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Nordamerikanischer Werkzeugbau

Internationale Beschaffungsmärkte
Nordamerikanischer Werkzeugbau

Werkzeuge haben entscheidenden Einfluss auf Kosten und Qualität der zu fertigenden Teile. Die Herausforderung besteht darin, weltweit die besten Lieferanten zu finden und mit diesen zu den richtigen Preisen abzuschließen. Die Aachener Werkzeugbau Akademie beschreibt die Chancen des nordamerikanischen Marktes.

Die Vereinigten Staaten von Amerika wiesen im Jahr 2014 eine Wirtschaftswachstumsrate von 2,4 Prozent auf. Kanada, die elftgrößte Volkswirtschaft der Welt, wuchs um 2,5 Prozent. Kanada exportiert überwiegend Automobile, Maschinen und Rohöl. Neben Rohöl verfügt Kanada zudem über weitere große Rohstoffvorkommen wie Zink, Uran, Kalium und Schwefel. Auch die USA verfügen über reiche Rohölvorkommen. Durch den Einsatz von Fracking wurden in den letzten zwei Jahren zusätzliche Ölfelder erschlossen, wodurch die USA zu einem Ölexporteur wurden. Allerdings stellen die derzeit niedrigen Ölpreise die Wirtschaftlichkeit von Fracking infrage. Neben Rohöl sind Automobile und Flugzeuge die drei wichtigsten Exportgüter der USA. Die in 2008 stark angestiegene Arbeitslosigkeit, ausgelöst durch die Wirtschafts- und Finanzkrise, ist in den USA und Kanada ab 2010 kontinuierlich gesunken und betrug im Jahr 2015 5,5 Prozent (USA) bzw. 6,8 Prozent (Kanada). Die wichtigsten Handelspartner von Kanada sind die USA, China, Mexiko, das Vereinigte Königreich und Japan. Die wichtigsten Handelspartner der USA sind Kanada, China, Mexiko, Japan und Deutschland. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA, seit 1.1.1994 in Kraft) sorgte für eine positive Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts der beteiligten Länder. Unter Experten gilt die positive Entwicklung jedoch als umstritten. Die Einführung der Freihandelszone führte zu einem geringeren Schutz des kanadischen Marktes. Viele Unternehmen, einschließlich zahlreicher Werkzeugbaubetriebe, waren nicht mehr konkurrenzfähig und wurden von ausländischen Investoren übernommen. Ein Abbau von Arbeitsplätzen war die Folge.

Die wichtigsten Ballungsgebiete für die Werkzeugherstellung in den USA sind in Michigan, Illinois, Pennsylvania und Wisconsin. Das wichtigste werkzeugbauspezifische Ballungsgebiet in Kanada ist in Ontario, wegen dessen günstiger geografischen Lage zu Detroit. Seit 2005 ist die Branche laut amerikanischer Statistikbehörde um ca. 20 Prozent geschrumpft und beschäftigt derzeit etwa 75 950 Mitarbeiter. Dieser Entwicklung steht eine hohe Werkzeugnachfrage und ein im Vergleich zu Kanada immer noch hohes Produktionsvolumen von Werkzeugen entgegen. Die in den vergangenen Jahren gestiegene Nachfrage liegt in den kurzen Modelllebenszyklen und Modellpflegeintervallen der Autoindustrie, der wachsenden nordamerikanischen Wirtschaft sowie expliziten staatlichen Förderprogrammen für die Stärkung des mittelständischen, produzierenden Gewerbes begründet. Das nordamerikanische Werkzeugangebot reicht nicht aus, um den inländischen Bedarf zu decken. Werkzeugimporte, insbesondere aus China und Japan, sind erforderlich, um die notwendigen Kapazitäten bereitzustellen. Kanada zeigt eine ähnliche Entwicklung wie die der USA in den Jahren ab 2005 mit einem Trend zur De-Industrialisierung sowie ab 2009 mit einem Abschwung, ebenfalls bedingt durch die Wirtschaftskrise. Es existieren nur noch etwa 464 Werkzeugbetriebe, die insgesamt 5600 Mitarbeiter beschäftigen. Jedoch verfügen diese Betriebe über eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und Werkzeugbaukompetenz, trotz einer im Vergleich zu den USA geringen Anzahl an Patentanmeldungen im Werkzeugbau. Je nach Entwicklung des Wechselkurses zwischen amerikanischem und kanadischem Dollar genießen die kanadischen Werkzeugbaubetriebe Wettbewerbsvorteile gegenüber dem amerikanischen Markt. Kanadische Werkzeuge sind im Durchschnitt qualitativ hochwertiger als die der USA, auch wenn in beiden Ländern Werkzeugbaubetriebe für hochkomplexe Anwendungen anzutreffen sind.
Im Jahr 2013 wurden in den USA insgesamt Werkzeuge im Wert von 1141 Mio. € exportiert. Davon entfielen 650 Mio. € auf Spritzgießwerkzeuge, 429 Mio. € auf Blech- und Massivumformwerkzeuge und 62 Mio. € auf Druckgusswerkzeuge. Bei dem Import von Werkzeugen konnten die USA 2013 einen Gesamtwert von 2545 Mio. € verzeichnen. Geringer werdende Lohnkostenunterschiede zwischen den USA und anderen Märkten, die als externe Werkbank genutzt werden, ermutigen zunehmend Unternehmen, unterstützt durch staatliche Mittel, Teile ihrer Wertschöpfung zurück in die USA zu holen.
In Kanada liegt der Werkzeugbaufokus auf großen Spritzgießwerkzeugen und Großblechbearbeitungswerkzeugen. Im Jahr 2013 wurden insgesamt Werkzeuge im Wert von 1037 Mio. € exportiert. Davon entfielen 776 Mio. € auf Spritzgießwerkzeuge, 248 Mio. € auf Blech- und Massivumformwerkzeuge und 13 Mio. € auf Druckgusswerkzeuge. Ca. 75 Prozent der kanadischen Werkzeuge wurden in die USA exportiert. Beim Import von Werkzeugen konnte Kanada einen Wert von 452 Mio. € verzeichnen.
Der nordamerikanische Werkzeugbau steht grundsätzlich einer positiven Entwicklung gegenüber. In den nächsten Jahren muss jedoch massiv in Qualifizierungsmaßnahmen von jungen Mitarbeitern investiert werden, da das Durchschnittsalter von Mitarbeitern im Werkzeugbau in den USA bei 52 Jahren und damit sogar über dem schon hohen Durchschnitt in Deutschland (ca. 45 Jahre) liegt. Ein hoher Qualifizierungsbedarf äußert sich in teilweise fehlenden Kompetenzen aufgrund mangelnder Ausbildungsprogramme, beispielsweise in der CAM-Programmierung. Auch Investitionen in Automatisierungslösungen sind sowohl in den USA als auch in Kanada erforderlich, um eine langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Die Entwicklungsgeschwindigkeit des kanadischen Werkzeugbaumarktes wird jedoch durch vermehrte Investitionen in Mexiko seitens der USA gebremst.
Trotz der positiven Entwicklung des nordamerikanischen Werkzeugbaumarktes ist die Beschaffung von Werkzeugen in Nordamerika aus Sicht deutscher Betriebe in der Regel unattraktiv. US-amerikanische und kanadische Werkzeuge weisen im Vergleich zu deutschen Werkzeugen eine durchschnittlich geringere Komplexität bei einem ähnlichen Preisniveau auf. Kostenreduktion oder Kompetenzzukauf können durch die Beschaffung von Werkzeugen aus Nordamerika demnach nicht realisiert werden. Für die Werkzeugversorgung von lokalen Produktionsstandorten in den USA oder Kanada können jedoch lokale Werkzeuge beschafft und eingesetzt werden.

Werkzeugbau-Cluster Aachen

Info

Das Angebot der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie beinhaltet neben der Industrieberatung, maßgeschneiderte Weiterbildungsmöglichkeiten für Nachwuchs- und Führungskräfte sowie anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung und Branchennetworking.
Als Plattform stellt die WBA die Verbindung zwischen Wissenschaft und Industrie her. Die WBA ist in der Lage, auf das Wissen des Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und dem Fraunhofer Institut für Produktionstechnologie IPT zurückzugreifen.

Internationaler Werkzeugbau

Serie

Die WBA Aachener Werkzeugbau Akademie beschreibt im Rahmen einer dreiteiligen Reihe das Potenzial des internationalen Werkzeugeinkaufs. Im ersten Teil der Serie (Beschaffung aktuell Ausgabe März 2016) wurden die Chancen des chinesischen Marktes präsentiert. Im zweiten Teil werden nun die Chancen des Werkzeugbaus am nordamerikanischen Markt dargestellt.

Einkauf von Werkzeugen

Veranstaltungstipp

Um Angebote der Werkzeuglieferanten bewerten zu können, bedarf es einer systematischen Vorgehensweise zur Kalkulation der Total Costs of Ownership und der vom Lieferanten geforderten Preise. Fundierte Preisanalysen sowie Wertanalysen mit den Werkzeugmachern und die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Entwicklung sind daher unverzichtbare Stellhebel für eine optimale Beschaffung. Die Qualitätssicherung und die Absicherung gegen Risiken beginnen bereits bei der Auswahl der Werkzeuglieferanten und müssen in wasserdichte Verträge einmünden.
Am 14. und 15. Juni findet das 7. BME-Forum Einkauf von Werkzeugen in Stuttgart statt. Kooperationspartner sind der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. Werkzeugbau (VDMA), der Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer e.V. (VDWF) und die Landesmesse Stuttgart.

Dr. Wolfgang Boos, Geschäftsführer , WBA
Michael Salmen, M. Sc., Leiter Industrieberatung, WBA
Thomas Kuhlmann, M. Sc., M. Sc., Gruppenleiter Industrieberatung, WBA
Dipl.-Wirt.-Ing. Maximilian Stark, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, WBA Aachener Werkzeugbau Akademie
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