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CSRD: EU-Richtlinie setzt Industrie-Einkauf unter Druck

Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
EU-Richtlinie setzt Industrie-Einkäufer unter Druck

EU-Richtlinie setzt Industrie-Einkäufer unter Druck
Bevor Unternehmen entscheiden können, welche Strategien sich am besten für die Umsetzung der CSRD und Anwendung des ESRS eignen, lohnt es sich, den Status quo sorgfältig zu bewerten. Bild: wutzkoh/stock.adobe.com

Mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette: Ab 2024 intensivieren sich die Berichtspflichten gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU, was erhebliche Auswirkungen auf die Berichterstattung zur Beschaffung in Industrieunternehmen hat. Wie können sich Einkäuferinnen und Einkäufer darauf vorbereiten?

Die seit dem 5. Januar 2023 geltende EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erfordert von den Mitgliedsstaaten eine Umsetzung in nationales Recht innerhalb von 18 Monaten, also spätestens bis etwa Mitte 2024. Mit der Einführung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) werden die Berichtspflichten inhaltlich konkretisiert, vereinheitlicht und erweitert. Beispielsweise müssen Unternehmen auch über ihre Scope-3-Emissionen Bericht erstatten, also indirekte Emissionen entlang der Wertschöpfungskette, von Rohstoffabbau und -recycling über die Logistikkette bis hin zum Abfallmanagement. Die Folge für den Einkauf in Industrieunternehmen: Sie müssen nicht nur ihre eigenen Nachhaltigkeitsdaten erfassen, sondern auch die ihrer Lieferanten. Dies erfordert eine engere Zusammenarbeit, um den neuen Transparenzanforderungen gerecht zu werden und kann dazu motivieren, einen stärkeren Fokus auf nachhaltige Beschaffungspraktiken zu setzen.

Belastbare Daten durch Partnerschaften

Die Erweiterung des Anwendungsbereichs durch die CSRD auf große Unternehmen bringt ab 2025 deutlich mehr Unternehmen unter die Berichtspflicht. Laut einer PwC-Studie zur CSRD, bei der 170 Unternehmen befragt wurden, sind ab dem Geschäftsjahr 2024 58 Prozent und ab 2025 weitere 27 Prozent der befragten Unternehmen berichtspflichtig. Um effektiv zu berichten, kommt es darauf an, belastbare Daten zu gewinnen. Das ist nicht nur herausfordernd, wenn eigene Daten erfasst und aufbereitet werden sollen, sondern gilt umso mehr für Daten der Geschäftspartner. Besonders in Industrieunternehmen mit komplexen, globalen Lieferketten ist der Zugang zu transparenten und verlässlichen Informationen über Produkte und deren Herstellungsprozesse oft eingeschränkt. Von den befragten Unternehmen der Studie sahen 64 Prozent die technische Umsetzung der neuen Pflichten als große Herausforderung, während 49 Prozent fachliche Anforderungen und mangelnde Expertise als Hindernisse identifizierten.

Um diese Daten dennoch zuverlässig zu erheben, lohnt sich ein möglichst früher und enger Austausch mit Lieferanten und anderen relevanten Partnern. Zudem können neben Schätzverfahren, Benchmarks und Scorings auch speziellere Methoden wie Lieferantenbewertungen und Audits relevant sein. Obwohl die Berichtspflichten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in der Industrie erwartungsgemäß weniger umfangreich sein werden, stellen die CSRD-Berichterstattungsanforderungen auch für sie mittelfristig eine Herausforderung dar. Industrie-Einkäuferinnen und -Einkäufer sollten aktiv auf Informationen von Branchenverbänden und anderen Unternehmen zurückgreifen, die bereits Erfahrungen mit den Berichtspflichten gesammelt haben, um kein Wissen zu Standards und Best Practices zu verschenken.

Anforderungen in allen Prozessen verankern

Die Anwendung der ESRS beginnt mit einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse. Dabei sind zwei Faktoren zu betrachten: direkte und indirekten Auswirkungen, die das Unternehmen durch seine Tätigkeiten, Produkte und Dienstleistungen auf Menschen und Umwelt hat (Impact Materialität), sowie Risiken und Chancen aus Ressourcen- oder Beziehungsabhängigkeiten mit potenziellen Auswirkungen auf die finanzielle Performance des Unternehmens (finanzielle Materialität). Diese Materialitätsanalyse ist die Basis für den Umfang der Nachhaltigkeitserklärung im Lagebericht.

Zwei Schlüsselfaktoren sind für eine effiziente Berichterstattung entscheidend: die Ermittlung zuverlässiger Informations- und Datenquellen und die Festlegung des eigenen Ambitionsniveaus. Von der Beschaffung über das Rechnungswesen, Controlling, Compliance bis hin zur Personalabteilung: Dabei von Beginn an alle Unternehmensfunktionen einzubeziehen, kann später helfen, Mehraufwand zu vermeiden. Auch proaktives Handeln ist entscheidend. Denn die Umsetzung erfordert Zeit, finanzielle und personelle Mittel sowie Fachwissen in Bezug auf Prozesse, Tools, Methoden und Technologien. Wie aufwendig die Umsetzung ausfällt, hängt unter anderem von der Komplexität des Geschäftsmodells, dem Ambitionsniveau und den gehandelten Produkten des jeweiligen Unternehmens ab. Spätestens jetzt lohnt sich auch die Frage: Ist externe Unterstützung erforderlich?

Die neue Ökonomie der Beschaffung

Technologien sind nicht alles

Bevor Industrieunternehmen entscheiden können, welche Strategien und Lösungen sich am besten für die Umsetzung der CSRD und Anwendung des ESRS eignen, lohnt es sich, den Status quo sorgfältig zu bewerten. Können die bestehenden Systeme und Tools um die benötigten Funktionen erweitert werden? Wenn ja, wie? Welche Bereiche sollen Schwerpunktthemen werden, wo genügt die Einhaltung von Mindeststandards?

Die neuen Berichtspflichten beeinflussen nicht nur einzelne Unternehmen, sondern wirken sich auf den gesamten Sektor aus. Dies erfordert einen grundlegenden Paradigmenwechsel: Statt die Datenanforderungen lediglich als Berichtslast zu sehen, sollte die Industrie sie als Chance begreifen und als effektives Instrument für das Management nutzen. In der Beschaffung bieten sich hierfür zahlreiche Möglichkeiten. Beispielsweise kann eine branchenübergreifende, gemeinsam genutzte Infrastruktur für Nachhaltigkeitsdaten helfen, den Berichtspflichten effizienter nachzukommen und gleichzeitig neuen Geschäftswert zu generieren. Auch standardisierte Gütesiegel für eine besonders transparente Berichterstattung können wichtige Impulse für einen nachhaltigeren Industriesektor setzen.

Interne Schulungen fördern externe Transparenz

Das Bewusstsein für die Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung muss dabei bereits an der Spitze der Organisation verankert sein und sich durch alle Ebenen der Organisation ziehen – von der Geschäftsführung über Führungskräfte in Fachabteilungen bis hin zu jedem Teammitglied. Schulungen können dabei helfen, das Bewusstsein zu stärken, das Fachwissen zu vertiefen und das Buy-in aller Stakeholder zu erhöhen.

Industrieunternehmen, die sich konsequent auf die Einhaltung der CSRD und Anwendung der ESRS vorbereiten, leiten auch eine neue Ära der Transparenz für ihre Kunden und Geschäftspartner ein. Ein nachweisbarer und glaubwürdiger Nachhaltigkeitspfad stärkt das Kundenvertrauen und die Unternehmensreputation. Zudem ist die offene Kommunikation über Potentiale und Herausforderungen entscheidend. Nur wenn Industrieunternehmen ihre Schwerpunkte, Handlungsfelder und den realen Einfluss auf die Wertschöpfungskette deutlich machen, können sie die Gefahr von etwa Greenwashing-Vorwürfen minimieren.

Nicht nur die Beschaffung muss handeln

 Durch die neuen Pflichten besteht ein Anreiz, die Lieferketten künftig so wenig komplex wie möglich zu gestalten und vielleicht sogar eine interne CO2-Bepreisung einzuführen. In jedem Fall sorgt die Richtlinie durch vergleichbare Berichtsinhalte und neue Transparenz dafür, dass Nachhaltigkeitsthemen auf die tägliche Agenda von Führungskräften rücken. Das kann Resilienz für die gesamte Industrie schaffen und gibt ihr auch über die Beschaffung die Möglichkeit, sich klar zu positionieren und ökologische genauso wie soziale Kriterien in den Geschäftsmodellen zu verankern. Beides ist auch branchenunabhängig absolut wünschenswert.

Theres schaefer von PwC
Bild: PwC

Die Autorin: 

Theres Schäfer

ist Partnerin im Bereich Sustainability Services bei PwC Deutschland. Die Tätigkeitsschwerpunkte der Wirtschaftsprüferin sind die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichterstattungen und nichtfinanzieller Berichterstattungen global agierender und kapitalmarktorientierter Unternehmen sowie die Beratung bei Anwendung und Implementierung neuer regulatorischer Vorgaben, insbesondere zur EU-Taxonomie-Verordnung und CSRD.  

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