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Kulturwandel im Einkauf bei Benteler Steel/Tube

Optimierungspotenziale im Einkauf nutzen
Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Kulturwandel im Einkauf

Mehr Wettbewerbsfähigkeit durch Kulturwandel im Einkauf
Als einer der führenden Hersteller von Qualitätsstahlrohren bietet Benteler Steel/Tube seinen Kunden weltweit Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Werkstoffentwicklung bis zur Rohranwendung. Bild: Benteler Steel/Tube
Benteler Steel/Tube ist einer der führenden Hersteller von Stahlrohren weltweit. Doch die Branche steht seit Jahren unter Druck. Das Unternehmen hat 2019 ein Maßnahmepaket beschlossen. Dem Einkauf kommt hierbei eine zentrale Rolle zu.

Hersteller von Stahlrohren sind gut beraten, konsequent Optimierungspotenziale umzusetzen. Benteler Steel/Tube hat bereits 2019 auf die schwierige wirtschaftliche Situation reagiert und erfolgreich ein Maßnahmenpaket verabschiedet, um ab 2020 Kosten zu reduzieren und die Effizienz zu steigern. Mit Erfolg, wie sich nun zeigt.

Zu den wichtigsten Entscheidungen zählte, notwendige Kapazitäten anzupassen sowie das Produktportfolio und die Vertriebsstruktur zu optimieren. Zudem wurden im Einkauf kurz- bis mittelfristig erfolgsrelevante Änderungen durchgeführt. Wichtige Stellhebel dabei sind

  • ein kultureller Wandel bei der Ausrichtung der Einkaufsorganisation,
  • die Umsetzung innovativer Einkaufsmethoden sowie
  • die Optimierung des Betriebskapitals.

Die übergeordnete Zielsetzung ist,

  • starke und langfristige Partnerschaften mit Schlüssellieferanten aufzubauen,
  • durch kontinuierliche Verbesserungen der Einkaufspreise und des Qualitätsniveaus einen signifikanten Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten sowie
  • langfristig das Working Capital der Division zu optimieren.

Mitarbeiter des Einkaufs von Benteler Steel/Tube arbeiten hierbei eng mit den Kollegen anderer Bereiche, insbesondere der Produktion, zusammen, um die neuen Instrumente gemeinsam einzusetzen.

Drei Ziele stehen bei den Veränderungen im Fokus: Zum einen, eine Leistungskultur mit unternehmerischer Verantwortung eines jeden Einzelnen zu etablieren. Hierzu zählt, nach überdurchschnittlichen Ergebnissen in der Abteilung zu streben – gestärkt durch disruptives Denken und innovative Einkaufsmethoden wie beispielsweise 360°-Workshops oder Verhandlungsevents. Zweitens, die Einkaufskosten durch Preisreduktion und Cost-Out-Maßnahmen (Maßnahmen zur Kostenoptimierung) unabhängig von Marktpreisentwicklungen nachhaltig zu senken. Als drittes Ziel hat sich Benteler Steel/Tube vorgenommen, das Betriebskapital zu optimieren. Man plant hierfür, die Zahlungsziele konsequent zu verlängern, Supply Chain Finance („Reversed Factoring“) stärker zu nutzen und die Einführung von Konsignationslagern zu erreichen. Im Detail stellen sich die Veränderungen wie folgt dar.

Organisation von Lieferantentagen

Das Konzept der Verhandlungsevents, an denen mehrere, im Wettbewerb zueinanderstehende Lieferanten mit Benteler Steel/Tube zusammenkommen, ist vorwiegend aus dem Automobilbereich bekannt. Ziel ist, möglichst attraktive Pakete für die Lieferanten zu schnüren, um diese zu ihrem besten Angebot herauszufordern. Zunächst ermittelt Benteler Steel/Tube jene Einkaufskategorien, bei denen das größte Potenzial für Verhandlungen liegt. Anschließend lädt Benteler Steel/Tube verschiedene Lieferanten vor Ort ein. Im Rahmen dieses Meetings führen die Teilnehmer mehrere Verhandlungsrunden durch, bis das optimale Ergebnis erreicht ist. Diese Verhandlungsevents sind seit 2019 fester Bestandteil der Beschaffungsstrategie und bilden die Grundlage für die zukünftige Zusammenarbeit mit den Partnern.

Durchführen von 360°-Workshops

Das Ziel der 360°-Workshops ist, durch effizienteres oder intelligenteres Vorgehen Einsparungen zu erzielen. Benteler Steel/Tube beginnt zunächst damit, Informationen zu bestimmten Produkten oder Einkaufskategorien zu erfassen wie beispielsweise zum historischen Einkaufsvolumen, zur Kostenstruktur von ausgewählten Komponenten oder zu bestimmten Materialspezifikationen. Im nächsten Schritt fokussiert sich das Unternehmen auf drei Schlüsselbereiche: Kosten, Design beziehungsweise Spezifikation sowie Prozess. In den Workshops entwickeln die Teilnehmer Ideen, wie sich Verbesserungen für diese drei Bereiche erzielen lassen. Hier ist es sehr wichtig, ein funktionsübergreifendes Team von Mitarbeitern aus den Bereichen Produktion, Entwicklung, Qualität und Kostenplanung einzubeziehen.

Das Ergebnis sind konkrete Arbeitspakete, um Kosten zu senken, mit klar definierten Verantwortlichkeiten seitens Benteler als auch seitens des Lieferanten. Ein Ergebnis eines Workshops ist beispielsweise die Standardisierung von verschiedenen Verpackungsarten, die es dem Lieferanten ermöglicht, die Produktion auf weniger Varianten zu optimieren und dadurch die Kosten pro Einheit zu senken. Da es sich bei den im Workshop entwickelten Ideen häufig um echte Kosten- und nicht nur um Preissenkungen handelt, generiert Benteler Steel/Tube eine Win-Win-Situation für beide Seiten und schafft somit die Motivation die Anregungen und Wünsche umzusetzen. Zudem wird regelmäßig verfolgt, inwieweit beschlossene Maßnahmen umgesetzt wurden.

Die Kostenmodellierung ist ein Werkzeug, um mehr Transparenz der Kostenstrukturen und Prozesse der Lieferanten zu schaffen. Auf Basis eines detaillierten Modells analysiert Benteler Steel/Tube die Kostenstrukturen und ermittelt die Herstellungskosten zunächst selbst. Anschließend fordert das Unternehmen Angebote in Form einer Aufschlüsselung der Kosten, sogenannte „Cost Breakdowns“, bei den Lieferanten an. So lässt sich ein Vergleich des Gesamtpreises wie auch der einzelnen Kostenkomponenten vornehmen. Benteler Steel/Tube will gemeinsam mit den bestehenden Lieferanten den Preis, den das Unternehmen aktuell bezahlt, auf der Grundlage dieser tiefgehenden Analyse der Herstellungskosten offen diskutieren und aufgrund von „Benchmarking“ optimieren. Ziel ist es, mit diesen Kostenmodellen nicht mehr als 5 Prozent von den Angeboten der Lieferanten entfernt zu sein.

Verstärkte Kostenmodellierung

Ein erstes Zwischenfazit zu den vollzogenen Maßnahmen fällt sehr positiv aus: Über den Einsatz innovativer Einkaufsmethoden wie etwa den Verhandlungsevents konnte Benteler deutliche Einsparungen erzielen. Ebenso leisten Optimierungen beim Working Capital einen aktiven Beitrag, etwa durch Bestandsreduktionen oder Verbesserungen der Liefer- und Zahlungsbedingungen. Innovative Einkaufsmethoden verbessern somit die Wettbewerbsfähigkeit von Benteler Steel/Tube, denn sie senken die Einkaufskosten und optimieren langfristig die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen des Unternehmens.

Die Veränderungen im Einkauf finden im Rahmen eines Kulturwandels und einer Restrukturierung von Benteler Steel/Tube insgesamt statt. Auch in Zukunft wird die Stahlrohrdivision Optimierungspotenzialen über den Einkauf hinaus festhalten, um einen wertvollen Beitrag zur Restrukturierung des Unternehmens zu leisten.


Hintergrund

Geopolitische und konjunkturelle Unwägbarkeiten haben vor zwei Jahren den weltweiten Stahlrohrmarkt deutlich beeinträchtigt. Der Ausblick der Experten auf das Jahr 2020 blieb verhalten. Dann kam die Covid-19-Krise. Die Preisentwicklung war entsprechend rückläufig. Die konjunkturellen Aussichten der Branche in den Kern-Märkten Öl und Gas, Automotive und im Maschinenbau sind bis heute unsicher. Ein erhöhter Wettbewerbsdruck und Überkapazitäten im europäischen Markt verschärfen die Marktsituation zunehmend. Denn Umsatz- und Margenniveau sind wesentliche Treiber des Unternehmensergebnisses und werden maßgeblich durch das Markt- und Wettbewerbsumfeld geprägt.


Benteler Steel/Tube entwickelt und produziert Stahl sowie nahtlose und geschweißte Qualitätsstahlrohre.
Bild: Benteler Steel/Tube
Benteler Steel/Tube entwickelt und produziert Stahl sowie nahtlose und geschweißte Qualitätsstahlrohre.
Bild: Benteler Steel/Tube

Benteler Steel/Tube

Die weltweit agierende Benteler Gruppe ist in den Divisionen Automotive und Steel/Tube organisiert. Benteler Steel/Tube entwickelt und produziert Stahl sowie nahtlose und geschweißte Qualitätsstahlrohre. Als einer der führenden Hersteller bietet das Unternehmen seinen Kunden weltweit Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von der Werkstoffentwicklung bis zur Rohranwendung. So schafft Benteler Steel/Tube maßgeschneiderte Produkte aus Rohr für die Märkte Automobil, Energie und Industrie.


Robert Snijder, Vice President Procurement, Benteler Steel/Tube GmbH
Bild: Beneteler Steel/Tube

Nachgefragt – Fragen an den Autor Robert Snijder

Beschaffung aktuell: Viele Unternehmen sehen eine zukunftsweisende Lösung in der Digitalisierung. Welchen Stellenwert hat diese bei Benteler Steel/Tube?

Robert Snijder: Natürlich ist die Digitalisierung wichtig, aber sie ist kein Mittel zum Selbstzweck. Unser oberstes Ziel besteht darin, langfristig einen Wandel von einer prozessorientierten zu einer leistungsorientierten Einkaufsabteilung zu vollziehen. Dieser Wandel wird durch die zunehmende Standardisierung und Digitalisierung von Aufgaben sowie durch die Implementierung neuer Einkaufsmethoden unterstützt. Um unseren Fokus immer stärker auf wertschöpfende Aktivitäten richten zu können, digitalisieren wir zunehmend repetierende Arbeitsprozesse wie Rechnungsbuchung und -prüfung.

Die Maßnahmen, die sie in Ihrem Beitrag erwähnen, scheinen in erster Linie zu Kostenreduzierungen beizutragen. Wie steht es um Faktoren wie Innovationsfähigkeit oder Nachhaltigkeit?

Snijder: Innovation ist ein wichtiger Leistungsparameter im Einkaufsbereich von Benteler Steel/Tube. Unter anderem in den von mir beschriebenen 360-Grad-Workshops generieren wir innovative Ideen. Die Reduktion der Variantenvielfalt beim Verpackungsmaterial erwähnte ich bereits. Zusätzlich lassen sich Materialeinsparungen erzielen, indem die Wandstärke von Transportkisten reduziert wird. Wir nutzen unsere Veranstaltungen zudem, um Planungsprozesse zu optimieren und dadurch effizienter zu arbeiten. Gemeinsam mit den Lieferanten prüfen wir in regelmäßigen Abständen, ob wir mit unseren Maßnahmen erfolgreich sind. Auch das Thema Nachhaltigkeit hat für uns einen hohen Stellenwert. Mit unserem Elektrolichtbogenofen sind wir etwa im Vergleich zum konventionellen Stahlprozess sehr gut aufgestellt. Als Rohmaterial nutzen wir Stahlschrott, wir setzen auf grüne Energie und unsere Produkte transportieren wir häufig mit der Bahn, um unsere Kunden zu beliefern.

Wie haben die Lieferanten auf Initiativen wie den Verhandlungsevents reagiert?

Snijder: Nicht nur für uns ist es wichtig, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, auch für unsere Lieferanten sind Verbesserungen ein ständiger Prozess. Somit sind wir auf große Bereitschaft gestoßen, gemeinsam Optimierungen zu entwickeln. Unsere Lieferanten verstehen sehr gut, dass wir am Standort Deutschland eine besondere Herausforderung haben und nur über Kostenreduktion und -effizienz sowie Innovation und Nachhaltigkeit gegen den Wettbewerb gewinnen können.

Sie sprechen von einem Kulturwandel. Welche weiteren Faktoren machen den Kulturwandel im Einkauf von Benteler Steel/Tube aus?

Snijder: Wir sind sehr erfolgreich darin, Prozesse mit einer guten Produktionsbasis sehr gründlich zu durchdenken. Gleichzeitig werden wir durch den zunehmenden Wettbewerb ständig herausgefordert. Um uns von diesem Druck zu entlasten, müssen wir den Blick nach außen richten. Noch sind wir stark vom deutschen Geschäftsumfeld geprägt. Aber wir schauen uns zunehmend Erfolgsbeispiele auf der ganzen Welt an. Wir wollen von anderen Branchen und Ländern lernen und Dinge übernehmen, die für uns vorteilhaft sind. Mit neuen Methoden der Kostenmodellierung aus dem asiatischen Raum sowie 360°-Workshops und Verhandlungsevents aus den USA haben wir im Einkauf die ersten Schritte gemacht. Diesen Weg werden wir weitergehen und innovative Methoden vom internationalen Wettbewerb adaptieren. Ziel ist dabei, unsere Division im internationalen Wettbewerb zukunftssicher aufzustellen.

Wie sind Sie bei der Einführung des Kulturwandels vorgegangen?
Wie haben Sie die Menschen (Einkäufer) mitgenommen? Gab es Widerstände? Wenn ja, wie sind Sie denen begegnet?

Snijder: Johan Cruijff, der niederländische Fußballspieler, sagte einmal: „Man sieht es nur, wenn man es sieht.“ Wichtig ist, dass die MitarbeiterInnen aus dem Einkauf die neuen Methodiken wirklich verstehen und erkennen, wie sehr diese unserem Unternehmen nützen. Deshalb ist es entscheidend, die anstehenden Änderungen gut zu erklären und anhand der Ergebnisse zu prüfen, ob die Maßnahmen auch richtig verstanden und umgesetzt worden sind. Das ist ein Prozess. Das heißt, dass wir kontinuierlich über unsere Maßnahmen und unsere Erfolge berichten – auch bereichsübergreifend. Wichtig ist dabei natürlich auch, gut zuzuhören, Fragen zu beantworten und möglicherweise Bedenken zu entkräften. Natürlich gibt es immer KollegInnen, die offener für Veränderungen sind als andere. Aber insgesamt habe ich den Eindruck, dass wir auf einem guten Weg sind und der Kulturwandel von den meisten mitgetragen wird.


Bild: Benteler

Der Autor: Robert Snijder

Vice President Procurement, Benteler Steel/Tube GmbH

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