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Generative Artificial Intelligence (AI) im Einkauf

Generative Artificial Intelligence (AI) im Einkauf
Der Game-Changer für das Procurement-Endgame

Der Game-Changer für das Procurement-Endgame
Roland Berger richtet gemeinsam mit SAP jährlich den Intelligent Spend Management (ISM) Award aus: Auszeichnungen für die innovativsten digitalen Lösungen im Bereich Procurement. Für diesen Artikel wurde mit Mitgliedern der Jury des Awards gesprochen. Bild: AREE/stock.adobe.com
Die Entwicklung technologischer Automation im Einkauf erreicht mit GenAI einen entscheidenden Wendepunkt. GenAI ermöglicht nicht nur die Automatisierung von Aufgaben, sondern auch die Generierung kreativer Inhalte auf Grundlage von Daten. Dieser Paradigmenwechsel erfordert eine Neuausrichtung, die Entwicklung einer neuen Strategie zur Vorbereitung auf eine AI-basierte Zukunft.

Die Entwicklung technologischer Automation ist bemerkenswert: Von regelbasierter Automation, bei der Maschinen Aufgaben anhand vordefinierter Regeln ausführen, über Predictive Analytics, bei der statistische Modelle die Zukunft vorhersagen, bis hin zur kognitiven Automation, bei der mithilfe von Robotic Process Automation (RPA) und künstlicher Intelligenz (KI) Daten analysiert und Entscheidungen getroffen werden.

Der November 2022 stellt eine Zäsur technologischer Entwicklung dar, als OpenAI mit ChatGPT ein System präsentierte, das Generative AI (GenAI) auf Basis von Large Language Models (LLMs) für die breite Öffentlichkeit verfügbar machte. Während sich frühere Technologien auf die Bereitstellung von Daten (z. B. über digitalisierte Prozesse und Data Lakes) oder auf die Kommunikation mittels Daten (z. B. über Chatbots) konzentrierten, geht GenAI einen Schritt weiter und fokussiert sich auf das Erzeugen neuer Inhalte mittels Daten, indem sie menschenähnliche kreative Fähigkeiten aufweist.

GenAI entwickelt sich zu einem echten Game-Changer im Einkauf, da somit die Technologie in der Lage ist, Aufgaben menschenähnlich, gleichzeitig und mit deutlich höherer Geschwindigkeit rund um die Uhr auszuführen. Der daraus resultierende Effizienzgewinn optimiert gleichzeitig die Produktivität und die Einkaufsergebnisse (z. B. über die häufigere und verbesserte Durchführung von Sourcing-Events und Lieferanteninteraktionen).

Die Bedeutung von GenAI im Einkauf

Bei der Digitalisierung von Beschaffungsprozessen standen in den letzten zwei Jahrzehnten Begriffe wie Source-to-Contract und Purchase-to-Pay, Spend-Analyse, digitales Vertragsmanagement und Lieferantenportale ganz oben auf der Agenda von CPOs. In den letzten Jahren sind NLP-Anwendungen (Natural Language Processing) wie Chat- und Verhandlungsbots hinzugekommen, die es ermöglichen, mittels natürlicher Sprache mit der Technologie zu interagieren (z. B. Fragen zu stellen oder Aufgaben zu erteilen).

Nun ermöglichen GenAI-Anwendungen die Erstellung neuer Inhalte auf Grundlage vorhandener Daten. Durch die generative Automatisierung von Aufgaben und dem damit verbundenen Gewinn an Wissen und Transparenz haben CPOs die einzigartige Möglichkeit, ihre Einkaufsorganisation in sechs Dimensionen auf ein neues Niveau zu heben:

  • Effizienzsteigerung – durch Prozessautomatisierung und vereinfachte Durchführung von Beschaffungsaufgaben, wie Strategieentwicklung, Ausschreibungs- und Vertragsmanagement oder Verhandlungsvorbereitung
  • Produktivitätssteigerung – durch die Entlastung von MitarbeiterInnen von alltäglichen Aufgaben und die Möglichkeit, sich stärker auf wertmaximierende Tätigkeiten zu konzentrieren, wie eine leistungsbasierte Lieferantenentwicklung
  • Innovation – durch die Analyse von Markttrends, die Entwicklung alternativer Materialspezifikationen und AI-gestützte Ideation-Plattformen
  • Risikominderung – durch GenAI-gestützte Frühwarnsysteme, Bewertung von Risikoszenarien und Entwicklung von Plänen zur Risikominderung
  • Ausgabensenkung – durch verbessertes Wissensmanagement, optimierte Beschaffungsentscheidungen und beschleunigte Beschaffungsverfahren
  • Nachhaltigkeit und Compliance – durch Echtzeit-Analyse des CO2-Fußabdrucks und Überwachung der Compliance von P2P-Prozessen

Anwendungen zum Start

Welche Anwendungsfälle sollten Unternehmen ins Auge fassen, wenn sie GenAI effektiv und schnell für sich nutzen wollen? Als Ausgangspunkt sollte GenAI genutzt werden, um mithilfe von LLMs umgehend Wissen und Ideen zu generieren und gleichzeitig die Transparenz von unternehmensinternen Daten sowie Knowhow zu steigern. Im nächsten Schritt sind verschiedene LLM-Anwendungen denkbar, die dieses Netzwerk aus Daten und Wissen verwenden, um z. B. Prozesse zu analysieren und zu optimieren (GenAI-gestützte Prozessanalyse), Bestands- und potenzielle Neulieferanten zu evaluieren oder Risiken abzuschätzen. Mit GenAI kann der Einkauf komplexe Geschäftsaktivitäten rasch bewerten und künftige Marktentwicklungen prognostizieren. Der große Sprung nach vorne besteht darin, dass die Technologie in der Lage sein wird, selbstständig bereits kleinste Abweichungen auf dem Beschaffungsmarkt zu erkennen, die von den meisten traditionell agierenden Wettbewerbern unbemerkt bleiben.

Das Procurement-Endgame

Den Einkauf, so wie wir ihn kennen, wird es zukünftig nicht mehr geben. Die Einsatzmöglichkeiten von GenAI sind nahezu grenzenlos und Beschaffungsorganisationen können Large Language Models (LLMs) als neuartige „allwissende digitale Kollegen“ nutzen. Dies erfordert neue Arbeits- und Denkweisen und damit einhergehend auch ein komplett überarbeitetes Operating Model im Einkauf. Vor allem stark text- oder dokumentenbasierte und repetitive Aufgaben können durch LLM-Agenten ersetzt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der künftigen Rolle der Einkaufs: Dieser kann als maximal „effiziente Maschine“ zur Erledigung standardisierter Aufgaben aufgestellt werden oder eine strategische Schlüsselrolle als „Wertgenerator“ einnehmen. Aus der Beantwortung dieser Frage ergibt sich, in welchem Ausmaß technologische Anwendungen Aufgaben übernehmen, die bisher dem Menschen vorbehalten waren.

Eines ist sicher: Traditionelles strategisches Warengruppenmanagement, Marktanfragen, Verhandlungen und operative Prozesse sowie unterstützende Aktivitäten wie Ausgabenanalyse, Beschaffungscontrolling, Risiko- und Vertragsmanagement benötigen künftig bedeutend weniger Ressourcen. Herkömmliche Rollen und Funktionen müssen an die neue Normalität einer AI-befähigten Umgebung angepasst werden. Schwerpunkte und Aufgaben werden sich verschieben und neue Fähigkeiten werden notwendig sein. So werden zum Beispiel klassische Rollen wie Warengruppenmanager, taktische Einkäufer oder Beschaffungscontroller zu strategischen Beziehungsmanagern, LLM-Operatoren, Data Scientists oder Prompt-Engineers, um GenAI effektiv zu nutzen.

Durch die vollständige Implementierung und Integration von GenAI können CPOs mit nur 50 bis 75 Prozent der Ressourcen bessere Einkaufsergebnisse erzielen. In jedem Fall müssen CPOs ihr „right to play“ hinterfragen und ihre Rolle neu definieren.

Der Weg in eine AI-basierte Zukunft

Der Einsatz von GenAI wird die Arbeitsweise in der Beschaffung grundlegend verändern, sei es durch die weitgehende Automatisierung von Prozessen, die kreative Ideenentwicklung oder die schnelle und zuverlässige Erledigung von Aufgaben. Unternehmen, die diesen Weg zügig beschreiten wollen, empfehlen wir folgende Schritte:

1. Neuausrichtung des Ziel-Operating Models: Überlegen Sie, wo Ihre Beschaffungsorganisation im Spektrum zwischen „effizienter Maschine“ und „Wertgenerator“ angesiedelt sein soll. Im ersten Fall steht maximale Prozesseffizienz im Vordergrund und Technologie übernimmt große Teile der Funktion. Als „Wertgenerator“ werden sich neue Zielsetzungen für den Einkauf und somit neue Aufgaben für die Beschäftigen ergeben, z. B. in den Bereichen (Stakeholder/Supplier) Relationship Management, Innovation, Nachhaltigkeit und Lieferkettenexzellenz.

2. Entwicklung einer AI-Strategie und -Umgebung: Definieren Sie Anwendungsfälle für GenAI, erarbeiten Sie eine stringente AI-Strategie, und schaffen Sie eine darauf abgestimmte AI-Umgebung. Passen Sie parallel dazu Ihre IT-Infrastruktur an (z. B. Metadaten), um das Fundament für eine effektive, effiziente und konforme Nutzung von GenAI zu legen.

3. Entwicklung der Personalbasis: Als CPO haben Sie die Chance, Ihre Teams auf die neuen Ziele auszurichten und für einen kompetenten Umgang mit künstlicher Intelligenz fit zu machen. Hierfür müssen vorhandenes Personal weitergebildet, umgeschult sowie neue Kräfte mit den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten (z. B. auf den Gebieten LLM-Implementierung, Prompt Engineering und Data Science) eingestellt werden.

4. Stärkung und Erweiterung des Beziehungsmanagements: Intensivieren Sie das Management Ihrer Geschäftsbeziehungen, um dadurch zusätzliche Wertschöpfungspotenziale zu heben. Hierzu zählen sowohl interne Beziehungen, mit denen sich die funktionsübergreifende Kollaboration verbessern lässt, als auch externe Beziehungen zu wichtigen Lieferanten, um deren Bindung an Ihr Unternehmen zu stärken.

5. Engere Vernetzung mit internen Funktionen: Sorgen Sie für einen maximalen Informationsfluss entlang der einzelnen Funktionen, um z. B. aus den Erkenntnissen der Vertriebsseite Schlussfolgerungen für die Beschaffung ableiten zu können und umgekehrt.

Die Autoren:


Oliver Knapp

Senior Partner,
Roland Berger


Pieter Niehues

Partner,
Roland Berger


Christian_Mandl_[originalSize].jpgDr. Christian Mandl

Project Manager,
Roland Berger


 Dr. Pascal Engelmann

Senior Consultant,
Roland Berger

 

Bilder: Roland Berger

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