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Nur der frühe Vogel fängt den Wurm

Performance Measurement – Respekt für den Einkauf
Nur der frühe Vogel fängt den Wurm

Jeder macht Performance Measurement. Trotzdem genießt der Einkauf nicht überall das Ansehen, das er verdient hat. Ein neues Performance Measurement ändert das. Da wird gezeigt, was der Einkauf wirklich leistet.

Prof. Dr. Michael Henke Dipl.-Kfm. Volker Grötsch, Supply Chain Management Institute

Nicht alle Vorstände und insbesondere nicht alle Finanzvorstände wissen, was sie am Einkauf haben. Ganz zu schweigen von vielen Linien- und Projektmanagern. Obwohl das Performance Measurement einer leistungsstarken Einkaufsabteilung jedes Jahr beachtliche Zahlen vorlegt. Die Krux: Viele der internen Kunden halten diese Zahlen nicht für beeindruckend, sondern für unglaubwürdig oder schlicht geschönt. Das hässliche Wort von den Powerpoint-Savings macht die Runde. Das hat weniger mit mangelndem Respekt gegenüber dem Einkauf zu tun. Es hat eher damit zu tun, dass Vorstände und Fachabteilungen wenig mit den Zahlen des Einkaufs anfangen können.
Die Sprachverwirrung beginnt bereits bei den einfachsten Begriffen. „Savings“ zum Beispiel kennt keine Fachabteilung. Sie kennt Budgets und Kosten. Wie eine neue SMI-Untersuchung zeigt, kann dieser babylonische Sprachknoten jedoch entwirrt werden. Zum Beispiel dadurch, dass der Einkauf nicht länger auf dem unglücklichen Begriff „Savings“ beharrt. Vielmehr sollte er versuchen, seine Einsparungen und andere Wertbeiträge direkt in den Budgets der Linie sichtbar zu machen. Denn das ist das eigentliche Problem.
Im letzten Jahr zum Beispiel hat der Category Manager Travel eines Unternehmens dank cleverer Verhandlung mit dem Reisebüro Savings von 10 Prozent erreicht. Was sagen die Abteilungen dazu? Nicht etwa „Herzlichen Dank auch“. Sogar der Finanzvorstand meint: „Und wo bitteschön sehe ich diese angeblichen zehn Prozent in meiner GuV?“ Natürlich nirgends. Denn den alten Rahmenvertrag mit den alten, zehn Prozent teureren Preisen kann natürlich kein Buchhalter als Vergleichsbasis in die GuV buchen. Das ist das Problem. Es gibt mittlerweile Unternehmen, die eine Lösung dafür nicht nur gefunden haben, sondern auch praktizieren.
Wenn die Einsparungen erzielt sind, ist es zu spät
In der erwähnten Untersuchung beschäftigte sich das SMI mit einem großen deutschen Unternehmen, das es für einige Warenkategorien geschafft hat, den Wertbeitrag direkt in die Budgets der Fachabteilungen zu übertragen. Die Wirkung war unmittelbar und intensiv: Die Fachabteilungen sahen nicht nur zum ersten Mal die glaubwürdig vom Controlling bestätigten Einsparungen des Einkaufs. Sie erkannten auch endlich, dass der Einkauf über die Preisverhandlung mit Lieferanten hinaus ein kompetenter Partner für strategische Themen wie Low Cost Country Sourcing, Lieferantenauswahl oder Produktentwicklung ist. Wie schaffte der Einkauf diese lang ersehnte Einsicht bei den Fachabteilungen?
Entscheidend für diesen Erfolg ist der Zeitpunkt der Intervention: Wenn die Einsparungen bereits erzielt sind, ist es zu spät für deren glaubwürdigen Nachweis. Für das neue Performance Measurement gilt der alte Spruch: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Der richtige Zeitpunkt für den Einstieg in die Budgetintegration ist der Beginn der Budgetplanungen. Schon hier sitzt der Einkauf im untersuchten Unternehmen seit Neuestem am Tisch der Fachabteilungen. Die Fachabteilung sagt, was sie im nächsten Jahr alles beschaffen lassen möchte. Der Einkauf gibt an, welchen Betrag er dabei einsparen will. Auf diese Weise zweigeteilt wird die Planung dann auch festgeschrieben: Die Abteilung ist verantwortlich für die Mengen, der Einkauf für die Preise. Wobei berücksichtigt wird, dass sich beide Größen gegenseitig beeinflussen. Jeder budgetiert seine projektierten Mengen an Gütern, respektive seine projektierten Einsparungen und anderen Wertbeiträge wie zum Beispiel: eingehaltene Time-to-Market bei zeitkritischen Produkten oder Sicherstellung der Versorgungssicherheit unter Berücksichtigung des Supply Risk Managements. Am Ende des Jahres wird über die Einhaltung dieser budgetierten Wertbeiträge abgerechnet. Und nicht erst da. Das Controlling kann auch während des Jahres jederzeit feststellen, ob die Vereinbarungen eingehalten werden. Bei Abweichungen kann der Controller intervenieren und dem Prozess nicht nur mehr Glaubwürdigkeit, sondern auch mehr Effektivität verleihen. Klingt einleuchtend? Das ist es auch. Und es funktioniert in der Praxis, wie die SMI-Untersuchung zeigt. Unter einer Voraussetzung.
Budgetintegration muss auf der operativen Ebene beginnen
Eine solche Budgetintegration muss auf der operativen Ebene beginnen. Also nicht auf der Ebene zwischen Zentraleinkauf und Business Unit. Diese beiden hochrangigen Instanzen müssen natürlich den Prozess befürworten. Doch beginnen muss er auf der Arbeitsebene, das heißt auf der Ebene „Einkäufer – Projektleiter“ oder allgemein der Ebene „Einkäufer–Kostenstellenverantwortlicher“. Diese beiden sollten untereinander die angesprochenen Budgeteffekte aushandeln. Natürlich ist das ein völlig neues Vorgehen für beide Seiten. Doch die SMI-Untersuchung zeigt, dass in dieser Hinsicht alle Beteiligten lernwillig und -fähig sind – weil der beiderseitige Nutzen attraktiv genug ist.
Die SMI-Untersuchung analysierte insgesamt vier unterschiedliche Kategorien aus dem gesamten unternehmerischen Spektrum des untersuchten Unternehmens. Drei Kategorien arbeiteten noch mit dem alten System des Performance Measurement. Die vierte Kategorie hatte bereits das neue System eingeführt – mit großem Erfolg. Die Forscher fanden heraus, dass das neue System die Verbindung von Einkaufsstrategie und Geschäftsstrategie der jeweiligen Business Unit viel stärker zur Geltung bringt. Das heißt, die Fachabteilungen sehen heute sehr viel deutlicher als beim alten System, wie gut und umfänglich der Einkauf die Strategie der Abteilung unterstützt. Gleichzeitig konnte das Controlling durch die beschriebene Budget-Einbindung den Wertbeitrag des Einkaufs mit der Kostenrechnung direkt messen und belegen. Drittens fanden die Forscher heraus, dass die üblichen Prestigekämpfe nach erzielten Erfolgen verschwinden.
Prestigekämpfe: Wer bekommt die Lorbeeren?
Wenn der Einkauf alter Prägung tatsächlich Erfolge erzielte, erntete er selten den verdienten Lohn dafür. Stattdessen entbrannte ein Prestigekampf über die Frage: Wer bekommt die Lorbeeren? Das sogenannte Performance Hijacking begann. Jeder versuchte, sich die Federn ans eigene Hutband zu stecken. Der Einkauf alter Prägung behauptete, dass nur deshalb so viel eingespart wurde, weil er so gut verhandelt hat. Die Fachabteilung alten Schlages behauptete, dass sie gut gewirtschaftet hatte. Und das Controlling führte die Einsparung darauf zurück, dass es so gut geplant und gesteuert hat. Das neue Performance Measurement macht Schluss mit diesem Gerangel. Denn von Beginn des Budgetprozesses an wird klar geregelt, wer für welchen Werttreiber verantwortlich ist. Entscheidend ist dabei die Glaubwürdigkeit.
Für die Glaubwürdigkeit sind Beweise notwendig
Am Ende läuft alles (für den Einkauf) auf den Kostenvergleich hinaus. Im neuen Performance Measurement sagt der Einkauf zum Beispiel bei der Budgetverhandlung: „Euer zu beschaffender Artikel kostet laut Marktpreis 80 Euro, wir aber versprechen euch 70.“ Was passiert? Kein Mensch (außerhalb des Einkaufs) wird die 80 Euro glauben. Der Einkauf kann ja viel behaupten! Aber kann er es auch beweisen? Deshalb werden beim neuen Performance Measurement die Basispreise von externen, neutralen und von allen Beteiligten akzeptierten Auskunftsstellen eingeholt, zum Beispiel einer Beratungsgesellschaft, der Bundesbank oder wissenschaftlichen Instituten. Was ist bei Innovationen, für die es noch keine etablierten Marktpreise gibt? Auch kein Problem für das neue Performance Measurement: Bei Innovationen sind meist andere Werttreiber als der Preis maßgeblich, auf die sich Einkauf und Abteilung am runden Tisch einigen können. Diese differenzierte Vorgehensweise und die z. B. externe, neutrale Preisrecherche machen zwar etwas Aufwand. Doch damit ist auf einen Schlag erreicht, was den Savings seit Jahrzehnten abgeht: unerschütterliche und von allen Seiten anerkannte Glaubwürdigkeit.
Einkauf: Gesuchter Ansprechpartner der Fachabteilungen
Das neue Performance Measurement erhöht nicht nur die Glaubwürdigkeit des Einkaufs. Es zeigt auch deutlich und unzweifelhaft, was der Einkauf wirklich leistet. Vor allem erreicht es das, wovon jeder CPO oder Einkaufsleiter träumt und wofür er in der Vergangenheit hart kämpfen musste: die interne strategische Integration seines Einkaufs. Beim untersuchten Unternehmen zum Beispiel sitzt jene Kategorie, die bereits mit dem neuen Performance Measurement arbeitet, bei allen strategischen Besprechungen der Fachabteilungen mit dabei. Sie ist darüber hinaus in den globalen Strategiebildungsprozess integriert. Das heißt, die Fachabteilungen fragen ständig die entsprechenden Daten im Einkauf nach, die sie für ihre strategische Orientierung benötigen. Jetzt endlich hat der Einkauf nicht nur die Möglichkeit, sondern wird sogar von den Abteilungen aufgefordert, sein ganzes Arsenal an strategischen Werkzeugen und Hebeln einzusetzen. Das ist eine erstaunliche Hebelwirkung.
Wer das bessere Argument hat, gewinnt
Das neue Performance Measurement ist ein Musterbeispiel dafür, wie über einen Wechsel der technischen Instrumente und Methoden die komplette Wirkung und Wahrnehmung des Einkaufs revolutioniert wird. Der Einkauf ist eben nicht dazu verdammt, jahrelang zäh um die verdiente Anerkennung zu kämpfen und sich praktisch den Weg in die Meetings der Fachabteilungen freizuboxen. Er benötigt lediglich das richtige Instrument. Wieder einmal zeigt sich: Wer das bessere Argument hat, gewinnt. Und dies ganz ohne Kampf. Das heißt jedoch nicht ganz ohne Aufwand.
Ohne Schweiß kein Preis
Es macht durchaus Aufwand, den Einkauf bereits zu Beginn in den Budgetprozess zu integrieren und vor allem die Werttreiber ständig zu controllen. Dafür braucht es neue Instrumente und neue Meeting-Gewohnheiten. Einkäufer und Fachabteilungen müssen erst einmal den Dialog auf Augenhöhe finden. Der ganze Prozess braucht eine sehr feinfühlige und diplomatische Prozessbegleitung, um den vielzitierten Buy-in aller Beteiligten zu erreichen. Denn keine Fachabteilung gibt gerne Teile ihres Einflusses auf ihr eigenes Budget ab. Doch die Untersuchung zeigt auch: Dieser Aufwand ist mit etwas gutem Willen zu bewältigen. Einige Unternehmen haben ihn bereits gemeistert und sind dafür belohnt worden. Denn die Umstellung von altem auf neues Performance Measurement lohnt sich. Sie überkompensiert den anfänglichen Aufwand in Form von künftig höher ausweisbaren Einkaufserfolgen. Was wichtig ist. Viel wichtiger jedoch ist: Es gibt keine Alternative zum neuen Performance Measurement.

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