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Formary: Tiefziehteile online beschaffen

Neue Wege im Thermoforming
Tiefziehteile online beschaffen

Formary ist eine Plattform für die digitale Beschaffung von Kunststoff-Tiefziehteilen, die Zeit, Aufwand und Kosten reduzieren soll. Ein Online-Konfigurator bietet dem Einkauf und produktionsnahen Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihr individuelles Tiefziehteil schnell zu konfigurieren und anzufragen.

Yannick Schwab, Beschaffung aktuell

Der Einsatz von Tiefziehteilen reicht von filigranen ESD-Verpackungen bis zu großvolumigen Verkleidungsteilen von Fahrzeugen. Entsprechend vielseitig sind die Kombinationen an Materialien, Stückzahlen und Nachbearbeitungsverfahren. Diese Fragmentierung des Marktes macht die Lieferantensuche für viele Kunden sehr intransparent. Gleichzeitig sind die Prozesse häufig noch analog und kleine sowie mittelständische Tiefzieher haben oft keine personellen Kapazitäten für eine proaktive Beratung. Um diese Herausforderungen anzugehen, sind die Geschwister Lisa-Marie und Moritz Bittner 2021 mit der Plattform Formary an den Markt gegangen. Damals haben sie – neben ihrem Familienunternehmen, der Roland Bittner GmbH – zu zweit daran gearbeitet, heute beschäftigt das Start-up aus Backnang rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

„Als Millennials, die täglich Bestellungen auf User-Experience-optimierten E-Commerce-Seiten absetzten, hatten wir andere B2B-Einkaufsprozesse erwartet als jene, die wir vorfanden. Zudem hatten sich die Konzepte Asset-Sharing und Plattformökonomie in vielen Märkten und Verticals im B2C-Bereich etabliert. Wir dachten uns: Der Tiefziehmarkt ist wie geschaffen für eine Plattform”, erzählt Lisa-Marie Bittner. Die beiden sahen ein großes Potenzial darin, den gesamten Beschaffungsprozess zu digitalisieren.

Aber welche Vorteile bietet die Plattform im Vergleich zu herkömmlichen Beschaffungsmethoden? Zum einen sieht sich Formary als One-Stop-Shop für Tiefziehprojekte. Durch den Wegfall langer Lieferantensuchen, -vergleiche und -selektionen sollen sich Kunden Aufwand ersparen. Sie durchlaufen einen digitalen Konfigurationsprozess, der auf wichtige Angaben und relevante Produktdetails im Tiefziehen hinweist. Moritz Bittner: „Im Vergleich zu normalen Anfrage-zu-Angebot-Zyklen von mehreren Tagen bis Wochen, erhält der Kunde ein Angebot in 24 Stunden. Dieser Prozess ist nicht nur schnell, er führt auch dazu, dass keine Angabe vergessen werden kann.“ Gleichzeitig unterstützt das Start-up bei der Produktentwicklung und übernimmt die Konzept- und Datenerstellung.

Vorteile des Plattformmodells

Das alles führt den beiden Gründern nach dazu, dass die Beschaffung schneller und effizienter verläuft und dadurch Zeit, Kosten und Nerven beim Kunden spart. „Wir nennen diesen Zustand, in dem unsere Kunden ankommen sollen, ‚peace of mind‘. Unsere Kunden sollen sich um ihre wichtigen Aufgaben kümmern können, während wir die Bereitstellung ihrer B- und C-Teile in die Hand nehmen“, erklärt der Co-Gründer.

Mit breitem Netzwerk gegen Engpässe

Auf die Frage, ob der Kunde für diese Vorteile bereit sein muss, tiefer in die Tasche zu greifen, entgegnet die Co-Gründerin, dass das Gegenteil der Fall sei: „Willkürlich bei diversen Herstellern angefragte Tiefziehprodukten unterscheiden sich je nach Kalkulationsgrundlage um mehrere Hundert Prozent im Angebotspreis. Bei unserem Lieferanten-Matching werden viele verschiedene Parameter von einem proprietären Algorithmus ausgewertet. Im Anschluss wird der passende Lieferant zugeordnet, der das Produkt in der gewünschten Zeit und vor allem preislich kompetitiv fertigen kann.“

Hohe Produktvielfalt

Alles, was tiefgezogen werden kann, kann den Geschwistern zufolge über Formary beschafft werden. Ebenso Kunststoff-Tiefziehteile, die eine Nachbearbeitung oder Veredelung benötigen. Die Zielbranchen sind zum großen Teil Automotive, Elektronik, Maschinenbau, Pharma, Consumer Goods und Kosmetik.

Hohe Anfrageaktivitäten in bestimmten Produktsegmenten führen darüber hinaus dazu, dass das Start-up tiefgehendes Spezialwissen aufbauen kann. Dadurch lässt sich eine Wertschöpfungskette an spezialisierten Herstellern und Nachbearbeitungsdienstleistungen aufbauen, die dann für weitere Produkte in diesem Bereich zielgerichtet genutzt werden können. „Im Moment sind hier diverse Projekte für Verkleidungsteile für verschiedene Hardware-Start-ups im Bereich New Mobility, autonome Logistik-Konzepte und Mikromobilität (E-Scooter und E-Bikes), sowie Werkstückträger für die automatisierte Produktion von Sensorik und Konnektivitäts-Bauteilen, zu nennen“, führt der Co-Gründer weiter aus.

Online-Konfigurator im Fokus

Der Konfigurator ist zwar übersichtlich, aber durchaus umfangreich. Wird die Plattform kundenseitig also vom Einkauf oder von Produktionsmitarbeitern bzw. Konstrukteuren bedient? „Meist handelt es sich um führende Mitarbeitende aus Kleinunternehmen, technische Einkäufer, Konstrukteure oder Projektleiter“, sagt Lisa-Marie Bittner. Daher wurde der Konfigurator so ausgelegt, dass sowohl Tiefzieh-Laien mithilfe von Erklärungen und Hinweisen durch die Anfrage geführt werden, aber auch Tiefzieh-Experten eine ausreichende Konfigurationstiefe vorfinden, um komplexe Produkte anzufragen.

Ein Ziel von Formary ist es, den Kunden die aufwändige Lieferantenselektion abzunehmen. „Das erreichen wir, indem wir passende Lieferanten auffinden und analysieren, die alle Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit erfüllen sowie unsere grauen Bereiche füllen, um alle Anfragen abdecken zu können“, so der Co-Gründer und führt weiter aus: „Der Kunde beeinflusst die Wahl indirekt, indem wir relevante Parameter, wie typische Branchenanforderungen, sowie die individuellen Projektanforderungen auswerten. Außerdem spielen wir Faktoren, wie Maschinenpark, Materialkenntnis, Auslastung und über 50 weichen Faktoren, in unseren Matching-Algorithmus.“

Aktuell arbeitet das junge Unternehmen mit 25 Lieferanten und etwa doppelt so vielen Nachbearbeitern zusammen. „Das reicht aus, um alle Anfrage-Kombinationen abzudecken und jede Branche beliefern zu können“, sagt Lisa Bittner. Nun steht der Aufbau weiterer Kapazitäten an, um Auslastungsspitzen abfangen zu können. Die Kriterien für die Zusammenarbeit auf der Plattform sind die ISO-9001-Zertifizierung, einen Fertigungsstandort im DACH-Raum, um möglichst nahe am Absatzmarkt zu fertigen, sowie ein Audit durch die Qualitätssicherung (QS).

„Wir sind kein Marktplatz, auf dem sich Lieferanten um einen Auftrag bewerben müssen, was qualitativ oft einen gewissen ‚race to the bottom‘ auslöst. Wir sehen das Matching des idealen Herstellers als eine Kernkompetenz an. Da wir das komplette Projekt in enger Zusammenarbeit mit dem Lieferanten abwickeln, würden wir uns hier auch keinen Gefallen tun, wenn wir diese nicht bewusst auswählen. Wir setzen auf Qualität statt Quantität, das heißt enge, partnerschaftliche Lieferanten-Beziehungen.“

Rezyklateinsatz als Standard

Der nachhaltige Umgang mit Rohstoffen spielt in der Kunststoffverarbeitung eine große Rolle. So achtet das Unternehmen bei der Auswahl des Materials auf den Einsatz von Rezyklaten, wann immer die Anwendung dies zulässt. „Der Einsatz von Rezyklat ist im Konfigurator die Standardeinstellung und muss ausdrücklich abgewählt werden“, betont die Co-Gründerin. „Letztlich muss in der Kunststoffverarbeitung vor allem das Thema Recycling gelöst werden. Das Schaffen von geschlossenen Kreisläufen mit dem Etablieren von Design-for-Recycling-Prinzipien hat Priorität.“ Das Start-up kooperiert deshalb mit Recycling-Betrieben und nimmt Artikel, die über die Plattform beschafft wurden, nach dem End-of-life-Stadium wieder zurück.

Auch die Qualitätssicherung ist ein wichtiger Teil des Werteversprechens. Neben dem Lieferantenaudit wird jedes Muster und jeder Serienanlauf nach der Freigabe beim Lieferanten von Formary geprüft, dokumentiert und final freigegeben.

Ambitionierte Pläne

Noch steht die Plattform am Anfang. Das Angebot soll kontinuierlich weiter ausgebaut werden. Der nächste Schritt ist der Launch des Kundenportals. Hier sollen Artikel, Anfragen, Bestellungen und Lieferungen verwaltet, der Projektstatus eingesehen, Freigaben erstellt und Lieferungen getrackt werden können. Auch der Einsatz von KI, und im Besonderen von Machine Learning, wird mehr Relevanz gewinnen.

Lisa Bittner: „Wir arbeiten momentan an einem Preisalgorithmus, der unsere Angebot-Zeiten kontinuierlich von momentan 24 Stunden auf wesentlich kürzere Zeitspannen reduzieren soll.“ Das Start-up möchte seinen Preisalgorithmus in mehreren Stufen ausrollen und strebt an, einen Sofortpreis bei Anfragen generieren zu können. „Unser Ziel ist es, dass wir als Plattform einer der umsatzstärksten Kunststoff-Thermoformer in Europa werden. Dazu gehört auch der Ausbau des Lieferantennetzwerks, um unseren Kunden den Zugriff auf den größten, verfügbaren Maschinenpark bereitstellen zu können“, erklären die beiden Geschwister abschließend.

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