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Die Musterfeststellungsklage: Fortschritt für den Verbraucher?

Buchrezension
Die Musterfeststellungsklage: Fortschritt für den Verbraucher?

Die Musterfeststellungsklage ist etwas völlig Neues in der deutschen Rechtsordnung. Sie eröffnet jedem Verbraucher einen Weg zu seinem Recht – schon wenn es um vergleichbar geringe Einzelforderungen geht, die 50 oder mehr Verbraucher betreffen. Das Gesetz ist am 1. November 2018 in Kraft getreten. Das Wissen darüber ist jedoch gering. Es liegt nun eine überschaubare Zahl von Einführungen vor, die einen ersten Überblick über dieses neue Rechtsinstrument geben.

Mit dem neuen Gesetz erfüllt der Gesetzgeber das im Koalitionsvertrag aufgestellte Ziel, die Rechtsdurchsetzung für Verbraucher zu verbessern. Erklärtes Ziel der Gesetzesinitiative und auch der dabei an den Tag gelegten Eile war es insbesondere, die drohende Verjährung etwaiger Ansprüche zum Jahresende 2018 der von der Abgasthematik betroffenen Verbraucher zu hemmen. Es lohnt sich für Verbraucher und auch kleine Unternehmen, die wie viele andere gleichartig von einem Unternehmen geschädigt wurden, sich mit dem neuen Rechtsinstrument zu befassen.

Basiswissen zur Musterfeststellungsklage

Für den eiligen Leser empfiehlt sich die Lektüre der preiswerten knapp 50-seitigen Broschüre von Andreas Gängel und Timo Gansel. Wer tiefer einsteigen will und auch juristischen Sachverstand mitbringt, kann auf das ausführliche Praxishandbuch von Christian Nordholtz und Martin Mekatt zurückgreifen.

Gängel und Gansel betonen, dass die Musterfeststellungsklage eine neue interessante Option sei. Dies gelte vor allem dann, wenn ein unüberschaubar hohes Prozesskostenrisiko Verbraucher davon abhalte, ihre Schadensersatz- oder Erstattungsansprüche individuell zu verfolgen. Immerhin sei die „Einefüralle-Klage“, die ein Verbraucherschutzverband führe, für die Geschädigten kostenfrei. Die Anmeldung in einem Klageregister, das beim Bundesamt für Justiz geführt wird, genüge, um am Ende des Verfahrens an einem interessanten Vergleich oder einem Urteil zu partizipieren.

Die vorliegende Broschüre vermittelt verständlich und anschaulich Basiswissen über die Musterfeststellungsklage. Sie geht auf ganz praktische Fragen ein wie: Wer kann wie an der Musterfeststellungsklage teilhaben? Bei welchen Schäden ist eine Musterfeststellungsklage möglich? Welche Musterfeststellungsklage ist die richtige, wenn es mehrere Klagen gibt? Wann sollte man noch individuell klagen, auch wenn es eine Musterfeststellungsklageklage gibt? Wie lange dauert das Verfahren, und wie endet es?

In ihrem Praxishandbuch, das sich in erster Linie an Juristen aber auch an Verbraucher mit juristischem Sachverstand wendet, haben es sich die beiden Herausgeber Christian Nordholtz und Martin Mekat zusammen mit erfahrenen Prozessanwälten zum Ziel gesetzt, die neuen gesetzlichen Regelungen gründlich aufzuarbeiten und eine Orientierungshilfe für den praktischen Umgang mit der neuen Klageart zu geben.

Sie führen den Leser durch die verschiedenen Verfahrensabschnitte des Musterfeststellungsprozesses. Dies beginnt mit der Prüfung der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen und setzt sich fort mit den Feststellungszielen. Für den Verbraucher dürfen aus dem Musterfeststellungsurteil keine unmittelbaren Leistungsansprüche erwachsen(!) Vielmehr werden im Prozess lediglich tatsächliche und rechtliche Feststellungen getroffen, die in einem möglichen Folgeprozess des Verbrauchers dann zugrunde zu legen sind. Die Feststellungen des Musterurteils sind jedoch nur dann bindend für den Folgeprozess, wenn der Verbraucher seine Ansprüche zuvor wirksam zum Klageregister angemeldet hat. Dies ist keine triviale Aufgabe, wie die Autoren erläutern.

Das Werk geht auch auf die Varianten der Beendigung des Musterfeststellungsverfahrens durch Urteil oder durch Vergleich. Ob es in der Praxis wirklich zu der vom Gesetzgeber gewollten zügigen Umsetzung von Ansprüchen kommt, muss sich erst noch zeigen. Die Experten befürchten, dass dies länger dauern werde in Anbetracht der Komplexität der Verfahren und auch der Revisionsmöglichkeiten.

Aufarbeitung der neuen Regelung

Auch das vom Gesetzgeber präferierte Konzept eines Mustervergleichs sei nicht unproblematisch. Nach der gerichtlichen Genehmigung des Vergleichs stehe jedem angemeldeten Verbraucher ein Austrittsrecht zu. Falls mehr als 30 Prozent der angemeldeten Verbraucher wirksam ihren Austritt erklären, muss das Gericht die Unwirksamkeit des gesamten Vergleichs feststellen.

Fazit: Die Lektüre beider Schriften lohnt sich. Am besten im Doppelpack lesen!

Prof. Dr. Robert Fieten,
fachlicher Berater der
Beschaffung aktuell,
Köln

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