In einer von volatilen Preisen geprägten Geschäftswelt ist es für den Einkauf von entscheidender Bedeutung, ein ganzheitliches Bild der Gesamtkosten zu erhalten. Hier hat sich der Ansatz der „Total Cost of Ownership“ (TCO) etabliert, um die langfristigen finanziellen Auswirkungen einer Investition zu bewerten.
Verständlicherweise wird in der Beschaffung großer Wert auf die Optimierung der direkten Einkaufspreise gelegt. Doch eine Fixierung auf den reinen Anschaffungspreis greift zu kurz. Die wahren Kosten einer Investition offenbaren sich erst über ihre gesamte Nutzungsdauer und darüber hinaus. Je nach Warengruppe können die laufenden und indirekten Kosten die direkten Anschaffungskosten deutlich übersteigen. Die Gesamtkosten werden häufig als Total Cost of Ownership (TCO) bezeichnet.
Total Cost of Ownership, zu Deutsch „Gesamtkosten des Betriebs“, umfasst die Summe aller Kosten, die während der gesamten Lebensdauer eines Produkts oder einer Dienstleistung anfallen. Dazu gehören neben den direkten Anschaffungskosten auch indirekte Kosten wie Wartung, Instandhaltung, Energieverbrauch, Schulungen, Entsorgung und Produktivitätsausfälle. Die Betrachtung der TCO soll eine fundierte Entscheidungsfindung ermöglichen. Unternehmen können so weitreichende Fehlentscheidungen vermeiden und ihre Ressourcen effizienter einsetzen.
Der Ursprung des TCO-Konzepts
Der Begriff „Total Cost of Ownership“ (TCO) wurde Mitte der 1980er Jahre im Bereich der Informationstechnologie (IT) geprägt. Häufig wird Bill Kirwin, Research Director bei der Unternehmensberatung Gartner, als Begründer des TCO-Konzepts genannt. Er soll das Konzept im Jahr 1987 im Auftrag von Microsoft entwickelt haben, um Unternehmen bei der Bewertung der Gesamtbetriebskosten von PCs zu unterstützen.
Die Berücksichtigung von Kosten, die über den reinen Einkaufspreis hinausgehen, hat ihre Ursprung aber wohl bereits in den Jahren 1927/28. Borsodi (1927) und Harriman (1928) erwähnten diesen Aspekt damals im Zusammenhang mit dem Einkauf und der Auswahl von Lieferanten.
Unabhängig vom genauen Ursprung lässt sich festhalten, dass das TCO-Konzept als Reaktion auf die zunehmende Bedeutung von IT-Investitionen für Unternehmen entstand. Im Gegensatz zu den bis dahin häufig verwendeten Anschaffungs- oder Mietkosten, die nur einen Teil der Gesamtkosten abbildeten, sollte TCO alle über den gesamten Lebenszyklus einer IT-Lösung anfallenden Kosten berücksichtigen.
Praxisnahe Berechnung der Total Cost of Ownership
Die Berechnung der TCO erfordert eine detaillierte Betrachtung aller relevanten Kostenkategorien. Der erste Schritt besteht darin, diese zu identifizieren. In der Praxis hat sich eine Kategorisierung in folgende Bereiche bewährt:
- Direkte Betriebskosten (z.B. Anschaffung, Installation, Personal, Hilfsstoffe)
- Indirekte Betriebskosten (z.B. Wartung und Instandhaltung, Versicherung, Entsorgung und Schulung)
- Rückbau und Entsorgung
- Produktivitätskosten (z.B. Ausfallzeiten, Prozessbeeinträchtigungen und Qualitätsmängel)
Nachdem die relevanten Kostenkategorien identifiziert wurden, müssen die entsprechenden Kostendaten erhoben und den Kategorien zugeordnet werden. Dies kann aus verschiedenen Quellen erfolgen, zum Beispiel aus Einkaufsbelegen, Wartungsverträgen, Energiedaten oder Produktionsstatistiken. Die TCO wird durch die Summierung der Kosten aller relevanten Kategorien über den gesamten Lebenszyklus des Produkts oder der Dienstleistung berechnet.
Beispielhafte TCO-Berechnung für einen Drucker
- Anschaffungskosten: Drucker 700 Euro (inkl. Tonerkartusche, Papier, Installation)
- Jährliche Betriebskosten: Tonerkartuschen 200 Euro, Papier 200 Euro, Stromverbrauch 50 Euro, Wartung 100 Euro
Gesamt: 550 Euro - Jährliche indirekte Kosten: Personalkosten für Druckaufgaben 300 Euro, Kosten für Papierstaus und Reparaturen 100 Euro
Gesamt: 400 Euro - Geschätzte Lebensdauer des Druckers: 5 Jahre
Gesamte Betriebskosten über 5 Jahre: 550 * 5 = 2750 Euro
Gesamte indirekte Kosten über 5 Jahre: 400 * 5 = 2000 Euro
Gesamte TCO: 700 (Anschaffung) + 2750 (Betrieb) + 2000 (Indirekt) = 5450 Euro
Tools zur TCO-Berechnung
Die manuelle Berechnung der TCO ist komplex und zeitaufwändig. Daher existieren verschiedene Softwarelösungen, die Unternehmen bei der TCO-Analyse unterstützen sollen. Diese Tools ermöglichen den Anbietern zufolge die Erfassung, Kategorisierung und Auswertung relevanter Kostendaten über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts hinweg.
Künstliche Intelligenz (KI) kommt dabei immer häufiger zum Einsatz. KI-basierte Systeme können große Datenmengen analysieren und Muster erkennen, die für die Identifizierung von Kostentreibern und Einsparungspotenzialen relevant sind.
Umweltaspekte und Nachhaltigkeit im Fokus
Neben den rein wirtschaftlichen Aspekten spielen bei der TCO-Betrachtung auch Umweltaspekte und Nachhaltigkeitskriterien eine Rolle. So können Unternehmen durch die Auswahl bestimmter Produkte und Dienstleistungen mit geringerem Umweltfußabdruck nicht nur langfristig Kosten sparen, sondern auch ihre CO2-Bilanz verbessern. Zudem müssen sie oft gesetzliche Vorschriften und Umweltstandards einhalten, was sich ebenfalls auf die TCO auswirken kann.
„Kostenoptimierung und Nachhaltigkeit gehen oft Hand in Hand, wie zum Beispiel bei der Beschaffung energieeffizienter Motoren, die trotz eines höheren Anschaffungspreises die Gesamtbetriebskosten senken können“, betont Johannes Giloth, COO der GEA Group, im Gespräch mit Beschaffung aktuell und führt weiter aus: „Im Rahmen des Value Engineering müssen wir von der reinen Betrachtung der Produkt- oder Einkaufskosten zu einer ganzheitlichen Total Cost of Ownership übergehen. Das bedeutet, dass wir verstehen müssen, ob ein Produkt in der Anschaffung zwar teurer sein kann, aber langfristig die Gesamtkosten senken kann.“
TCO-Beispiele aus der Industrie
In der Industrie gibt es zahlreiche Beispiele, bei denen die TCO-Betrachtung zu erheblichen Kosteneinsparungen führen kann. Ein Unternehmen beispielsweise setzt in seiner Produktion verschiedene Elektromotoren ein. Diese sind bereits einige Jahre alt und nicht so energieeffizient wie heutige Modelle. Das führt zu höheren Energiekosten und einem erhöhten CO2-Ausstoß. Durch die Investition in energieeffiziente Motoren und die Optimierung der Wartung und Instandhaltung können Unternehmen ihre laufenden Kosten senken, wodurch die TCO der neuen Motoren – trotz höherer Anschaffungskosten – über den gesamten Lebenszyklus hinweg niedriger ist als bei älteren Modellen.
Ein weiteres anschauliches Beispiel für die Anwendung des TCO-Konzepts in der Industrie bieten Druckluftsysteme. Die Anschaffungskosten eines Druckluftsystems setzen sich aus verschiedenen Komponenten wie z. B. dem Kompressor zusammen. Die indirekten Kosten während des Lebenszyklus eines Druckluftsystems umfassen unter anderem Energie-, Wartungs-, Reparatur- und Entsorgungskosten. Darüber hinaus können Ausfälle des Druckluftsystems zu erheblichen Produktivitätsverlusten führen.
Handlungsempfehlungen für den Einkauf
- Ganzheitlicher Ansatz: Bei der TCO-Betrachtung sollte der gesamte Lebenszyklus des Produkts oder der Dienstleistung berücksichtigt werden.
- Datenbasierte Entscheidungsfindung: Die TCO-Berechnung sollte auf einer soliden Datengrundlage basieren.
- Einbindung relevanter Stakeholder: Alle Abteilungen, die an der Beschaffungsentscheidung beteiligt sind, sollten in die TCO-Analyse einbezogen werden und relevante Daten liefern.
Prof. Dr. Matthias Lütke Entrup und Dennis Goetjes, Partner der Höveler Holzmann Consulting, beschreiben in ihrem Gastbeitrag zum Best-Practice-Einkauf den Prozess der Einkaufserfolgsmessung. Hier ist die Gesamtkostenbetrachtung unerlässlich:
Fazit
TCO ist ein wichtiges Instrument für den Einkauf, um die Gesamtkosten von Investitionen über den gesamten Lebenszyklus hinweg mit den reinen Anschaffungskosten vergleichen zu können.
Durch die konsequente Anwendung des TCO-Konzepts können Einkäuferinnen und Einkäufer erhebliche Einsparpotenziale identifizieren und die Wettbewerbsfähigkeit ihres Unternehmens stärken. (ys)
Schrittweise Anwendung der Total Cost of Ownership (TCO)
Um die TCO zu ermitteln, sollten folgende Schritte durchgeführt werden:
- Alternativen identifizieren: Erfassen Sie alle möglichen Alternativen für das zu beschaffende Produkt.
- Prozesse des Betriebs und der Nutzung beschreiben: Analysieren Sie, wie das Produkt im Unternehmen eingesetzt wird und welche Prozesse damit verbunden sind.
- Relevante Kostenarten identifizieren: Sammeln Sie Informationen zu den verschiedenen Kostenarten, die im Zusammenhang mit dem Produkt anfallen.
- Kosten berechnen oder abschätzen: Berücksichtigen Sie alle Kosten, von der Anschaffung bis zur Entsorgung.
- Wert der Total Cost of Ownership berechnen: Summieren Sie alle Kosten über den gesamten Lebenszyklus.
- Alternativen vergleichen und Robustheit der Entscheidung prüfen: Vergleichen Sie die TCO der verschiedenen Alternativen und bewerten Sie die Entscheidung.
- Entscheidung treffen: Basierend auf der TCO-Analyse treffen Sie eine fundierte Entscheidung.