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Wie man die Gemeinkosten im Einkauf reduzieren kann

Gemeinkosten jetzt anpacken!
Diese Schattendisziplin birgt großes Potenzial

Diese Schattendisziplin birgt großes Potenzial
Einkaufsorganisationen mit einem höheren Reifegrad streben eine Senkung der Total Costs an. Beispiel: Man senkt nicht nur den Preis eines Bohrers im Like-for-like-Vergleich, sondern reduziert zugleich die Kosten des Bohrlochs. Bild: photocrew/stock.adobe.com
Das Gebot der Stunde lautet: Kosten senken! Aber bitte wohlüberlegt. Entlassung? Nein, das ist die letzte Option, weil Mitarbeiter früher oder später wieder gebraucht werden. Wer ehrlich nach innen schaut, merkt schnell, dass man gerade jetzt an der Gemeinkostenschraube drehen sollte – hier liegt viel Potenzial brach. Wir nennen Ihnen Erfolgsbeispiele aus der Praxis.

In der Krise gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und antizyklisch zu agieren. Das ist keine neue Erkenntnis, aber an der praktischen Umsetzung hapert es in der Regel. Da werden hektisch lieber erst einmal Investitionen zurückgestellt – man muss ja die Liquidität sichern. Auch die Fremdkosten treiben den Entscheidern den Schweiß auf die Stirn. Also: Dienstleistungsaufträge stornieren … bloß raus aus den Zusagen. Ohne Rücksicht auf die Situation der Partner. Aber macht es wirklich Sinn, das Rad ad hoc überall anzuhalten? Es geht schließlich auch darum, möglichst schnell wieder Power auf die Straße zu bringen, wenn sich die Krisenlage entspannt. Das bedeutet derzeit für den Einkauf beispielsweise: Anerkannt dringenden Support nicht kappen, denn der bleibt dringend. Auch Weiterbildungsmaßnahmen nicht stoppen, sondern auf „online“ umstellen. An Tools darf es jedenfalls nicht scheitern, es gibt längst bewährte, unkomplizierte Lösungen.

Satter Beitrag zum EBIT

Sind die größten Brandherde rund um Versorgungssicherheit eingedämmt, muss der operative Block in Angriff genommen werden. Gemeinkosten fallen umsatzunabhängig an. Je schlechter die Lage, desto höher sind die indirekten Kosten, zumindest relativ betrachtet. Der Einkauf ist Cost Center, aber mit Weitsicht eben auch Werttreiber. Er muss signifikante Einsparungen bei Stückkosten und Prozessen heben. Dabei hilft die Digitalisierung. Und Excel gehört nicht dazu! Welche Maßnahmen kommen infrage? Hier zwei Beispiele.

Beispiel in der Möbelindustrie: Werke in NRW, Umsatz: 500 Mio. Euro, Einkaufsvolumen: 300 Mio. Euro

Ausgangssituation: Küchenstudios waren mit der Versorgung mit Werbematerial unzufrieden.

Vorgehensweise: Aufnahme und Visualisierung des Prozesses zur Werbemittelversorgung; Ermittlung der realen Kosten jedes einzelnen Prozessschritts; Entwicklung eines schlanken und kostengünstigen Prozesses mit einem externen Dienstleister für die Werbemittelversorgung; Ausschreibung des neu definierten Prozesses; Implementation des neuen Dienstleisters.

Ergebnis: Senkung der Kosten für die Werbemittelversorgung um über 30 Prozent; Entlastung der internen Logistik und Vermeidung von Zusatzkosten in der Warenbereitstellung; Herstellung der Skalierbarkeit und damit der Variabilisierung der Kosten.

Ausblick: Umstellung der Werbemittelversorgung auf digitale Medien zur Reduzierung der Print-Auflagen und zur Sicherstellung einer höheren Aktualität der Unterlagen; Personalisierung der Ansprache der Küchenhäuser durch Verbindung von Werbemittelproduktion und CRM.

Beispiel Automobilzulieferindustrie: Werke in Hessen, Niedersachsen, Tschechien, Umsatz: 400 Mio. Euro, Einkaufsvolumen: 220 Mio. Euro

Ausgangssituation: Fertigungsnahe Dienstleistungen wie Zugangs- und Wachschutz, Reinigung und Facility Management werden von zahlreichen kleinen Dienstleistern erbracht, die faktisch nur operativ zu steuern sind; die Kulturen des Auftraggebers und der Dienstleister klafften immer stärker auseinander.

Vorgehensweise: Aufnahme aller erbrachten Dienstleistungen; Klassifizierung der Leistungen nach beschaffungsmarktadäquaten Gruppen; Erstellung von Katastern über die zu erbringenden Leistungen; Messung des bisherigen Aufwandes und der Produktivität; Definition der zu erwartenden Qualität der Leistungen; Definition sinnvoller, gebündelter Warenkörbe für eine Ausschreibung und Verhandlung; Vergabe an einen Ankerdienstleister und zwei weitere Spezialisten.

Ergebnis: Senkung der Kosten für die Leistungserbringung um 25 Prozent; Senkung des administrativen Aufwands um über 50 Prozent; Sicherstellung eines definierten Niveaus der Leistungserbringung; Vermeidung unnötiger Sonntagsarbeit mit verbundenen Zusatzkosten; Herstellung der Skalierbarkeit und damit Variabilisierung der Kosten durch Rahmenverträge mit Mengenstaffeln.

Ausblick: Implementation eines Objektmanagers aufseiten des Ankerdienstleisters; elektronisches Auftragstracking; weitere Steigerung des Kostenbewusstseins aufseiten der Kostenstellenverantwortlichen.

Pragmatischer Ansatz: Like-for-like

Die Optimierungsanstrengungen des Einkaufs werden nicht selten von den Fachbereichen torpediert – „hohe Zusatzkosten“ heißt es dort. Insbesondere mittelständische produzierende Unternehmen sollten pragmatisch vorgehen, wenn sie nachweislich über den Einkauf ertragswirksame Verbesserungen erzielen wollen. Um Stückkostenvorteile zu erreichen, bietet sich ein Like-for-like-Vergleich an. Dabei machen Kennzahlen unterschiedliche Wachstumsgrößen vergleichbar. „Man analysiert über den Preis hinaus auch immer die Rahmenbedingungen wie Losgrößen, Logistikkosten, Qualitätskosten und Versorgungssicherheit, um wirklich vergleichbare Angebote zu bekommen“, sagt GMVK-Consulting-Geschäftsführer Thomas Mademann. Einkaufsorganisationen mit einem höheren Reifegrad streben eine Senkung der Total Costs an. Beispiel: Man senkt nicht nur den Preis eines Bohrers im Like-for-like-Vergleich, sondern reduziert zugleich die Kosten des Bohrlochs, indem technologisch überlegene Bohrer mit höherer Standzeit bzw. Schnittgeschwindigkeit eingesetzt werden.

Aussagekräftige Stammdaten sind nötig

Eine große Herausforderung auf dem Weg zu Optimierungen sind laut Thomas Mademann nicht fehlende Kalkulationsmodelle allein, sondern die hinlänglich bekannte unzulängliche Qualität der Stammdaten: „Echte Digitalisierung lässt sich ohne aussagekräftige Stammdaten nicht realisieren. Nur wer in der Lage ist, die eigenen Bedarfe ausschreibungsfähig und technisch korrekt zu beschreiben, kann am Ende Like-for-like-Angebote oder gar technologisch überlegene Angebote identifizieren.“ Und erst dann könne der Einkauf auch zum anerkannten Werttreiber werden. Der Essener Kostenexperte rät Geschäftsführern, CFOs und Einkäufern, sich auf Einsparprojekte zu konzentrieren, die „ihr Geld selbst verdienen“. Das bedeutet im Klartext: „Honorieren Sie Ihren Dienstleister nach seinem tatsächlich realisierten Erfolg. Einsparprojekte müssen sich nach kurzer Zeit amortisieren.“ Danach sollte der ROI in der Regel bei sieben bis neun Monaten liegen und mit „absolut nachhaltigem Effekt“ auf das EBIT des Unternehmens durchschlagen.

Die einzelnen Positionen des großen Gemeinkostenblocks mögen – isoliert betrachtet – auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen. Erst die Gesamtbetrachtung macht den dringenden Handlungsbedarf deutlich – und damit die Potenziale. Einfache Formel: Ein produzierendes Unternehmen mit 100 Mio. Euro Umsatz hat bei entsprechender Fertigungstiefe ein Einkaufsbudget von 50 Mio. Euro (in bestimmten Branchen 80 Prozent und mehr vom Umsatz). Die Warengruppen „Indirekt, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Dienstleistungen“ machen etwa 20 bis 30 Prozent des Einkaufs aus. Das bedeutet zehn bis 15 Mio. Euro. Bei 15 Prozent Einsparungen, die in der Regel über alles mindestens zu erzielen sind, ergibt das 1,5 bis 2,25 Mio. Euro zusätzliches EBIT.


Die Autorin

Sabine Ursel, Journalistin, Wiesbaden

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