Die Idee klingt bestechend: Eine
Maschine oder Anlage der aktuellen Technologie-Generation nutzen, die abhängig von ihrer Auslastung bezahlt wird und gegebenenfalls bei leeren Auftragsbüchern auch zurückgegeben werden kann. Im Gegensatz zu klassischen zeitbasierenden Finanzierungs- und Leasing-Modellen löst bei Pay-per-X-Vereinbarungen allein die Nutzung des Investitionsgutes eine Zahlungsverpflichtung aus. Mit anderen Worten: Nur wenn das
Unternehmen verdient, muss es auch zahlen. Prinzipiell sind bei diesem Investitionsmodell mehrere Partner beteiligt: Hersteller und Käufer, der Finanzierer und oft auch ein Systemintegrator – wobei manche Marktteilnehmer mehrere Funktionen aus einer Hand anbieten.
Das „X“ in Pay-per-X
Print macht Druck
Abhängig von Anwendung und Branche können die Vertragspartner individuelle Rahmenbedingungen festlegen. Dabei kann das „X“ für Stückzahlen, produzierte Chargen oder beispielsweise auch für Zeitzyklen stehen – zusammengefasst unter dem Sammelbegriff „Pay-per-Use“. Voraussetzung für eine präzise Abrechnung ist die Realtime-Anbindung über ein Machine-to-Machine-Gateway (M2M), um alle erforderlichen Nutzungs-Parameter abrufen zu können.
Erste nutzungsorientierte Finanzierungsmodelle kamen aus der Druckerbranche. Print-Kunden nutzen bereits seit langem Gesamtlösungen, die per gedruckter Kopie abgerechnet werden – Maschinen, IT, Toner und Papier inklusive. Inzwischen gibt es vergleichbare Geschäftsmodelle für eine Vielzahl von Branchen: beispielsweise für den Maschinenbau und die Medizintechnik, für IT-Infrastrukturen und Energieversorgungs-Konzepte bis hin zu landwirtschaftlichen Großgeräten. Allen gemeinsam ist eine datenbasierte Abrechnung.
Das Geschäftsmodell bewährt sich branchenübergreifend: Als erste Großbank präsentierte die Commerzbank bereits Ende 2018 mit „CR Pay per Use“ ein komplett digitales Leasingprodukt. Das Angebot gilt seither herstellerübergreifend. Die einzige Voraussetzung: Der Maschinenwertverlauf und damit der aktuelle Zeitwert muss eine klare Korrelation zu den Betriebsstunden aufweisen.
Für zyklische Branchen und volatile Märkte
Die Aufteilung des Investitionsrisikos auf die Schultern von Herstellern, Kunden und Finanzierungspartnern erleichtert Anlage-Entscheidungen in unsicheren Märkten. Darüber hinaus bietet Pay-per-Use weitere Vorteile: Der Kunde vermeidet eine langfristige Kapitalbindung und arbeitet mit der neuesten Gerätegeneration. Das erhöht die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und erlaubt ihnen, mit den neuesten Innovationen Schritt zu halten. Sie können darüber hinaus je nach Auftragslage ihre Produktionskapazitäten anpassen und erhalten so einen schnelleren Marktzugang.
Pay-per-Use-Modelle haben sich in der Industrie unter anderem im Bereich von Stanzmaschinen, CNC-Fräsmaschinen, Laserschneidmaschinen, Druckmaschinen und Pressen etabliert. In die Kalkulation dieser Geschäftsmodelle fließen nicht nur Stückzahlen, sondern darüber hinaus weitere Parameter ein. Dazu zählen üblicherweise eine vertraglich vereinbarte Mindestnutzungsdauer, die Prognose der Nutzungsintensität, die Bonität des Kunden sowie der Marktwert der Maschine.
Oftmals sind auch Wartung und Reparaturen in den Pay-per-Use-Geschäftsmodellen enthalten. Damit trägt der Anbieter die Verantwortung für die Instandhaltung – der Käufer kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren, ohne sich um den Maschinenpark kümmern zu müssen.
Und nicht zuletzt: Auf Basis der X-genauen Abrechnung können zukünftige Kalkulationen und Angebote auf Basis tatsächlicher Aufwendungen erfolgen, welche unverfälscht in die Stückkostenrechnung einfließen. Aber auch die Anbieter profitieren: Sie können niedrigschwellig Hochtechnologie verkaufen, dadurch berechenbare Einkünfte erzielen und sich teilweise von Konjunkturzyklen abkoppeln.
Von CNC bis Cloud-Computing
Inzwischen bieten alle namhaften Maschinenbauer und Dienstleister Pay-per-Use an. „Equipment-as-a-Service“ nennt beispielsweise Trumpf das entsprechende Angebot und verweist auf Unterstützung beim Kalkulieren, Programmieren und Bedienen der Fertigungsanlage. Der Hersteller von spanenden Werkzeugmaschinen DMG Mori bietet im Rahmen von „PAY with Zero Risk“ sogenannte Abo-Modelle für Dreh- und Fräsmaschinen inklusive cloudbasierter Planungsunterstützung an. Laut Anbieter können im Rahmen einer monatlichen Grundgebühr Planungsaufwände um bis zu 80 % reduziert werden.
Geringe Auslastung = niedrige Tilgung
Technologisch sieht der Ablauf zum Beispiel beim CNC-Werkzeugmaschinen-
Anbieter Heller folgendermaßen aus: Die Nutzlaufzeit wird in der Maschinensteuerung erfasst und über Sinumerik Edge zu Mindsphere übertragen, einem cloudbasierten, offenen IoT-Betriebssystem von Siemens. Hier werden die Daten ausgewertet und Heller-intern über SAP abgerechnet. Die Zahlung erfolgt digital via SEPA-Lastschrifteinzug. Sollte der Kunde die Maschine nicht wirtschaftlich auslasten können, nimmt Heller sie wieder zurück – ein kalkulierbares Risiko, da Heller-Maschinen dank ihrer Qualität und der Langlebigkeit auf dem Gebrauchtmarkt gefragt sind. Im Idealfall können PpX-Anbieter dieselbe Maschine für mehrere Kunden hintereinander einsetzen und so mehr verdienen als mit einem einmaligen Maschinenverkauf.
Pay as you want
Im Druckluftbereich bietet Mader eine herstellerunabhängige Lösung ohne monatlichen Mindestbetrag: Der Pneumatikspezialist erfasst den Druckluftverbrauch und berechnet daraus die verursachten Gesamtkosten. Auf Basis einer automatisierten Analyse leitet Mader daraus Handlungsempfehlungen für die energetische Optimierung des Druckluftsystems sowie für Predictive Maintenance ab. Konkrete Benchmark-Zahlen ermöglichen einen direkten Vergleich der Verbrauchswerte mit vergleichbaren Anwendern.
Viel Licht, wenig Schatten
Pay-per-X bietet zahlreiche Vorteile. Allerdings sollten sich potenzielle Nutzer ein ganzheitliches Bild machen und alle Vor- und Nachteile abwägen. So kosten-effizient die Geschäftsmodelle auch arbeiten – bei einer Vollauslastung von Maschinen und Anlagen können die abgerechneten Nutzungskosten klassische Investitionskosten übersteigen.
Darüber hinaus ist die Bindung an einen Pay-per-X-Anbieter naturgemäß enger als an einen konventionellen Maschinenlieferanten. So müssen beispielsweise aktuelle Produktionsdaten ausgetauscht und Kalkulationszahlen abgeglichen werden – Lieferanten haben damit zumindest teilweisen Zugriff auf die Daten aus dem eigenen ERP. Was nicht jedem Marktteilnehmer gefällt.