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Fachkräftemangel im Einkauf – und nun?

Personalmanagement für den Einkauf der Zukunft, Teil 2
Fachkräftemangel im Einkauf – und nun?

Schon die aktuellen Herausforderungen stellen den Einkauf vor massive Kapazitätsprobleme. Megatrends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit erhöhen den Personalbedarf zusätzlich. Wie kann man den sich daraus ergebenden Fachkräftemangel im Einkauf angehen? Wir stellen Ihnen Ansätze eines professionellen Personalmanagements vor.

Traditionell sind Einkaufsabteilungen personell eher „dünn“ besetzt. Da kümmern sich einzelne Einkaufsmitarbeitende alleine schnell mal um hunderte Lieferanten und achtstellige Einkaufsvolumina. Als ob dies noch nicht ausreicht, treffen den Einkauf aktuelle Krisen und deren Folgeprobleme besonders heftig. Absehbare Zukunftstrends wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit sowie daraus entstehende Anforderungen (s. Ausgabe 4/2023, S. 18f.) sind da als zusätzliche Herausforderungen noch gar nicht umfänglich wirksam.

Da überrascht es nicht, dass jetzt dringend Personal gebraucht, aber viel zu selten gefunden wird. Gemäß einer Untersuchung von Studierenden der Hochschule München herrscht im Einkauf akuter Fachkräftemangel – rund 95 Prozent der befragten Unternehmen bestätigen dies. Neue Wege der Ansprache und Bindung von Mitarbeitenden sind also erforderlich. Zu einem solchen professionellen Personalmanagement speziell für den Einkauf gehören im wesentlichen drei Bereiche: die Darstellung der Beschaffung als attraktives Arbeitsfeld, ein vielfältiges Recruiting und eine gezielte Personalentwicklung.

Initiale Aufgabe des Personalmanagements für den Einkauf ist in der Tat die Gestaltung der Außenwahrnehmung. Eine Verbesserung hier führt zu einer deutlichen Erweiterung des „Pools“ potenzieller Mitarbeitender. Damit wird eine wesentliche Ursache des Fachkräftemangels adressiert, nämlich die – auch hier durch Studien belegbare – relativ geringe Attraktivität des Einkaufs im Vergleich zu anderen, vergleichbaren Tätigkeitsfeldern. Denkbare Maßnahmen sind die Gestaltung eines konsistenten, auch visuell unterstütztem Außenauftritts, mit Präsenz beispielsweise bei Netzwerkveranstaltungen, Messen aber auch unternehmensinternen Intranetseiten. Damit einher geht zumeist ein Kulturwandel, weg vom „Mauerblümchen Bestellbüro“ hin zum agilen, strategischen Gestalter der Lieferkette. Dies wiederum setzt eine modernere Art der Motivation voraus – das Motto „nicht geschimpft ist genug gelobt“ oder die isolierte Orientierung an Einsparungen haben ausgedient. Zudem sind kollaborative Führung mit individueller Wertschätzung als Teil des „New Work“-Konzeptes unverzichtbar, um (potenzielle) Arbeitskräfte anzusprechen.

Zielgruppenspezifische Kanäle nutzen

Daran anknüpfend reicht ein „klassisches“ Recruiting über Stellenanzeigen kaum mehr aus. Kreativität und Vielfalt sind heute (fast) keine Grenzen mehr gesetzt. So können die neuen Mitarbeitenden auf entsprechenden Messen, aber auch bei Vorträgen, Exkursionen, an Hochschulen, über die Zusammenarbeit mit Verbänden, durch exklusive Veranstaltungen oder den Einsatz von Social Media gewonnen werden. Doch auch hier gilt es, auf die Außenwahrnehmung zu achten: Umfangreiche Positionsbeschreibungen oder noch längere Listen von Bewerber-Anforderungen dürften insbesondere bei jüngeren Arbeitskräften auf Desinteresse stoßen. Eine Emotionalisierung, ggf. auch mit Bildern, und persönliche Ansprache „auf Augenhöhe“ sind heutzutage entscheidende Faktoren. Die Recruiting-Kanäle sind dabei zielgruppenspezifisch abzustimmen – und authentisch zu „bespielen“: Ein Unternehmen kann sich noch so dynamisch darstellen – wenn der Bewerbungsprozess dann einem nicht enden wollenden Marathon an Formalismen und Gesprächen mündet, ziehen sich hochqualifizierte Kandidaten schnell zurück. Ein zügiger direkter Kontakt zu zukünftigen Mitarbeitenden und Führungskräften kann dagegen den entscheidenden Vorteil bringen. So werden Einkaufsmitarbeitende als „Funktionsbotschafter“ schnell zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil im „war for talents“.

Doch auch nach erfolgreicher Stellenbesetzung gilt es, neue ebenso wie bestehende Teammitglieder zu halten, durch gezielte Entwicklung fördern und so binden zu können. Jährliche Pflichtschulungen und das obligatorische „Chef-Gespräch“ reich dafür sicher nicht aus. Auch andere Unternehmen machen gerade bei Fachkräftemangel attraktive Angebote. Diese umfassen neben harten Faktoren wie dem Gehalt zunehmend Förderungsangebote wie regelmäßiges Feedback, klare Karriereperspektiven sowie die Zuordnung von persönlichen Mentoren. Auch eine gezielte Nominierung für Projektaufgaben, zum Kompetenzaufbau sowie die Etablierung eines crossfunktionalen Netzwerks, wird als zunehmend sinnvoll erachtet. Wichtig ist dabei nicht nur eine breite Palette von potentiellen Maßnahmen, sondern auch ein hohes Maß an Flexibilität bei der individuellen Gestaltung der Personalentwicklung.

Aufwand für ein Trainee-Programm lohnt sich

Selbst ungewöhnliche Wege dürfen dabei nicht ausgeschlossen werden. Trainee-Programme wurden z. B. lange Zeit aus Instrument genutzt, um Führungsnachwuchskräften einen breiten Überblick über ein Unternehmen und seine verschiedenen Funktionen zu geben. Dabei liegt eine funktionsspezifische Adaption ebenso nahe – man spricht gezielt junge Fachkräfte an, integriert und bindet diese umfassend in den Einkauf, ermöglicht einen Einblick in die verschiedenen einkaufsnahen Tätigkeitsbereiche (z. B. Logistik, Vertrieb …) und vermittelt wichtige Kenntnisse und Erfahrungen.

Der erforderliche Aufwand für den Aufbau eines solchen Trainee-Programms, ebenso für die anderen genannten Ansätze von Personalmanagement und -entwicklung, darf hier für den Einkauf keine Ausrede sein. Der Fachkräftemangel ist bereits Realität und wird sich durch die Entwicklungen noch verschärfen. Eher gilt es, gemeinsam mit den verantwortlichen Funktionsbereichen (HR, Unternehmensführung), ein gezieltes Angebot zu entwickeln, das den Notwendigkeiten des Einkaufs angemessen Rechnung trägt. Gerade die Personalabteilungen sind mit der Rolle als interne Dienstleister vertraut. Für den Einkauf dagegen könnte es zunächst ungewohnt anmuten, selbst Bedarf zu erkennen, darzustellen und durchzusetzen.

Der erste Schritt dahin: Jeder im Einkauf sollte verstehen, wie oft er sein Tätigkeitsfeld positiv repräsentieren, somit potentielle Mitarbeitende ansprechen und somit zu einer nachhaltig besseren Personalsituation im Einkauf beitragen kann. Ein professionelles Personalmanagement gibt hierfür lediglich einen, wenn auch wichtigen, Rahmen vor.


Prof. Dr. Florian C. Kleemann

koordiniert an der HS München das Studienprogramm Digital Sustainable Procurement & Supply Management.


Ronja S. Frühbeis

forscht an der UniBw München im Arbeitsgebiet Beschaffung und hat einen Lehrauftrag an der HS München.


Laura Gehrung

Master-Absolventin an der HS München, die sich mit Fragen des einkaufsbezogenen Personalmanagements befasst.

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