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Metallmarkt – Auffälligkeiten und Trends

Metallmarkt – Auffälligkeiten, Trends und der Faktor KI
„Nachfrage nach sauberem Schrott wird stark ansteigen“

„Nachfrage nach sauberem Schrott wird stark ansteigen“
Dr. Sebastian Kreft (im Bild) hat gemeinsam mit Dr. Frank Jackel Metalshub die Supply-Chain-Lösung Metalshub entwickelt. Inzwischen ist der Softwarespezialist mit Sitz in Düsseldorf für den Kauf und Verkauf von Rohstoffen in 130 Ländern aktiv. Bild: Jan Ladwig
Beim Kauf und Verkauf von Rohstoffen in 130 Ländern ist Softwarespezialist Metalshub aktiv. Fokus liegt auf der globalen Metall- und Bergbauindustrie. Dr. Sebastian Kreft ist einer der Gründer der Supply-Chain-Lösung, er berichtet im Interview über Marktauffälligkeiten, Trends und dem Faktor KI.

Für Beschaffung aktuell führte die Journalistin Sabine Ursel das Interview.

Beschaffung aktuell: Herr Kreft, welche Auffälligkeiten und Trends haben Sie in den vergangenen Monaten festgestellt?

Sebastian Kreft: Ich beginne mal mit einem Rückgriff auf 2022: Das Jahr war geprägt von der Nickelkrise an der London Metal Exchange, darüber wurde bereits viel berichtet. Auf unserem Metalshub Summit im September 2023 hat der CEO der LME, Matthew Chamberlain, über Maßnahmen gesprochen, die seitdem ergriffen wurden, etwa die Einführung eines Tageslimits, um wieviel der Preis an einem Tag maximal steigen oder fallen kann und die Pflicht, Positionen im Over-The-Counter-Markt täglich an die LME zu berichten. Im Jahr 2023 war der kometenhafte Anstieg und dann der Fall des Ferromolybdänpreises am spektakulärsten. Der Preis lag Anfang Dezember 2022 bei ca. 50 USD pro kg. Bis Februar 2023 stieg er auf 98 USD an, um im April wieder auf unter 50 USD zu fallen. Derzeit (November 2023; die Red.) bewegt sich der Preis zwischen 45 und 55 USD pro kg ohne zu große Ausschläge. Was Metalshub selbst betrifft: Trotz wirtschaftlichen Abschwungs konnten wir starke Wachstumsraten verzeichnen und als Technologieunternehmen auch gegen den negativen Trend der massenhaften Personalentlassungen in der Softwarebranche agieren. Wir haben neue Arbeitsplätze geschafft und wollen weiter aufstocken.

Beschaffung aktuell: Welche Schwerpunkte gibt es bei den Transaktionen auf Ihrer Plattform bzw. was wird am häufigsten gehandelt?

Sebastian Kreft: Wenn es nach der Anzahl der Transaktionen geht, liegen Ferrolegierungen wie Ferromolybdän und Ferrosilizium vorn. Bei der Anzahl der eingekauften Tonnen sind das Eisen- und Stahlschrotte sowie Koks.

Beschaffung aktuell: Sind die wesentlichen Player als Verkäufer und Käufer dabei? Und wer ist das?

Sebastian Kreft: Gestartet haben wir 2016 mit der Procurement Solution für rohstoffeinkaufende Unternehmen, vor allem Stahlwerk und Stahlgießereien. Kunden sind u. a. Outokumpu, Saarstahl, die Georgsmarienhütte Gruppe, Benteler, Schmidt + Clemens, Friedrich Lohmann, Metso, MAT Foundry Group, Natsteel in Singapur und viele andere. Die Unternehmen laden dann ihr jeweiliges Lieferantennetzwerk auf Metalshub ein. Weitere Nutzer sind führende Rohstoffproduzenten wie Vale, Elkem, Finnfjord, CBMM, Rio Tinto und Molymet. Und als Rohstoffhändler sind u.a. L&M, Trafigura und TSR aktiv. 2022 haben wir die Sales Solution entwickelt, die von führenden Bergbauunternehmen genutzt wird, zum Beispiel von Anglo American. Bisher haben rund 1600 Unternehmen weltweit über 7700 Transaktionen im Wert von über 2,9 Mrd. Euro über Metalshub getätigt.

Beschaffung aktuell: Worauf liegt geografisch der Fokus?

Sebastian Kreft: Das war bisher Europa, diese Region stand zuletzt für über 80 Prozent der Umsätze. Seit 2023 expandieren wir nach Asien und Südamerika. Derzeit sind wir in 130 Ländern aktiv. Die Software ist aktuell in sieben verschiedenen Sprachen verfügbar.

Beschaffung aktuell: Welche Prozesse decken Sie ab?

Sebastian Kreft: Auf der Procurement-Seite decken wir den Source-to-Contract-Prozess und das Lieferantenmanagement ab. Mit der Sales Solution bieten wir eine Kombination aus CRM und CPQ. Bei CPQ – also Produktkonfiguration, Preiskalkulation, Angebotserstellung – geht es um das systematische Erfassen aller Anfragen und die Unterstützung bei Preiskalkulation und Angebotserstellung. Der Metalshub Intelligence Service – Metis – stellt Preis-Indizes und Marktinformationen bereit. Unsere Preisindizes beruhen auf realen Transaktionen und Geld-/Briefkursen, die über die digitale Plattform abgeschlossen werden. Zudem lassen sich Geschäfte von A bis Z abwickeln, einschließlich Versicherung, Transport, Finanzierung etc. Zusammengefasst ermöglichen wir Kunden auf der Einkaufsseite, noch bessere Entscheidungen auf Basis zentraler Daten und eines transparenten Prozesses zu treffen. Bei den Kunden steigt die Wahrscheinlichkeit, trotz volatiler Marktpreise signifikante Einsparungen zu erzielen. Auf der Verkaufsseite unterstützen wir im Vergleich zu herkömmlichen CRM-Lösungen dabei, die in der Industrie so wichtigen Bereiche wie Logistik, Lagerhaltung und Vertrieb zu vernetzen.

Beschaffung aktuell: Ihre Datenauswertung und Datenauswahl basieren auf Algorithmen. Alle Datenpunkte werden automatisiert gesammelt. Waren Sie ein KI-Vorreiter?

Sebastian Kreft: Seit längerem schon entwickeln wir verschiedene KI-gestützte Funktionen und Funktionalitäten. Die Erstellung der Metis-Preisindizes gehört nicht dazu. Unsere Indizes werden regel-basiert erstellt, es gibt Algorithmen, die wir unter Einbeziehung von Experten aus der Industrie geschrieben haben.

Beschaffung aktuell: Was wird KI in Zukunft können – und woran arbeiten Sie derzeit als Dienstleister?

Sebastian Kreft: Wir arbeiten derzeit an verschiedenen spannenden Use Cases für den Einsatz von KI. Ein Beispiel ist das automatische Strukturieren unstrukturierter Daten, wie sie oft in E-Mails vorkommen. Demnächst werden sich tausende E-Mails in Sekunden auswerten lassen. Einen sehr interessanten KI-Use Case haben ArcelorMittal und unser Partnerunternehmen Foresight Data Machines auf unserem Metalshub Summit präsentiert. Dabei ging es um die Nutzung von KI in Sachen „Zutaten“, also darum, die Mischung verschiedener Schrottsorten für die Produktion einer bestimmten Stahlrezeptur zu optimieren.

Beschaffung aktuell: Gibt es Marktteilnehmer, die ihre Geschäfte noch analog „managen“? Wie lange geht sowas noch?

Sebastian Kreft: Ganz analog arbeitet heute in der Metallindustrie niemand mehr. Aber es gibt noch immer eine große Kluft. Einige Unternehmen wickeln alle Pre-Trade-Prozesse wie Source-to Contract, also alles, was vor dem Vertragsabschluss passiert, ausschließlich über Telefon und E-Mail ab. Viele Unternehmen, vor allem Größere, nutzen längst moderne Software für diese Prozesse.

Beschaffung aktuell: Stichwort Risikomanagement: Welche Rolle spielt Metalshub dabei für die Marktteilnehmer?

Sebastian Kreft: Plattformen können helfen, Risiken zu minimieren. Metalshub führt zum Beispiel kontinuierliche Know-your-Counterparty-Checks durch. Dabei soll sichergestellt werden, dass sanktionierte oder insolvente Unternehmen nicht zum Handel zugelassen werden. In einem Fall konnten wir sogar einen Betrugsversuch aufdecken: Ein Unternehmen hat versucht, unter Angabe einer falschen Identität Metall zu ergaunern. Plattformen sollten zudem ermöglichen, dass der Prozess der Vertrauensbildung zwischen Käufern und Verkäufern beschleunigt wird. Für diesen Zweck haben wir ein transparentes Bewertungssystem, mit dem sich Käufer und Verkäufer nach einer abgewickelten Transaktion gegenseitig bewerten können.

Beschaffung aktuell: Kann man eine solche Plattform an Risk-Systeme in den Unternehmen anbinden? Welche Voraussetzung muss es an den Schnittstellen geben?

Sebastian Kreft: Ja, das lässt sich anbinden. Die großen ERP-Anbieter möchten gerne immer alle Lösungen für alles verkaufen, das ist aber selten der beste Weg. IT-Experten wie Gartner sind sich heute einig, dass es ein führendes System geben muss. Daran werden dann via APIs Spezialsysteme für unterschiedliche Aufgaben und Prozesse angebunden. Gemeinsam mit unseren Kunden erarbeiten wir in einem vier- bis sechswöchigen Projekt eine API-Schnittstelle in das jeweils genutzte ERP-System. So wird sichergestellt, dass Daten nahtlos übergeben werden und keine lästige manuelle Datendoppeleingabe mehr erfolgen muss. Motto: „Clean data is the new gold“.

Beschaffung aktuell: Wie schnell machen sich Naturkatastrophen wie Hochwasser oder Brände bemerkbar auf Plattformen wie Metalshub?

Sebastian Kreft: Das kommt darauf an. Ereignisse, die signifikante Auswirkungen auf Supply bzw. Demand haben, wirken sich schon innerhalb von Stunden auf die physischen Märkte aus. Ein Beispiel ist der Beginn des Ukraine-Kriegs, der ja auch Auslöser für die LME-Nickelkrise war. Bei anderen Ereignissen ist oft nicht sofort klar, wie stark die Auswirkungen sein werden und wie lange sie anhalten. Beispiel hierfür sind der Putsch im Niger im August in Bezug auf Manganexporte und das Erdbeben in der Türkei hinsichtlich Chromerz und Ferrochromexporte. Für Händler bieten solche Ereignisse oft große Chancen, hohe Gewinne einzufahren, vorausgesetzt, sie handeln rasch und positionieren sich richtig. Unsere Technologie bietet die Möglichkeit, mehr Wissen zu erlangen. Wissen ist vor allem in Krisenzeiten ein großer Vorteil.

Beschaffung aktuell: Was waren seit Ihrer Gründung die heftigsten Ereignisse, die sich auf Plattform widergespiegelt haben?

Sebastian Kreft: Das war der Beginn der Corona-Pandemie. Im April 2020 war die Verunsicherung sehr groß. Unsere monatlichen aktiven Nutzer sind im Vergleich zum Februar 2020 um 20 Prozent gesunken. Solche Abstürze sehen wir sonst nur zwischen Weihnachten und Neujahr. Die Anzahl der Anfragen von Endkunden war von April bis Juli sehr niedrig und die Angebotsquote, also die durchschnittliche Anzahl von Angeboten je Anfrage, erreichte im Juni 2020 ein Allzeithoch – das ist ein Rekord, der bis heute anhält. 2021 war ein Jahr, das von Lieferketten- und Logistikproblemen geprägt war, da drehte sich der Trend. Die Nachfrage stieg und die Angebotsquote sank kontinuierlich von November 2020 bis Juli 2021 auf ein Allzeittief. Aber auch die Folgen des Kriegsausbruchs waren 2022 noch stark auf Metalshub zu spüren. Im März war die Nachfrage noch relativ normal. Dann sank die Anzahl der Anfragen auf unserer Plattform im April, Mai und Juni 2022 sehr stark, was einem Einbruch von 35 Prozent entsprach. Gleichzeitig stieg die Angebotsquote sprunghaft an.

Beschaffung aktuell: Welche Prognosen können Sie für die nahe Zukunft ableiten? Was fragen Kunden ab?

Sebastian Kreft: Unsere Prognose: Die Nachfrage nach sauberem Schrott wird stark ansteigen. Hier besteht für viele Unternehmen, die auf ausreichend sauberen Schrott angewiesen sind, rascher Handlungsbedarf. Das Thema KI ist aktuell ein absolutes Hype-Thema, mit dem sich vieler unserer Kunden auseinandersetzen. Auch Sustainability ist ganz oben auf der Agenda. Etwa: Wie schafft man es, ein sauberes und vertrauenswürdiges CO2-Reporting aufzubauen? Über alles gesehen: „Digitale Transformation“ ist nach „Kosten senken“ an zweiter Stelle der Priorität auf der Agenda der Chief Procurement Officer.


Über Metalshub

Metalshub ist ein unparteiischer und unabhängiger Vorreiter der digitalen Transformation in der Metallindustrie. Das Unternehmen hat eine digitale Lösung für die globale Handelskette von metallischen Rohstoffen, einschließlich Rohstoffbeschaffung und -vermarktung. Darüber hinaus bietet Metalshub die ersten Preisindizes nicht börsengehandelte Rohstoffe, die ausschließlich auf Transaktionen basieren. Im Jahr 2022 wurde erfolgreich ein Prämienindex für Nickel-Briketts eingeführt.

Seit 2021 arbeitet Metalshub in Partnerschaft mit der London Metal Exchange (LME), der führenden Börse für Industriemetalle, zusammen, um digitale Handelslösungen für Basismetalle wie Aluminium, Kupfer und Zink anzubieten. Diese Kooperation ermöglicht es beiden Partnern, der Industrie eine Lösung zur Verfolgung des CO2-Fußabdrucks von Metallprodukten über die gesamte Lieferkette anzubieten.

www.metals-hub.com

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