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Resilienz im Einkauf mit Neurocoaching und anderen neuen Technologien aufbauen

Serie Zukunftstrends in der Beschaffung, Teil 4
Neurocoaching & Co.: Resilienz im Einkauf aufbauen

Neurocoaching & Co.: Resilienz im Einkauf aufbauen
So stürmisch die Zukunft auch sein mag – ein resilient aufgestellter Einkauf wird diese Turbulenzen erfolgreich meistern. Bild: Zacarias de Mata/stock.adobe.com
Spätestens seit die Pandemie und der Ukraine-Krieg viele Lieferketten unterbrachen, wissen wir, wie wichtig ein resilienter Einkauf ist, der unter allen Umständen die Lieferfähigkeit gewährleisten kann. Mit neuen Technologien können Unternehmen ihre Einkäufer trainieren und die Beschaffung besser vernetzen.

Einkaufsabteilungen können nur so resilient sein wie ihre Einkäuferinnen und Einkäufer. Daher war es schon vor den turbulenten letzten Jahren in vielen Unternehmen üblich, dass die Mitarbeitenden regelmäßig weitergebildet werden. Ziel dieser Trainings: Resilienz aufbauen und stärken. Doch nur wenige Einkaufsorganisationen haben bislang neue, innovative Trainingsmethoden implementiert, welche die Widerstandsfähigkeit ihrer Teams fördern.

Neurocoaching

Ein Beispiel für innovative Trainingsmethoden ist das Neurocoaching. Dabei werden beispielsweise Rollenspiele durchgeführt, in denen eine besonders komplexe und weitreichende Verhandlungssituation simuliert wird. Dabei werden die Hirnströme und unwillkürlichen Körperreaktionen der Trainierenden erfasst, analysiert und als direktes Feedback zurückgespielt. Ist der Puls zu hoch, sind die Hände verkrampft oder die Schultern eingefallen?

Das Neurocoaching setzt damit direkt an der neurologischen Impulserfassung an. Auf diese Weise können Verhandlungsführende persönliche Schwächen oder Verbesserungspotenzial bei Gestik, Mimik und Haltung schneller erkennen, reflektieren und gegebenenfalls verändern als dies mit herkömmlichen Trainingsmethoden oft möglich ist.

Dieses Bio-Feedback-Training wird bisher nur bei einigen wenigen Leadership-Trainings eingesetzt. Der Vorteil dieser Trainingsmethode besteht darin, dass die Teilnehmenden sich ihrer unterbewussten Reaktionen bewusst werden und sie zielgerichtet steuern können. In Verhandlungssituationen können so im Idealfall spontane Fehlentscheidungen, Nachteile oder Missverständnisse vermieden werden. Die Experten der Studie „Quantenrevolution im Einkauf“ (s. Kasten) gehen davon aus, dass Neurocoaching in den kommenden zehn Jahren zum Trainingsstandard wird. Dafür braucht es ausgereifte und zuverlässige Technik, die neurologische Impulse erfassen kann.

Technik in den Startlöchern

Was technisch möglich ist, zeigt ein US-Unternehmen, das einen tragbaren Sensor entwickelt, der physiologische wie auch emotionale Daten von Probanden erfassen soll. Diese bleiben im Besitz des Sensorträgers. Ein wichtiges Detail, denn die Erfassung sensibler Daten im Rahmen eines Neurocoachings stellt besondere Ansprüche an Diskretion und Sicherheit.

Die smarten Kopfhörer eines amerikanischen Start-ups verfügen über ein „Brain-Computer-Interface“. Dieses soll die Hirnaktivität des Trägers messen. Der angeschlossene Computer schlägt bei Bedarf konzentrationssteigernde Arbeitspausen vor oder schaltet Benachrichtigungen wie Mails automatisch stumm, wenn der Nutzer beschäftigt ist. Diese Kopfhörer können ein weiteres sinnvolles Tool für Neurocoachings darstellen.

Grenzenloser Einkauf: Space Mining & Co.

Ein spanisches Unternehmen nutzt das EEG (Elektroenzephalogramm), um die emotionale, soziale und kulturelle Kompetenz zu messen. Damit möchte es ein Feedback zur Verfügung stellen, mit dem die Kompetenzen von Führungskräften gesteigert werden können. Das auf diese Weise unterstützte Training verbessert nicht nur die Führungskompetenz, sondern auch die Gesundheit der Teilnehmenden: Je höher die emotionale, soziale und kulturelle Kompetenz eines Einkäufers ist, umso geringer ist die Gefahr, dass schwierige Verhandlungen gesundheitliche Schäden nach sich ziehen.

Die KI „Project Debater“ eines deutschen Software-Hauses kann für Verhandlungen vorgesehene Aussagen analysieren und automatisch die besten Pro- und Kontra-Argumente bereitstellen. Dabei werden sowohl die inhaltliche als auch die emotionale Wirkung der Argumente berücksichtigt. Das Tool ist eine Art ChatGPT für Verhandlungen.

Kooperative Vernetzung

Ein resilienter Einkauf basiert nicht allein auf gut trainierten Mitarbeitenden, sondern resultiert auch aus dem intelligenten Umgang einer Einkaufsorganisation mit Daten wie er zum Beispiel im „Quantified Connected Enterprise“ auf die Spitze getrieben wird. In der Zukunft werden CPOs ihre Organisationen weitaus stärker datengestützt führen als heute.

In einem Quantified Connected Enterprise werden die operativen Daten aus einem ERP-System mit Experience-Daten der Stakeholder und Daten des Internet of Things (IoT) – zum Beispiel aus der Talking Infrastructure (Gebäude und Maschinen „sprechen“ via Sensoren und Push-Meldungen mit verantwortlichen Menschen) – zusammengeführt. Die Analyse dieser Daten wird mit jener von Lieferanten zusammengeschaltet.

Von dieser kooperativen Vernetzung können alle Stakeholder entlang der Lieferkette profitieren. Die größten Vorteile: Synergien werden generiert und Lieferprobleme minimiert. Der Einkauf wird nicht mehr vorrangig beim „mächtigen“ beschaffenden Unternehmen optimiert, sondern durch die unternehmensübergreifende Datenanalyse über die komplette Lieferkette hinweg. Damit steigert sich auch Effizienz und Nachhaltigkeit im Einkauf.

Ein Unternehmen, das nicht derart vollumfänglich quantifiziert und mit seinen Lieferketten verbunden ist, wird in einer umfassend quantifizierten Zukunft nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Obwohl dieser Standard laut Experten erst 2038 erreicht sein wird, entwickelt sich die Technologie bereits heute mit großen Schritten in diese Richtung.

Treiber und Impulse

Ein praktisches Beispiel für diese Form der Vernetzung, ist die Plattform Actual des gleichnamigen US-Unternehmens. Sie soll das Management von ESG-Zielen vereinfachen, indem diese im Stil eines Videospiels visualisiert und durchgeplant werden können – zum Beispiel für die Optimierung einer möglichst kohlenstoffarmen Lieferkette.

Luminate, die Planungslösung eines US-Unternehmens, möchte die Vertriebs- und Betriebsplanung verbessern, indem sie alle beweglichen Teile der Lieferkette nahtlos einbezieht, und Nachfrage-, Angebots-, Umsatz-, Kosten- sowie auch Margenziele in einem einheitlichen Plan zusammenführt. Ein großes deutsches Unternehmen setzt bereits heute auf diese Lösung.

Ein kalifornisches Anbieter hat 2022 seine Logistikplattform vorgestellt, mit der die Nutzer dem Unternehmen zufolge ihre gesamte Lieferkette durchgängig verwalten können. Diese ganzheitliche Cloud-Logistikplattform nutzt die Möglichkeiten von Metaverse, künstlicher Intelligenz, Augmented Reality und dem Internet der Dinge, um die Lücke zwischen der physischen und der digitalen Logistikwelt zu schließen.

Der Einkauf im Metaverse

Der Traum jedes Einkäufers

„Nicht lieferbar“ ist der Alptraum jeder Einkaufsabteilung. Der Traum hingegen ist die unverwundbare Lieferkette, der super-resiliente Einkauf – und das auch in stürmischen, disruptiven und konfliktträchtigen Zeiten. Denn so turbulent die Zukunft auch sein mag, ein resilienter Einkauf wird diese Turbulenzen nicht nur bestehen, sondern sie auch erfolgreich meistern.


Die Autoren:

Julia Ruf, Partnerin, Consulting, Value Chain Transformation, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Marc Ennemann, Partner, Consulting, Head of Value Chain Transformation, Head of Alliances & Technology, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Prof. Dr. Heiko von der Gracht, Zukunftsforscher und Department Head Portfolio Management & Digital Delivery, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft


Trends im Blick behalten

Die KPMG-Forscher haben nach der Sichtung von über 1000 Studien, Meldungen und Reports einen Trendradar veröffentlicht, der 30 Trends auflistet, die dem Unternehmen zufolge den Einkauf der Zukunft prägen werden. Er informiert zudem über 140 aktuelle Treiber künftiger Entwicklungen, über Use Cases und Prototypen.

Regelmäßig aktualisiert werden die Trends in der CPO Suite. Der Zugriff auf die Plattform ist nach einer Registrierung bei KPMG Atlas möglich, die Sie über den QR-Code erreichen.

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