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Auf dem Radarschirm

Risikomanagement in volatilen Zeiten
Auf dem Radarschirm

Finanzkennzahlen, Gefahren aus der Supply Chain und die Lieferanten- kenntnis der Einkäufer ergeben ein strukturiertes Verfahren zum Risiko- management. Lieferanten, die schwächeln, geraten auf den Radarschirm und lösen Gegenmaßnahmen aus.

Erdbeben in Japan, Aschewolke über Island, Hurrikans in Amerika und Hochwasser in Asien: Die Auswirkungen von Naturkatastrophen auf global tätige Unternehmen sind immens. Im Risikomanagement sind jedoch nicht nur solche, in den Medien diskutierten, „exogenen“ Risiken von Bedeutung, sondern vor allem auch Risikofaktoren, die schwerer zu greifen sind.

So spüren viele Unternehmen beispielsweise noch immer die Folgen der Finanzkrise. Entsprechend wichtig ist es oftmals für sie, eine möglichst gute Working-Capital-Struktur aufzuweisen. Auf Seiten der Supply Chain bedeutet das: geringe Bestände. Dieser Effizienz-Fokus macht Supply Chains aber auch deutlich anfälliger für Risikoereignisse, insbesondere wenn die Lieferanten global und die Lieferketten komplex sind.
Erst eine Betrachtung des gesamten „Risiko-Netzwerks“ mit all seinen Beziehungen, Abhängigkeiten und Rahmenbedingungen wird den heutigen Bedingungen gerecht. Die steigende Volatilität der Märkte und der Ereignisse verstärkt den Handlungsbedarf. Umgekehrt erreichen auch die Auswirkungen innerhalb des Unternehmens eine neue Dimension: Ausfälle in der Supply Chain haben stark negative Folgen für die Profitabilität des Gesamtunternehmens. Eine Studie der University of Western Ontario zeigt, dass in solchen Fällen das Wachstum im Folgejahr nach dem Supply-Chain-Ausfall um sieben Prozent abnimmt und die Kosten um elf Prozent steigen. Zum Aufbau eines erfolgreichen Risikomanagements gehört die Implementierung eines umfassenden Risikomanagementansatzes.
A. Risikoidentifizierung Die strukturierte Risikoidentifizierung umfasst
  • 1. Risiko auslösende Faktoren,
  • 2. Risikoauswirkungen im Risikoeintrittsfall (häufig auch über den dann nötigen Kompensationsaufwand beschrieben).
Auf Seiten des Lieferanten werden die Risiko auslösenden Faktoren unterteilt in Faktoren der Finanzwelt, der Wertschöpfungskette, der Supply Chain sowie exogene Faktoren. Spielen auf der Finanzseite Risiken rund um Umsatz, Kapital, Cashflow und Kosten eine zentrale Rolle, geht es bei der Supply Chain um Risiken von dem Lieferanten über die eigene Wertschöpfung bis hin zum Vertrieb und Kundenmarkt. In einer weiteren Differenzierungsebene unterscheidet man die auslösenden Faktoren nach strukturellen Schwächen und akuten Risiken. Strukturelle Schwächen können in der Zukunft zu Problemen führen, lassen sich aber bereits heute analysieren. Ein Beispiel dafür ist der schleichende Abbau des Anlagevermögens durch nicht hinreichende Instandhaltungsmaßnahmen. Bei akuten Risiken ist hingegen die Schieflage bereits eingetreten und birgt weitere Risiken.
Neben der Eintrittswahrscheinlichkeit der Risiken sind die Auswirkungen im Eintrittsfall von Bedeutung. Da letztere in der Regel einfacher zu bewerten sind, ist es ratsam, mit der Einschätzung der Wechselzeiten und der Wechselkosten bei einem Lieferantenausfall zu beginnen. Zu betrachtende Auswirkungen sind z. B.
  • direkte Preisunterschiede, Wechselkosten („total cost“), obsolete Investitionen
  • das Nicht-(mehr-)Einhalten der (Produkt-)Anforderungen des Kunden
  • Verlust von Gewährleistungsansprüchen
  • Know-how-Verlust
  • Gefährdung der eigenen Marktposition bei Produkten mit Differenzierungseigenschaften
  • Folgerisiken durch überstürzte Auswahl eines Ersatzlieferanten
B. Risikominimierung Mit konkreten Maßnahmen sollen sowohl die Eintrittswahrscheinlichkeit der erkannten Risiken minimiert, als auch die Auswirkungen im Risikoeintrittsfall reduziert werden. Eine zentrale erste Maßnahme ist die Einführung eines strukturierten bereichsübergreifenden Risikomanagements.
C. Verankerung Großen Einfluss auf den Erfolg des Risikomanagements hat die übergreifende Verankerung im Unternehmen. Dies kann beispielsweise über ein crossfunktionales Risiko-Board erfolgen, über einen Chief Risk Officer oder in Person des Chief Operating Officers. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Situation bereichsübergreifend analysiert und gemeinsam sowie koordiniert gehandelt wird, inklusive Beteiligung des Einkaufs. So nimmt der Einkauf heute immer öfter an Sales & Operations Planning Meetings teil. Ziel ist es, dem Einkauf so Informationen aus erster Hand zu vermitteln.
Mit der Implementierung eines Risikomanagementsystems ließen sich bei einem Hersteller von Investitionsgütern nachweislich deutlich erfolgreichere Risikobewertungen der Lieferanten durchführen, als es die Bewertung durch typische Wirtschaftsauskunfteien ermöglichte. Schließlich werden nicht nur vergangenheitsbasierte Informationen, sondern auch strukturell verankerte Risikofaktoren und akute Probleme einbezogen. Neben Finanzkennzahlen werden Risiken aus der Supply Chain verwendet und die Lieferantenkenntnis der Einkäufer über ein strukturiertes Verfahren eingebunden.
Zunächst brachten die Auswirkungen im Risikoeintrittsfall den Lieferanten auf den Radarschirm: Es lag eine „Single Source“-Situation vor mit Wechselzeiten von über neun Monaten. Die detailliertere Bewertung der Risiko auslösenden Faktoren ergab ein erhöhtes Risiko beim Fremdkapitalanteil, kombiniert mit einem geringen EBIT/Verbindlichkeiten. Neben diesen strukturellen Schwächen gab es akute Warnsignale hinsichtlich Zahlungserhalten und Berichte über Kurzarbeit. Die Betrachtung der Risiko auslösenden Faktoren zeigte eine hohe Abhängigkeit von kritischen Sublieferanten. Auch steckten einige Kundensegmente in der Krise. Verstärkt wurde das Risiko durch die geringe Flexibilität in der Produktion, die als anfällig gegen Volatilität eingestuft wurde. Im Gegensatz zur guten Bewertung einer der bekannten Auskunfteien führten diese Risikoindikatoren zur Einleitung von Maßnahmen: dem zügigen Aufbau eines Ersatzlieferanten. Nicht zu früh, denn ein Jahr später ging der betrachtete Lieferant insolvent.
Fazit: Erfolg und Risiko hängen heute enger zusammen als je zuvor. Nur wer das versteht und umsetzt, kann Risiken managen und gestärkt daraus hervorgehen.
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