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Ausblick 2020 für die deutsche Wirtschaft

Wirtschaftlicher Ausblick 2020
Kann in 2020 der Abschwung gebremst werden? Was erwartet uns?

Die Konjunktur ist seit Monaten gespalten wie selten zuvor. Der Konsum und die Bauwirtschaft boomen immer noch, während in der Industrie der Motor stottert, weil die so wichtigen Exporte stagnieren. Auch der EMI schwächelt seit Monaten. Die führenden Ökonomen erwarten daher für 2020 lediglich ein Wachstum von knapp einem Prozent.

Die Weltwirtschaft wird 2020 weiter vor sich hindümpeln. Chinas Wirtschaft, die einen Anteil von 19 Prozent am globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) hat und die für unsere Industrie der wichtigste Konjunkturmotor war, verliert an Dynamik. Die großen Überkapazitäten, die hohen Schulden der Unternehmen (155 %) der Wirtschaftsleistung) und ein gewaltiger noch keineswegs genau vermessener Berg fauler Kredite in den Bankbilanzen schwächen Chinas Wachstumsperspektiven. Die Ökonomen sind sich daher weitgehend einig, dass das Reich der Mitte als Konjunkturlokomotive für die Weltwirtschaft 2020 ausfallen dürfte. China ist ein fragiler Gigant trotz der jüngsten Aktivierungsmaßnahmen der Regierung.

Protektionismus – der Totengräber

Auch von den USA sind 2020 wohl keine neuen Rekordwerte zu erwarten. Analysten rechnen mit knapp zwei Prozent Wachstum. Die Impulse durch Donald Trumps Steuersenkungen von Ende 2017 verlieren, wie zu erwarten war, an Kraft. Während der private Konsum von der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt profitiert, befinden sich die Unternehmensinvestitionen in den USA auf Talfahrt. Der Rückgang der Investitionen ist nicht zuletzt auf die von Trump forcierte Protektionismuswelle und vor allem auf die durch seine Tweets ausgelöste Verunsicherung zurückzuführen. 1291 neue Handelsbarrieren haben die Regierungen rund um den Globus in diesem Jahr hochgezogen – und damit den Austausch von Waren und Dienstleistungen behindert. Mit einer Rate von rund einem Prozent ist der Welthandel 2019 so schwach gewachsen wie seit 10 Jahren nicht mehr. Weil die Handelskonflikte und Strafzölle in 2020 weiter auf der Agenda stehen dürften, ist für 2020 nur ein mageres Plus von 1,7 Prozent beim Welthandel zu erwarten

(Quelle: Wirtschaftswoche vom 20.12.2019).

Unter der aktuellen Deglobalisierung leidet vor allem die deutsche Industrie. So stehen der hohe Anteil von Autos (13 %) und von Investitionsgütern (45 %) an den deutschen Exporten infrage. Sollte Trump Zölle auf europäische Autos verhängen, dürfte die deutsche Autoindustrie und mit ihr die gesamte deutsche Konjunktur ins Trudeln geraten.

Der nicht nur in den USA, sondern weltweit zunehmende Protektionismus hat den internationalen Wertschöpfungsketten, die unsere Industrie in den vergangenen Jahrzehnten erfolgreich aufgebaut haben, schwer zugesetzt. Zurzeit ist nicht absehbar, wie eine neue Welthandelsordnung aussehen könnte. Dies führt – wie man im dritten Quartal 2019 beobachten konnte – zu einer deutlichen Zurückhaltung der Unternehmen bei ihren Investitionen.

Arbeitsmarkt noch stabil

Noch hält der Arbeitsmarkt den von einer falschen Politik induzierten Belastungen der Konjunktur stand. Allerdings: Der jahrelange Rückgang der Arbeitslosigkeit wurde im Frühjahr 2019 gestoppt. Dennoch stehen die Zeichen bei der Beschäftigung nicht auf Sturm. Selbst bei einem deutlichen Abschwung in 2020 würden deutsche Unternehmen schon wegen der demografischen Entwicklung alles versuchen, um ihre qualifizierten Kräfte an Bord zu halten. So ist zu beobachten, dass neben dem Abbau von Überstunden die mittlerweile weit verbreiteten Arbeitszeitkonten in Anspruch genommen werden. Weil die Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit prall gefüllt sind, dürfte die Bundesregierung im Krisenfall zudem die maximale Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes verlängern (Wirtschaftswoche vom 20.12.2019).

Eine alle Branchen erfassende Beschäftigungskrise ist daher für 2020 nicht zu erwarten. Bei den OEMs und ihren Zulieferern in der Automobilindustrie wird es aber rumpeln. Gleichwohl: In einem Umfeld geringer Verbraucherpreisinflation dürfte der private Konsum, auf den rund 52 Prozent der Wirtschaftsleistung entfällt, vorerst die wichtigste Stütze der Konjunktur bleiben.

Wie sieht es in den Schlüsselbranchen aus?

Maschinenbau: Der Maschinenbauverband VDMA prognostiziert – nach einem Produktionsrückgang von zwei Prozent für das ablaufende Jahr – auch für 2020 ein Minus von zwei Prozent für die Branche. Deutsche Maschinenbauer hängen mit einem Anteil von fast 80 Prozent stark vom Export ab. Die Branche leidet erheblich unter den Handelskonflikten zwischen den USA und China, Japan und Südkorea etc. 2020 kommen belastend der Brexit und die US-Wahl hinzu. Sofern Trump gewinnt, dürfte die globale Handelssituation unberechenbar bleiben mit negativen Konsequenzen für Investitionsentscheidungen. Im jüngsten Maschinenbau-Barometer von PwC blickt fast die Hälfte der befragten Unternehmen pessimistisch in die Zukunft – so viele wie noch nie.

Chemie- und Pharmaindustrie: Für 2020 prognostiziert der Chemieverband VCI nur ein kleines Plus von 0,5 Prozent bei Umsatz und Produktion. Der Pharmabereich dürfte leicht wachsen, während der Chemiebereich, der Vorprodukte für andere Industrien produziert, ins Minus geraten dürfte. Zwar beschäftigte die deutsche Chemie- und Pharmabranche 2019 so viele Menschen in Deutschland – fast eine halbe Million – wie nie zuvor seit 2001. Heute sind jedoch viele Stellen akut bedroht.

Die meisten Chemieprodukte werden auch im kommenden Jahr Rückgänge verzeichnen. Viele Kunden der Chemiehersteller sind vorsichtig geworden und halten sich mit Neubestellungen zurück. Etwa in der Autoindustrie, wo die Strukturkrise andauert und die Transformation ins Zeitalter der Elektromobilität Geld und Kapazitäten bindet.

Auch aus dem Ausland kommen keine Impulse. Die Nachfrage im weltweit größten Chemiemarkt China, auf den Konzerne wie BASF und Covestro in den vergangenen Jahren besonders gesetzt haben, geht zurück. Die US-Konjunktur kühlt sich ab.

Für Wachstum in der Branche sorgt einzig das Pharmageschäft. Der Absatz von Medikamenten soll 2020 um zwei Prozent zulegen. Krankheiten kennen keine Konjunktur.

Automobilindustrie: Die deutsche Automobilindustrie steht vor einem Schicksalsjahr. Mit der Elektromobilität steht die Paradebranche der deutschen Wirtschaft vor ihrer größten Herausforderung oder Disruption aller Zeiten.

Die Neuausrichtung verschlingt hohe zweistellige Milliardensummen, die in Zeiten globaler Handelskonflikte, eines wenig kalkulierbaren Brexits und vor allem eines schwachen chinesischen Marktes schwer zu erwirtschaften sind. Bei den Automobilkonzernen regiert daher der Rotstift. Noch härter gebeutelt sind viele Zulieferer. Bei nicht wenigen droht sogar die Insolvenz. In den vergangenen Monaten kündigte die Branche den Abbau von mehreren Zehntausend Stellen an. Demgegenüber stehen (weniger) neue Arbeitsplätze, weil sich Elektrofahrzeuge mit weniger Personal produzieren lassen.

Logistik: Die Logistik ist weiterhin ein Wachstumsmarkt und Lichtblick. Experten gehen davon aus, dass die Logistikbranche um 2,2 Prozent wachsen könnte und dies, trotz des gedämpften Ausblicks für wichtige Abnehmerindustrien. Allerdings wird das Wachstum gehemmt durch den Mangel an Arbeitskräften. So fehlen Schätzungen des Bundesverbandes Spedition und Logistik (DSLV) zufolge rund 45.000 Lkw-Fahrer.

Fitnesskur für den Abschwung

Fit werden für den drohenden Abschwung, dies ist seit Kurzem die oberste Devise in Deutschlands Chefetagen. Die ersten Sparrunden wurden schon gestartet. Kurzarbeit wurde von bekannten Unternehmen avisiert und eingeleitet. Auf die Arbeitszeitkonten wird zugegriffen. Um sich für einen Abschwung und den damit verbundenen Ertragseinbruch vorzubereiten, bedienen sich viele Unternehmer der in der Finanzkrise vor zehn Jahren bewährten „sanften“ Hebel: Reisen werden eingeschränkt, es gibt inoffizielle Einstellungsstopps. Bestände werden abgebaut, die Kapazitäten neu ausgesteuert und die Kosten für Material und fremdbezogene Leistungen werden gedrückt. So sollen Liquidität und Cashflow gesichert werden (Handelsblatt vom 18.9.2019). In diesem Maßnahmenpaket spielen die Supply Manager eine Schlüsselrolle.

Doch werden diese Sparprogramme nicht ausreichen, denn die Probleme der Unternehmen liegen tiefer und sind struktureller Natur: Unsere Unternehmen müssen ihre Wettbewerbsfähigkeit für neue Marktverhältnisse und für die Endspiele in etlichen Branchen wiederherstellen. Sie müssen sich angesichts erodierender Geschäftsmodelle neu erfinden. Dies gelingt nicht durch ein pauschales Zurückfahren von Investitionen und rigorosen Sparmaßnahmen. Vor allem dürfen wertvolle Fachkräfte nicht verloren gehen. Erfolgreiche Unternehmen nutzen den Abschwung als Chance für eine strategische Neuorientierung. Sie setzen den Rotstift an den richtigen Stellen an und senken schnell ihre Fixkosten und ihre Gewinnschwelle. Sie proben den Schulterschluss mit ihren oftmals nicht einfachen Ankerkapitalgebern und investieren mit überzeugender Story in die strategischen Wachstumsfelder. Intelligentes Sparen und kluges Investieren ist kein einfacher Spagat und wird unsere Unternehmer in 2020 fordern.

Mit Spannung blicken Experten darauf, wie die Unternehmen in schwierigeren Zeiten mit der hochgelobten digitalen Transformation umgehen werden. Die Unternehmenschefs werden bei den Projekten die Business Cases einfordern und sicherlich Projekte zur digitalen Transformation in 2020 auf den Prüfstand stellen. Must-have wird weitergehen, Nice-to-have wird durchs Sieb fallen.

Die Aussichten für 2020 sind gedämpft. Es hängt nicht zuletzt von konsequenten klugen, unternehmerischen Entscheidungen und mehr noch von einer klugen, die richtigen Rahmenbedingungen setzenden Politik ab, ob das Rezessionsgespenst mit Schwung vertrieben werden kann.


Erfolgreiche Unternehmen nutzen den Abschwung als Chance für eine strategische Neuorientierung. [… ] Intelligentes Sparen und kluges Investieren ist kein einfacher Spagat und wird unsere Unternehmer in 2020 fordern.“


Prof. Dr. Robert Fieten,
fachlicher Berater der
Beschaffung aktuell,
Köln

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