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Zukunftstrends Beschaffung: Einkauf und Supply Chain Management im Metaverse

Serie: Zukunftstrends in der Beschaffung, Teil 1
Der Einkauf im Metaverse

Der Einkauf im Metaverse
Die virtuelle Umgebung des Metaverse ermöglicht es dem Einkauf, sich trotz großer räumlicher Distanzen jederzeit „zusammenzusetzen“ – sowohl intern als auch extern, z. B. in Verhandlungen mit dem Verkauf der Gegenseite. Bild: Gorodenkoff/stock.adobe.com
Das Metaverse ist nicht nur etwas für Gamer. Die virtuelle Welt wird womöglich auch Teile des Einkaufs grundlegend verändern; Lieferanten-Audits im digitalen Zwilling der Fertigung und Avatare, die sich für uns an den Besprechungstisch setzen, könnten dann trotz räumlicher Distanz ohne Mehraufwand an der Tagesordnung stehen – während im Hintergrund virtuelle Agenten verhandeln.

Bald will Microsoft sein „Mesh“ auf den Markt bringen. Dabei handelt es sich um eine Mixed-Reality-Plattform, die einen Vorgeschmack auf das Metaverse gibt: Einkäufer setzen ein Headset auf, treffen sich mit den Verkäufern der Gegenseite in einem virtuellen Kollaborationsraum und können an dessen Wände alle nötigen Diagramme und Unterlagen projizieren. Sie können in der digitalen Umgebung aber auch Mitarbeitende trainieren oder sich selbst coachen lassen. Und das über Ländergrenzen hinweg, ganz ohne Reisekosten, Zeitverlust oder reisebedingte Umwelt- und Klimaschäden.

In einer späteren Version des Metaverse, das tausende virtuelle Welten miteinander verknüpft, können Einkäufer auch Lieferanten auditieren und zertifizieren. Schon im kommenden Jahr soll der Markt – wie jüngst auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos diskutiert wurde – bereits auf 800 Milliarden US-Dollar wachsen, bis 2040 könnten es 25 Billionen sein.

Beschaffung im Metaverse

Es gibt für das Metaverse inzwischen gefühlt mehr Definitionen als Sand auf Sylt. Die einfachste: Das Metaverse ist der 3D-Nachfolger des Internets. Zukünftig setzt der Einkäufer beispielsweise seine Virtual-Reality-Brille auf – oder seine smarten Kontaktlinsen – und schon ist er mittendrin in der Fabrikhalle eines Lieferanten (genauer: im digitalen Zwilling der Fabrik). Dort kann er alles ansehen, anfassen (mit einem Haptik-Handschuh) und auf Wunsch auch verändern. Er kann durch die Hallen gehen, mit jedem sprechen, der ebenfalls sein Equipment aufhat und er kann in Echtzeit auf verschiedene Daten zurückgreifen.

Virtual Reality Brille Metaverse
Tor in das Metaverse: Die Einkäuferin setzt eine Virtual-Reality-Brille auf und ist mittendrin. Bild: Liubomir/stock.adobe.com

Ein namhafter US-Hersteller arbeitet beispielsweise bereits mit digitalen Zwillingen seiner Filialen, um so räumliche Daten mit anderen Daten wie Produktstandorten und historischen Bestellinformationen zu kombinieren. Mitarbeiter können so sowohl vom Computer als auch über Augmented-Reality-Headsets auf die Daten zugreifen und mit ihren Teams standortübergreifend kollaborieren. Die KPMG-Studie „Quantenrevolution im Einkauf“, die 30 kurz-, mittel und langfristige Trends vorstellt, kommt zu dem Ergebnis, dass der Einkauf im Metaverse bis in 15 Jahren Realität sein wird. Wie müssen wir uns das vorstellen?

Ein einfacher Vergleich: Stand heute gibt es weltweit knapp 4,5 Milliarden E-Mail-Nutzer. Bis 2030 erwarten Experten, dass sich in den digitalen Welten des wachsenden Metaverse mehr virtuelle Avatare als Menschen auf der Welt tummeln werden – darunter natürlich auch Millionen Avatare von Einkäuferinnen und Einkäufern weltweit und ihre Counterparts von der Verkaufsseite.

Der virtuelle Agent

Heute verhandelt der Einkäufer noch höchstpersönlich. In zehn Jahren könnte das zumindest für bestimmte Warengruppen der virtuelle Agent machen: Ein intelligentes Programm, das entweder mit dem menschlichen Verkäufer oder mit seinem virtuellen Counterpart verhandelt. Der virtuelle Agent im Einkauf ist zukünftig so intelligent, dass menschliche Einkäufer ihn als Trainer für ihre eigene Verhandlungsstärke nutzen können. Und: Virtuelle Agenten werden umso schlauer, je mehr sie verhandeln, denn als künstliche Intelligenzen (KI) sind sie lernfähig. Die Autoren der Trendradar-Studie schätzen, dass der virtuelle Agent in den nächsten zehn Jahren marktreif wird. Wie gut ist er dann – verglichen mit einem exzellenten heutigen Einkäufer?

Neurocoaching & Co.: Resilienz im Einkauf aufbauen

Seitdem das US-Unternehmen OpenAI seine KI-Software ChatGPT der Öffentlichkeit präsentiert hat, lässt sich die Antwort erahnen: Schon heute wird bei bestimmten Anwendungen der Chatbot mit einem echten Menschen verwechselt. Um die Qualität eines virtuellen Einkäufers in zehn Jahren brauchen wir uns also keine Sorgen zu machen. Chatbots werden auch Fähigkeiten wie die Konfliktkompetenz in schwierigen Verhandlungsphasen beherrschen – im Schnitt besser als der Mensch. Denn eine KI verliert niemals die Nerven. Sie zuckt nicht mal mit der Wimper.

Darüber hinaus ist KI-Technologie eine Antwort auf den Fachkräftemangel. Doch bis dahin hat sie noch einiges zu lernen, denn richtige von falschen Informationen zu unterscheiden, beherrscht beispielsweise ChatGPT häufig noch nicht. Der virtuelle Agent muss nicht nur menschenähnlich agieren, sondern auch zuverlässig einen hohen Qualitätsstandard erfüllen.

Mehr Zeit für Wichtiges

Die Befürchtung, dass der virtuelle Agent Einkäufer verdrängen könnte, ist in einer realen Marktkonkurrenzsituation und bei sich verschärfendem Fachkräftemangel weit hergeholt. Vielmehr wird KI es den Einkäufern in der Zukunft ermöglichen, sich lohnenderen Aufgaben widmen zu können, wie dem strategischen Einkauf, dem Supplier Management, dem Supply Chain Management oder der Ad-hoc-Stabilisierung von Supply-Chain-Disruptionen. Die Einkäufer der Zukunft werden zudem vor allem Experten im sogenannten KI-Prompting sein. So bezeichnet man die Fähigkeit, Fragen an eine KI so zu formulieren, dass diese mit ihrem vor-trainierten Verstand die besten Resultate liefern kann. Schöne neue Welt – irgendwann einmal in kommenden Jahren. Warum also sollte sich der Einkauf heute schon damit beschäftigen?

KI im Einkauf – Augenwischerei oder Wunderwaffe?

Heute ist Morgen

Die einfache Antwort: Weil ein virtueller Agent kein Office-Paket ist. Keine Software von der Stange, die man herunterladen und direkt nutzen kann. Denn selbst bei einem neuen Office-Paket brauchen User teils Wochen, bis sie eingelernt sind. Und so ein Office-Paket ist – verglichen mit dem Metaverse – eine banale Anwendung. Ein virtueller Agent ist exponentiell komplexer. Es braucht also nicht Wochen, bis eine lernende Organisation die nötige Kompetenz erworben, Anwendungsszenarien entwickelt und den virtuellen Agenten auf ihre spezifischen Bedürfnisse trainiert hat, sondern Jahre.

Wer also heute nicht damit beginnt, ist in zehn Jahren Jahre zu spät dran. Es gibt keine Spontankäufe für virtuelle Agenten, denn Zukunft funktioniert mit langem Vorlauf. Anders gefragt: Wie viele Millionen Menschen wurden im Februar 2023 von ChatGPT überrumpelt? Oder umgekehrt: Wer waren die ganz wenigen, die nicht überrascht wurden, weil sie den Vorlauf kennen?

Dieses Risiko kann sich keine Einkaufsorganisation leisten – das ist die Risiko-Sicht der Dinge. Die Chancen-Perspektive ist: Was, wenn der Einkauf nicht nur das Risiko der Überrumpelung vermeidet, sondern den virtuellen Agenten und alle anderen Sprung-Innovationen des Metaverse als erste Funktion im Unternehmen erkennt, versteht und implementiert? Dann übernimmt der Einkauf die Treiberfunktion für den Unternehmenserfolg.

Grenzenloser Einkauf: Space Mining & Co.


Die Autoren:

Julia Ruf, Partnerin, Consulting, Value Chain Transformation, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Marc Ennemann, Partner, Consulting, Head of Value Chain Transformation, Head of Alliances & Technology, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Prof. Dr. Heiko von der Gracht, Zukunftsforscher und Department Head Portfolio Management & Digital Delivery, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft


Trends im Blick behalten

Was die KPMG-Forscher nach der Sichtung von über 1000 Studien, Meldungen und Reports erstellten und 2022 veröffentlichten, ist ein sogenannter Trendradar, der 30 Trends auflistet. Diese werden dem Beratungsunternehmen zufolge den Einkauf der Zukunft prägen.

Regelmäßig aktualisiert werden die Trends in der begleitenden CPO Suite. Der Zugriff auf die Plattform ist nach einer Registrierung bei KPMG Atlas möglich, die Sie über den Link erreichen.

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