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Grenzenloser Einkauf: Space Mining, Simulation von Impact-Szenarien und digitale Zwillinge

Serie Zukunftstrends in der Beschaffung, Teil 3
Grenzenloser Einkauf: Space Mining & Co.

Grenzenloser Einkauf: Space Mining & Co.
Ist Space Mining eine Möglichkeit, den zukünftigen Ressourcenbedarf der Menschheit zu decken, oder reine Utopie? Bild: Margineanu/stock.adobe.com
Das Thema Nachhaltigkeit wird im Einkauf in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen – dazu tragen Faktoren wie Klimakrise, Rohstoffknappheit, zunehmende Regulatorik und kritische Öffentlichkeit bei. Allerdings sehen viele Verantwortliche Nachhaltigkeit bislang vor allem als Kostenfaktor.

Die Herausforderungen für den Einkauf, „nachhaltige“ Kaufentscheidungen zu treffen, zeigt ein Beispiel aus der Praxis: Welcher von zwei Artikeln ist bei gleicher Qualität umweltfreundlicher? Welcher Herstellungsprozess berücksichtigt die Menschenrechte besser? Welcher Artikel ist nachhaltiger? Kurzum: Welchen Artikel soll der Einkauf beschaffen? Trotz Computerunterstützung ist die Recherche der Artikel-Nachhaltigkeit für den Einkauf immer noch mühsam und zeitraubend – zumal sie für Tausende von Artikeln durchgeführt werden muss.

Impact-Szenarien

Das wird sich mit dem Einsatz neuer Technologien bald ändern. Eine rein kostenbasierte Einschätzung der Nachhaltigkeitsthematik verstellt nämlich den Blick auf die vielen Vorteile und Chancen, die sich für den Einkauf ergeben – wenn dieser nachhaltige Aspekte bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Aus heutiger Sicht erscheinen einige der künftigen Technologie-Optionen geradezu „phantastisch“ – Grund genug, sich diese genauer anzusehen.

Neue IT-Systeme werden die aufwändigen Berechnungen mithilfe von Big Data und Künstlicher Intelligenz (KI) künftig sehr schnell durchspielen. Experten gehen davon aus, dass die KI in den nächsten Jahren so weit sein wird, die sogenannte „Simulation von Impact-Szenarien“ durchzuführen. Bei diesen wird der Einfluss (Impact) von bestimmten Parametern auf die ESG-Daten simuliert.

So können zum Beispiel per Satellit gemessene erhöhte Treibhausgas-Emissionen in einer bestimmten Region eines Schwellenlands auf einen konkreten Lieferanten in der Region und die bezogenen Produkte heruntergerechnet werden. Solche ESG-Daten können viele Lieferanten noch nicht selbst artikelgenau erheben.

Einkauf mit KI und Tokens

Schon heute investieren deshalb Unternehmen und Organisationen Millionen in diese Technologie. Die Europäische Weltraumorganisation ESA zum Beispiel möchte in zwei Jahren Satelliten in den Orbit bringen, die räumlich hochaufgelöste Aufnahmen von CO2- und Methan-Emissionen liefern. Mithilfe dieser Bilder der neutralen Institution ESA können die Abgasfahnen von Kraftwerken, Städten und Industrien präzise gemessen werden, auf deren Basis die Nachhaltigkeit von Produkten berechnet werden kann. Der ESA zufolge ein lohnendes Unterfangen: „Jeder Euro, den wir in den Weltraum investieren, bringt vier Euro zurück.“ Auch ein deutscher Automobilbauer arbeitet bereits erfolgreich an der Quantifizierung solch schwer fassbarer Daten.

Digitale Zwillinge

Während sich die umfassende Simulation von Beschaffungsszenarien wie oben skizziert noch in der Entwicklung befindet, ist eine andere Technologie heute schon bedeutend weiterentwickelt. Ein deutscher Autobauer kann beispielsweise bereits jetzt auf einer bestehenden Metaverse-Plattform eine reale Fabrik in Form eines Digitalen Zwillings komplett abbilden. In der Digitalversion können alle erdenklichen Szenarien der Produktion durchsimuliert werden – ohne dass dafür eine einzige reale Schraube angezogen werden muss.

Das eröffnet auch dem Einkauf neue Möglichkeiten: Anhand von Artikeldaten rechnet die KI des Digitalen Zwillings den Einsatz und den Einfluss alternativer und unterschiedlich nachhaltiger Beschaffungsartikel auf Produktions-Output und Qualität, Prozesse, Workflow und Produktionseffizienz durch, noch bevor ein konkreter Artikel in der realen Fabrik verbaut wird.

Der Einkauf im Metaverse

Einer der größten deutschen Technologiekonzerne schätzt, dass diese Simulationssysteme so nützlich und attraktiv werden, dass eine eigene Branche und eigene Handelsplätze für Digitale Zwillinge entstehen – vergleichbar mit Branche und Marktplatz heutiger CAD-Anwendungen. Analysten schätzen, dass dieser Markt in den nächsten Jahren ein Volumen von 156 Mrd. US-Dollar erreichen wird.

Space Mining

Beschaffung im Weltraum? Die Utopien von heute werden oft zur Realität von morgen. Bereits in relativer Erdnähe finden wir Asteroiden mit unermesslichen Bodenschätzen. Bekanntlich ist Nachhaltigkeit definiert als Summe aus ökologischen, sozialen und ökonomischen Prinzipien: Ein in unermesslichen Mengen vorhandener Rohstoff ist damit praktisch per Definition maximal ökonomisch nachhaltig. Für den Einkauf bedeutet das: Nie wieder Lieferengpässe!

Schon ein naturgemäß dreidimensionales Himmelsobjekt von einem Kilometer Länge und nur wenigen Dutzend Metern Durchmesser kann den heutigen Industriebedarf der ganzen Welt auf Jahrzehnte hinaus decken. Laut Modellrechnungen birgt beispielsweise ein Platin-haltiger Asteroid mit nur 30 Metern Durchmesser Edelmetall im Wert von 38 Milliarden Euro in seinem Innern. Auch Mondgestein enthält viele Industriemetalle. Die nachhaltige Versorgung der Erde wäre dank Space Mining auf Jahrhunderte hinaus gesichert. Experten schätzen, dass binnen 40 Jahren die Infrastruktur geschaffen werden kann. Es wird heute schon mit Hochdruck daran gearbeitet.

Ein chinesisches Start-up testet zurzeit einen Roboter, der im Orbit manövrieren und kleine Himmelskörper erfassen kann. Ein britisches Start-up wird bald Mikro-Fabriken in Gestalt von erdnahen Satelliten in den Orbit bringen, die im All geschürfte Rohstoffe verarbeiten können. Und weil auch im All die „Economies of Scale“ gelten – größer ist günstiger – prüfen chinesische Wissenschaftler derzeit die Machbarkeit von Bergbau-Raumschiffen von bis zu einem Kilometer Länge. Derartige Einrichtungen sollen auch Freizeit-Einrichtungen für die Bergbau-Crews bieten.

Praktisch alle führenden Industrienationen arbeiten an Space Mining. So setzt ein japanisches Start-up mit seinen Mikro-Robotern auf Moon Mining – Bergbau auf dem Mond. Ein amerikanisches Start-up arbeitet an Plänen für eine Produktionsplattform im erdnahen Orbit, die auch Weltraumschrott einsammeln und recyceln kann.

Auf ins All!

Klingt alles utopisch und unvorstellbar teuer? Das geläufige Gegenargument lautet denn auch, dass derartige Projekte unbezahlbar sind. Die private Raumfahrt entkräftet dieses Argument. Seit Privatunternehmen wiederverwendbare, nachhaltige Raketen einsetzen, hat sich die Raumfahrt stark verbilligt. Während ein Satellitentransport ins All vor Jahren noch 60 Millionen US-Dollar kostete, liegt der Preis inzwischen bei 15 Millionen.

Hinzu kommt: Wenn Rohstoffe aufgrund der Knappheit in den kommenden Jahren immer teurer werden, wird Space Mining im Vergleich dazu immer günstiger, attraktiver und rentabler. Diesen Preiseffekt kennen wir auch von der Erdöl- und Rohstofferschließung in der Tiefsee oder der Arktis mit ihren sogenannten unkonventionellen Reserven.

Neurocoaching & Co.: Resilienz im Einkauf aufbauen

Was heißt das alles für den Einkauf? Wer die zugegebenermaßen exotisch anmutenden Entwicklungen wie Simulation von Impact-Szenarien oder Space Mining nicht vorschnell als Utopie abtut, sondern als Chancen sieht, kann davon profitieren. Dazu ist es wichtig, dass die Einkaufsverantwortlichen die Trends auf dem Radar haben und sich auf dem Laufenden halten. So können sie die Zukunftstechnologien vor dem Wettbewerb nutzen.


Die Autoren:

Julia Ruf, Partnerin, Consulting, Value Chain Transformation, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Marc Ennemann, Partner, Consulting, Head of Value Chain Transformation, Head of Alliances & Technology, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Prof. Dr. Heiko von der Gracht, Zukunftsforscher und Department Head Portfolio Management & Digital Delivery, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft


Trends im Blick behalten

Die KPMG-Forscher haben nach der Sichtung von über 1000 Studien, Meldungen und Reports einen Trendradar veröffentlicht, der 30 Trends auflistet, die dem Unternehmen zufolge den Einkauf der Zukunft prägen werden. Er informiert zudem über 140 aktuelle Treiber künftiger Entwicklungen, über Use Cases und Prototypen. Regelmäßig aktualisiert werden die Trends in der CPO Suite. Der Zugriff auf die Plattform ist nach einer Registrierung bei KPMG Atlas möglich, die Sie über den QR-Code erreichen.

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