erreicht werden kann. Dies ist definitiv richtig. ABER: Bei einer so komplexen Aufgabenstellung, in der viele einzelne Individuen agieren und Entscheidungen treffen, müssen viele Kompromisse eingegangen werden. Ein globales Optimum für das Unternehmen wird somit von subjektiven Restriktionen beschränkt, die in punktuellen Projekten gar nicht aufkommen würden. Dies führt dazu, dass die Erreichung eines möglichen globalen Optimums zeitlich und inhaltlich nur selten erreicht werden kann. Somit ist das Näherungsverfahren durch kleinere Projekte und Optimierungen durchaus vergleichbar, wenn nicht sogar besser im Ergebnis als die Durchführung eines vollständigen TOM-Ansatzes mit den subjektiven Beschränkungen.

Damit ist nicht gemeint, dass der Target-Operating-Model-Ansatz per se nicht richtig ist. In vielen Fällen ist eine vollständige, grundsätzliche Optimierung die deutlich bessere Lösung. Das ist bspw. bei Post Merger Integrationen oder Restrukturierungen der Fall. Die PdT bietet eine alternative Variante der schrittweisen Optimierung und hilft Unternehmen dabei, agil und flexibel durch die vollständige Transformation umzusetzen, ohne ein Budget- oder Komplexitätsproblem herbeizuführen. Das klingt erst einmal einfach, die entsprechende Vorgehensweise unterliegt aber drei wichtigen Rahmenbedingungen:

1. Es muss ein grundsätzliches Gesamtkonzept existieren

2. Das Konzept muss teilbar sein

3. Jeder Abschnitt für sich muss messbar und damit bewertbar sein

Was bedeutet dies für den Einkauf?

PwC stellt ein Grundkonzept in Form eines U-Bahnfahrplans dar. Diese Darstellungsform ermöglicht es, grundlegende Einkaufsprozesse mit ihren Abhängigkeiten abzubilden. Damit existiert ein übergeordnetes Konzept, dem man möglichst nah kommen möchte. Idealerweise sind die Prozessschritte digital und effizient in der Abwicklung.

Dieses Gesamtkonzept lässt sich in mehrere Bausteine teilen und individuell optimieren, ohne das übergreifende Bild aus den Augen zu verlieren. Das Fundament der Prozesslandschaft ist der klassische Purchase-to-Pay-Prozess (P2P). Dieser ist Dreh- und Angelpunkt – denn ohne Bedarf kein Einkauf. An dem Bahnhof Product Varification überschneiden sich drei Prozesse – neben dem P2P-Prozess ist auch die Einkaufsstrategie sowie der Source-to-Contract-Prozess (S2C) von Relevanz. Hier wird entschieden, ob erforderliche Artikel systemseitig hinterlegt sind, ob erforderliche Stammdaten vorliegen und ob der Prozess mit der entsprechenden Warengruppenstrategie im Einklang ist. Sind relevante Daten nicht vorhanden, wird der Source-to-Contract (S2C) angestoßen. Von der sachgerechten Definition des Bedarfs über die kompetitive Marktabfrage bis hin zur Vergabe und Vertragsfinalisierung wird der Grundstein gelegt, um zukünftige Bedarfe über den P2P-Prozess abzuwickeln.

Der Bahnhof „Contracts“ bildet den Dreh- und Angelpunkt für den Vertrags- sowie den Lieferantenmanagementprozess – abzulesen anhand der roten und grünen Linien. Nach Vertragsfinalisierung wird der Vertrag freigegeben, im System hinterlegt und systemisch archiviert. Parallel hierzu wird der Lieferant in den Einkauf sowie Fachbereich eingephast. Mit dem ersten Wareneingang treffen der P2P-Prozess sowie das Lieferantenmanagement am Bahnhof „Goods Receipt“ aufeinander. Wichtige Kennzahlen, wie Liefermengenabweichung, Lieferqualität und Termintreue, werden ermittelt und zur Bewertung des Lieferanten an das Lieferantenmanagement adressiert.

Übergeordnet werden alle Einkaufsaktivitäten von dem Strategieprozess beeinflusst und kontrolliert. Ausgehend von internen und externen Daten sowie der Unternehmensstrategie werden Einkaufs- und Warengruppenstrategien entwickelt, umgesetzt, kontinuierlich re-evaluiert und angepasst.

Es bleibt die Frage der Messbarkeit. Aus den folgenden drei Gründen ist eine solche Forderung elementar für die Anwendung des PdT:

1. Priorisierung und Bewertung der Maßnahmen

2. Effektmessung zum Abschluss der Maßnahme

3. Tracking der Nachhaltigkeit durch ein Controlling

Um eine erste Bewertung vorzunehmen, ist es sinnvoll, die einzelnen Haltestellen und Bahnhöfe in deren spezifischen Dimensionen zu analysieren und zu bewerten. Dabei werden Warengruppenstrukturen, Reifegrade, klassische Einkaufshebel, E-Solutions und Ähnliches einbezogen. Die daraus resultierenden Stärken und Schwächen werden transparent und messbar gemacht. PwC erstellt für diese Logik eine sogenannte „Heat-Map“ und gibt Potenziale für den Einkauf aus. Da hier die Prozesse vollständig miteinbezogen werden, ist immer ein TCO-Ansatz im Vordergrund und bezieht sich nicht ausschließlich auf die Einkaufsbedingungen.

Mithilfe der Heatmap lassen sich die starken und kritischen Prozesselemente visualisieren. Auf dieser Basis wird ein Umsetzungsplan zur Hebung von Potenzialen erarbeitet. Dieser basiert auf quantitativen sowie qualitativen Prioritäten und resultiert in der Umsetzung der Maßnahmen.

Transformation mithilfe der Heatmap

Ein Unternehmen der Chemieindustrie akquiriert erfolgreich ein Konkurrenzunternehmen. Das Unternehmen passt perfekt in das Produktportfolio. Bei einem Workshop finden sich Einkäufer aus beiden Unternehmen zusammen, um die nächsten gemeinsamen Schritte zu definieren. Die Beteiligten arbeiten strukturiert den U-Bahn-Fahrplan ab. Dabei stellt sich heraus, dass gewisse Bereiche dringende Optimierungspotenziale aufweisen (die roten Bereiche einer Heatmap), während andere weniger stark priorisiert werden (gelb/orange). In dem Bereich der Spend Analytics wird beispielsweise identifiziert, dass hinsichtlich bestehender Vendoren Gemeinsamkeiten, aber auch grundlegende Unterschiede zu erkennen sind. Eine Detailanalyse wird allerdings deutlich dadurch erschwert, dass beide Unternehmen unterschiedliche ERP-Systeme, mit unterschiedlichen Attributen und Klassifizierungen nutzen. Dieselben Lieferanten können aufgrund unterschiedlicher Schreibweisen nicht gemappt werden oder können auf Mutter-Lieferanten-Ebene nicht zugeordnet werden. Basierend auf dieser Erkenntnis wird ein Maßnahmenkatalog geschnürt, der die folgenden kurzfristigen Optimierungsbereiche beinhaltet:

  • Analytik der Datenlage (Data Analytics)
  • Identifizierung des Produkt- und Warengruppenportfolios
  • Eingruppierung von Lieferanten

PwC biete ein erprobtes dreistufiges Verfahren an, um anhand von Einkaufsdaten strukturierte Erkenntnisse abzuleiten. Im ersten Schritt werden aus allen ERP-System FI/CO und MM-Daten abgezogen und mit intelligentem Algorithmus aufgearbeitet, angereichert und harmonisiert. Im zweiten Schritt werden die Daten ausgewertet, anschaulich in PowerBI visualisiert und für den Kunden zugänglich gemacht. Hieraus können Erkenntnisse wie bspw. die Ist-Situation auf Lieferanten- und Warengruppenebene sowie mögliche Ableitungen zum Harmonisierungspotenzial entwickelt werden. Im letzten Schritt wird die Datensicht mit dem Know-how von Einkaufsberatern ergänzt, um so weitere Hebel auf Produkt-, Lieferanten- und Warengruppenebene zu identifizieren.

Es wird deutlich, dass nach dem Abschluss der Kurzfristthemen aus einer Langzeitperspektive die folgenden Themen anzugehen sind: Zentralisierung/Harmonisierung von Bestellsystemen, Einführung eines Lieferantenklassifizierungssystems.

Mittels dieser Vorgehensweise werden Abhängigkeiten auf dem U-Bahn-Fahrplan transparent: Während Data Analytics zum aktuellen Zeitpunkt den Fokus darstellt, werden weitere Haltestellen, mitunter das Lieferantenmanagement (SRM) sowie das Bestellsystem (P2P) tangiert.

Innerhalb eines fünf Personen starken Einkaufsteams sind die Aufgaben der Einkäufer in operative und taktische Aufgaben unterteilt. Die Einkäufer kümmern sich um die Bestellauslösung, die Rechnungsprüfung, Ad-hoc-Themen sowie die Optimierung von Standard-Katalogen (Kern- und Randsortimente), während auch Freitextbestellungen eine Rolle spielen. Das Unternehmen verzeichnet ein stetiges Wachstum in Höhe von rund 30 Prozent. Der gleiche Trend ist hinsichtlich des Bestellvolumens sowie der Anzahl der Bestellungen zu verzeichnen.

Der Einkauf klagt über enorme operative Mehrarbeit und sogar Überlastung. Taktischen Aufgaben kann nicht nachgegangen werden. Darunter verschlechtert sich auch die Kostensituation, sowohl aus Prozess-, als auch aus Materialkostensicht.

In diesem Beispiel steht der Purchase-to-Pay Prozess im Vordergrund. Er weist den roten Bereich unserer Heatmap auf. Dabei werden den einzelnen Haltestellen dieses U-Bahnstrangs unterschiedliche Optimierungsprioritäten zugesprochen.

PwC unterstützt seine Kunden bei der Auswahl und Implementierung geeigneter E-Procurement-Partner. Wir bringen ein Partnernetzwerk mit, das den individuellen Anforderungen unterschiedlichster Kundenstrukturen gerecht wird. Die Ausschreibung erfolgt compliance-sicher. Klassischerweise resultiert daraus ein elektronisches Katalogsystem, das die Möglichkeit bietet, zentralisiert und prozessoptimiert einzukaufen. Über E-Procurement-Lösungen werden direkte sowie Beschaffungskosten reduziert. Es wird Transparenz in Form des klassischen Spendcubes maximiert, es entstehen Freiräume für taktische und strategische Aufgaben. Nicht zuletzt werden Abläufe nachvollziehbar und revisionssicher. Das Beste für den Enduser: POs werden nun Amazon-like ausgelöst und erfordern keinerlei Papier.

In diesem Beispiel erstreckt sich der Maßnahmenkatalog entlang des Bestellprozesses. Die Auswahl und Implementierung eines E-Procurement-System stellt dabei die Spitze der Zielpyramide dar. Genehmigungs- und Rechnungsfreigabeprozesse werden weniger stark priorisiert, werden aber unmittelbar von einer einheitlichen Systemlandschaft und den digitalen Prozessen beeinflusst. E-Procurement-Systeme sind modular zu betrachten. Neben dem klassischen Beschaffungsprozess unterstützen sie beispielsweise auch das Supplier-Relationship-Management sowie das Contract Management. Auch in diesem Fall zwei Aspekte, die es gilt zeitversetzt anzugehen. Die Einführung entsprechender Lösungen kann 8 bis 12 Wochen dauern. Entsprechende Investitionen können sich im xx-stelligen Bereich bewegen und machen sich innerhalb von kürzester Zeit bezahlbar.

Um es abschließend nochmals auf den Punkt zu bringen – der PwC-Procurement-Ansatz sieht eine prozess-gesteuerte Transformation vor. Auf diese Weise werden einzelne Baustellen des Einkaufs in eine sinnvolle Optimierungsrangliste gebracht und aufeinanderfolgend optimiert. Das mindert die Komplexität und erleichtert Budget-Fragen. Auf diese Weise ist es möglich den Spagat zwischen den als kritisch angesehenen Kurzfristeinmaloptimierungen und der totalen Digitalisierungstransformation zu meistern.


Der Autor

Dr. Jan Joachim Herrmann

Seit dem 1. Januar gehört Dr. Herrmann dem Management Consulting Team der PwC an. Sein Werdegang startete in Bielefeld, wo er im Bereich Operations Reasearch und Supply Chain Scheduling promovierte. Nach seiner akademischen Ausbildung startete er bei BrainNet (ab 2012 KPMG) im Bereich der Einkaufsberatung als Consultant. Zuletzt gründete er in der Kerkhoff Group eine Einheit für einen Managed-Service-Ansatz im Indirekten Einkauf für mittelständische Unternehmen. Sein Kernfokus liegt dabei auf dem Outsourcing klassischer Einkaufsprozesse sowie der Implementierung von Einkaufssystemen, wie E-Procurement- oder E-Sourcing-Lösungen.


Die process-driven Transformation ermöglicht eine strukturierte Transformation in kleinen Schritten, die im Ziel eine vollständige Optimierung des Einkaufs ermöglicht.“


Dr. Jan Joachim Herrmann,
Management Consulting, PwC

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