Startseite » Einkauf »

Interview mit Daniel Berneck:Deutschland als Vorreiter bei den Investitionen

Interview mit Daniel Berneck
Deutschland ist Vorreiter bei den Investitionen aus der EU

Malaysia bietet einen der interessantesten Beschaffungsmärkte der Region. Beschaffung Aktuell befragte den leitenden Direktor der AHK Malaysia Daniel Bernbeck in Kuala Lumpur, um ein genaueres Bild zu erhalten.

Beschaffung Aktuell: Welche Produkte in Malaysia sind für deutsche Unternehmen interessant?
Daniel Bernbeck: Malaysia ist vor allem für Abnehmer von Produkten der Elektrotechnik-, Elektronik-, Medizintechnik- und Halbleiterindustrie interessant. Daneben kommt das Land für Petrochemie- und Erdgasprodukte, pflanzliche Öle und Fette (insbesondere Palmöl) in Frage.

Beschaffung Aktuell: Welchen Unternehmen würden Sie zur einer Beschaffungspartnerschaft in Malaysia raten?
Bernbeck: Im Prinzip kommt Malaysia für alle deutschen Unternehmen in Frage, die Zulieferer aus den zuvor genannten Branchen und Produktbereichen suchen. Malaysia zeichnet sich dabei durch eine Reihe von Vorteilen aus: Englisch ist zweite Amtssprache und wird landesweit in der Industrie auf hohem Niveau gesprochen. Das Land verfügt über mehrere Industrie-Cluster, in denen sich bereits seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts internationale Industrieunternehmen angesiedelt und viele Zulieferer nachgezogen haben. Das Land ist auf HighTech fokussiert, verfügt über intensiven Außenhandel mit der ganzen Welt und fördert nachdrücklich den weiteren industriellen Fortschritt auf diesem Gebiet. Es verfügt über eine hoch entwickelte Infrastruktur, die weiter ausgebaut wird. Zudem wird landesweit schnelleres Internet als in Deutschland angeboten. Insbesondere Unternehmen, die den südostasiatischen Markt mit seinen über 600 Millionen Konsumenten beliefern wollen, können Malaysia als regionale Drehscheibe nutzen und zugleich von den Vorteilen der ASEAN-Zollunion und der ASEAN Economic Community (AEC) profitieren.

Beschaffung Aktuell: Gibt es neben den ansässigen deutschen Firmen malaysische Unternehmen mit internationaler Erfahrung? Wo erhält man Auskunft?
Bernbeck: Es gibt durchaus auch malaysische Unternehmen mit internationalen Lieferbeziehungen in verschiedensten Sektoren. Als deutsche Auslandshandelskammer in Malaysia sind wir die erste Anlaufstelle für Anfragen dieser Art und stehen selbstverständlich gern für Marktrecherchen, Geschäftspartnersuche und schlichte Adressauskünfte zur Verfügung. Die AHK Malaysia ist mit ihren Vorläuferorganisationen seit über 30 Jahren im Markt präsent und kann auch grenzüberschreitende Fragen kundenspezifisch beantworten.

Beschaffung Aktuell: Inwieweit sind malaysische Unternehmen für moderne Beschaffungsmethoden gerüstet (JIT, E-Procurement, Einkauf 4.0)?
Bernbeck: Einige Unternehmen, insbesondere mit internationalen Anteilseignern, rüsten aktiv auf moderne Beschaffungsmethoden und Vernetzung um. Daneben hat Malaysia eine Digital Free Trade Zone ins Leben gerufen, um seine perfekte geostrategische Lage und gute Infrastruktur für Unternehmen des E-Commerce einsetzen zu können. Großunternehmen wie Volkswagen nutzen inzwischen die Möglichkeiten Malaysias als Standort für die Lagerung und Distribution in den gesamten Asien-Pazifik-Raum – das zu deutlich günstigeren Konditionen als in Singapur.

Beschaffung Aktuell: Können Sie etwas zur Qualitätssicherung in Malaysia sagen?
Bernbeck: Selbstverständlich hat Malaysia auf den verschiedenen Sektoren Qualitätsstandards und öffentlich-rechtliche Zertifizierungssysteme, die sich an internationale Regelwerke anlehnen. Daneben finden sich fast alle bekannten internationalen Dienstleister auf dem Markt, die sicherstellen, dass Importe als auch Exporte den anerkannten Anforderungen entsprechen.

Beschaffung Aktuell: Gibt es staatliche Förderprogramme für Partnerschaften von malaysischer oder deutscher Seite?
Bernbeck: Es gibt Förderprogramme für Hochtechnologie-Investitionen vor allem von malaysischer Seite. Durch die Malaysian Industrial Development Authority (MIDA), mit der unsere Kammer eng kooperiert und die zudem für die direkte Kundenberatung über Außenstellen in München und Frankfurt verfügt, stehen eine ganze Reihe von Förderinstrumenten und -angeboten zur Verfügung. Von deutscher Seite werden aussichtsreiche Start-Ups in Südostasien über das Programm „German Accelerator“ gefördert. Diese können für bis zu fünf Monate Unterstützung beim Markteintritt erhalten.

Beschaffung Aktuell: Warum liegt Deutschland bei den Hauptliefer- und Abnehmerländern bisher nur auf den unteren Rängen? Insbesondere da schon langfristige Beziehungen mit Malaysia existieren.
Bernbeck: Malaysia pflegt durch seine koloniale Vergangenheit eine traditionell enge Beziehung zu Großbritannien. Dies zeigt sich insbesondere in der Wahl der Amtssprache Englisch, der Verwaltung und des Rechtssystem. Bei den Handelsbeziehungen ist der Einfluss asiatischer Investoren und Lieferländer, wie Japan und seit einigen Jahren auch China, vergleichsweise groß. Europa besitzt hier geografisch gesehen Nachteile. Deutschland ist vor allem für Hochtechnologie, Elektrotechnik und Maschinenbau interessant. Im internationalen Wettbewerb ist es nur einer unter vielen Anbietern und oftmals nicht der günstigste. Insofern verwundert es nicht, dass Deutschland nicht weit vorne liegt, wenn es um Zulieferer geht. In den letzten Jahren war Deutschland wenn es um Investitionen ging aber oft die Nummer 1 aus der EU. Malaysia liegt seit Jahren unter den Top30-Ländern weltweit, wenn es um Investitionsbedingungen und Ease-of-Doing-Business geht.

Beschaffung Aktuell: Wie wird sich der Regierungswechsel auf die Wirtschaft Malaysias auswirken?
Bernbeck: Es ist nach sechs Wochen noch zu früh, eine Prognose zu wagen. Allerdings blickt die Bevölkerung aufgrund des Regierungswechsels deutlich optimistischer und hoffnungsvoller in die Zukunft. Die neue Regierung genießt hohes Vertrauen, verfügt über ein enormes Maß an Sachverstand und Expertise und hat bereits aus Sicht der Wirtschaft die ersten Weichen in die richtige Richtung gestellt: Kostenkontrolle, Transparenz, Bekämpfung von Korruption und Vetternwirtschaft sowie Rückbau des Staatssektors sind nur einige Beispiele.

Beschaffung Aktuell: Können Sie konkreter auf Kultur- und Mentalitätsunterschiede eingehen?
Bernbeck: Malaysia ist zuallererst ein multiethnisches Land in Südostasien. Die Bevölkerung lässt sich im Wesentlichen in drei Volksgruppen aufgliedern: die fast ausnahmslos muslimischen (sunnitischen) Malayen mit ca. 60 Prozent der Bevölkerung, 26 Prozent chinesischstämmige und zehn Prozent indischstämmige Malaysier. Weiterhin leben hier Ausländer und Ureinwohner. Das Land ist nicht nur politisch seit den Parlamentswahlen eine der wenigen echten Demokratien in Asien, sondern seit vielen Jahrzehnten auch sonst sehr stabil, friedlich und ruhig. Religiös und kulturell bringt die Diversität eine uralte und tiefverankerte Toleranz gegenüber andersdenkenden und -glaubenden Menschen mit sich. Zugleich vermeidet man traditionell tunlichst Konflikte und frontale Kritik, Widerspruch und entsprechende Emotionen wegen des damit verbundenen Gesichtsverlusts.


Dirk Ruppik,
freier Journalist in Thailand

Unsere Webinar-Empfehlung
Aktuelles Heft
Titelbild Beschaffung aktuell 4
Ausgabe
4.2024
PRINT
ABO

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de