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Abhilfe bei Engpässen: Fertigungsplattformen im Überblick

Fertigungsplattformen im Überblick
Mit breitem Netzwerk gegen Engpässe

Mit breitem Netzwerk gegen Engpässe
Fertigungsplattformen bieten Zugriff auf ein breites Netzwerk an Lieferanten und Fertigungsverfahren. Bild: immimagery/stock.adobe.com
Produzierende Unternehmen und deren Einkaufsorganisationen kämpfen mit den äußeren Einflüssen der letzten Jahre. Durch Krieg und Pandemie verursachte Engpässe bei Material und Logistik verlangen nach Alternativen in der Beschaffung von Bauteilen und sind so Katalysator für Fertigungsplattformen. Diese können aufgrund ihrer breiten Lieferantenbasis Handlungsfähigkeit sicherstellen.

Yannick Schwab, Redaktion Beschaffung aktuell

Bei der Lieferantenauswahl gibt es vereinfacht gesagt zwei Optionen, Single- oder Multi-Sourcing. Unternehmen, die auf einen Lieferanten vertrauen, können von einem Vertrauensverhältnis und möglichen Bündelungseffekten profitieren. Fällt dieser Lieferant aus, hat der Einkauf allerdings ein Problem. Umgekehrt verhält es sich beim Multi-Sourcing, wo mehrere Lieferanten zur Verfügung stehen. Fällt einer aus, steht meist der nächste parat. Allerdings ist die Zusammenarbeit hier nicht so intensiv.

Eine Möglichkeit, die Vorteile beider Strategien bei der Beschaffung von Bauteilen und -gruppen zu kombinieren, können Fertigungsplattformen darstellen. Diese bieten Zugriff auf ein breites Lieferantenportfolio und verschiedene Fertigungstechnologien – von spanabhebenden Verfahren über die Kunststoffverarbeitung und den Druckguss bis hin zur additiven Fertigung. Die Plattformen zeichnen sich eigenen Angaben zufolge dadurch aus, dass sie sowohl dem Einkauf als auch dem Lohnfertiger zeitintensive Abstimmung abnehmen und Prozesse automatisieren – zum Beispiel die Auswahl des passenden Lieferanten oder die Preiskalkulation. Gleichzeitig fungieren die Betreiber als zentrale Ansprechpartner für den Anwender und wickeln oftmals Zahlung und Logistik ab. In Zeiten von Engpässen und Lieferantenausfällen lassen sich so Versorgungsrisiken streuen.

Benjamin Schwab, Co-Gründer und CMO der Fertigungsplattform Facturee, beschreibt es so: „Unsere Fertigungspartner sind selbstverständlich zum Teil auch von den aktuellen Geschehnissen betroffen. Dennoch zeigt sich gerade ein maßgeblicher Vorteil der Online-Fertigung: Unsere Kunden spüren die Entwicklungen im Markt in viel geringerem Ausmaß als bei der konventionellen Beschaffung.“ Auch der Geschäftsführer und Co-Gründer der Plattform Laserhub, Christoph Rößner, sieht das so: „Alle genannten Herausforderungen treffen auch auf unser Netzwerk an Fertigungspartnern und damit auch auf uns selbst zu. Unsere Plattform hat allerdings den klaren Vorteil, dass sie durch die Breite des Netzwerks etliche negativen Effekte deutlich abfedern kann.“

Krisen als Katalysator

Auch am Netzwerk der Beschaffungsplattform Easy2Parts ziehen die Herausforderungen bei der Beschaffung von Vormaterial nicht spurlos vorbei. Robert Hilmer, Co-Founder und CEO der Easy2Parts GmbH: „Viele unserer Fertigungspartner haben gut gefüllte Auftragsbücher, allerdings auch Herausforderungen bei der Beschaffung von Halbzeugen. Hier unterstützen wir durch ein großes Händlernetzwerk und das intelligente Verteilen von Anfragen. So können die Fertigungsbetriebe die Aufträge effizienter abwickeln und haben mehr Sicherheit in den Lieferketten.“

Die Plattform bietet dem Anwender über ihr Lieferantennetzwerk hinaus die Möglichkeit, bestehende Lieferanten in das System einzubinden. Nutzer bestellen direkt in der Plattform. Der Status lässt sich vom Produktionsstart bis zum Wareneingang verfolgen. Dabei bietet das Netzwerk verschiedene Fertigungs- und Oberflächenverfahren sowie Schweiß- und Montagebetriebe. „So kann die gesamte Abwicklung der Fertigungsbauteile und Baugruppen über eine Plattform abgebildet werden“, betont der Geschäftsführer. Die nächsten Ziele des Unternehmens sind die Integration von mehr Auswertungsmöglichkeiten und eine engere Verknüpfung mit ERP- und Beschaffungssystemen.

Die cwmk GmbH ist 2017 unter dem Markenname Facturee in der DACH-Region gestartet. Die rund 2000 Fertigungspartner kommen aus den Bereichen CNC-Bearbeitung, Blechbearbeitung, additive Fertigung und Oberflächentechnik. Für jedes Projekt wird KI-gestützt ein geeigneter Fertiger im Hinblick auf Qualität, Preis und Lieferzeit ausgewählt. Schwab: „Momentan schaffen wir es noch, unsere Preise weitestgehend stabil zu halten und geben Preiserhöhungen aktuell nicht an unsere Kunden weiter. Zudem behalten wir unsere bisherige Angebotsgültigkeit von mindestens 14 Tagen weiter bei.“

Im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern bildet die Plattform nicht sofort einen Preis, da dies aufgrund des notwendigerweise eingebauten Sicherheitspuffers mit höheren Kosten sowie beim Anfrageprozess mit zusätzlichem manuellem Aufwand für die Kunden verbunden sei. „Wir streben die Preisführerschaft unter den Online-Fertigern an. Darüber hinaus setzen wir auf einen niedrigschwelligen Zugang, indem wir zum Beispiel keine Teilnahmekosten oder vertiefte Software-Integrationen erfordern“, sagt der Co-Gründer. In den letzten Jahren konnte das Unternehmen laut eigenen Angaben ein Wachstum von jährlich rund einhundert Prozent sowie einen achtstelligen Umsatz verzeichnen. Bald soll ein neues Tool veröffentlicht werden, das den Anfrageprozess mit wenigen Klicks ermöglicht.

Laserhub aus Stuttgart hat eine Beschaffungsplattform für Blechteile, Rohrlaser- und CNC-Drehteile sowie Schweißbauteile entwickelt. Christoph Rößner, Geschäftsführer und Co-Gründer: „Über unsere Plattform hat der Einkäufer Zugriff auf über 100 teilweise hoch spezialisierte Fertiger, welche die ideale Anlaufstelle für die täglichen Metallteilbedarfe darstellen.“ Zudem übernimmt das Unternehmen die komplette Abwicklung inklusive Logistik. Der Einkäufer soll somit in die Lage versetzt werden, binnen weniger Minuten einen Auftrag einzustellen, woraufhin er sofort eine verbindliche Preis-Kalkulation erhält. „Insbesondere in den vergangenen Monaten haben wir so viel Druck von den Einkaufsabteilungen nehmen können“, sagt Rößner.

Dabei hilft dem Unternehmen auch die Branchenerfahrung seiner Mitarbeiter, so der Geschäftsführer: „Wer mit unseren Beratern spricht, hat Kontakt mit Leuten, die den Markt und die Branche aus eigener Erfahrung kennen. Unsere Kunden sagen uns oft, dass die Betreuung bei uns im Vergleich sehr gut ist.“ Die Plattform konnte ihr Team in den letzten Jahren verdreifachen und ist inzwischen auch in Österreich, Belgien und Frankreich gestartet.

„Was wir uns nicht leisten können, sind schwarze Schafe im Netzwerk“

Internationale Anbieter

Noch internationaler ist Protolabs ausgerichtet. Das Unternehmen mit Sitz im US-Bundesstaat Minnesota ist spezialisiert auf Spritzguss, CNC-Bearbeitung und 3D-Druck. „Die aktuelle Situation bekommen auch unsere Kunden und Lieferanten zu spüren. In Summe kann man aber sagen, dass sich die additive Fertigung zumindest im Bereich der Lieferfähigkeit noch sehr gut schlägt. So konnten wir vielen Kunden bei kurzfristigen Lieferengpässen helfen“, sagt Daniel Cohn, Geschäftsführer von Protolabs Germany.

Vor etwa zwei Jahren hat das Unternehmen seine E-Commerce-Plattform grundlegend überarbeitet. Anwender können ihre Projekte verwalten, Freigaben organisieren und erhalten ein Feedback hinsichtlich Herstellbarkeit, Lieferfähigkeit und Preis. Cohn: „Im Spritzgussbereich haben wir unseren neuen Designberatungsservice eingeführt. Damit können CAD-Modelle aktualisiert werden. Einer unserer Anwendungstechniker unterstützt den Kunden bei der Überarbeitung des Teiledesigns.“ Anfang 2021 wurde zudem die Plattform 3DHubs übernommen.

Ein weiterer global agierender Anbieter von Fertigungskapazitäten ist Xometry, ebenfalls aus den USA, wo dem Unternehmen im vergangenen Jahr der Börsengang gelang. Die On-Demand-Fertigungsplattform aus Maryland greift weltweit auf 5000 Lieferanten zurück – europaweit sind es 2000. „In Europa hat sich unser Umsatz 2021 verfünffacht. Das Angebot haben wir in dieser Zeit erweitert, etwa um Druckguss und Polyjet-3D-Druck sowie verschiedene Nachbearbeitungsverfahren“, sagt Dmitry Kafidov, Geschäftsführer von Xometry Europe. „Bald werden wir mit Xometry Supplies in die Versorgung mit Material einsteigen. Die Zulieferer können dann Ausgangsprodukte über uns erhalten.“ Einkäufer haben über die Plattform Zugriff auf Anbieter aus der Blechfertigung, CNC-Bearbeitung, Spritz- und Druckguss sowie 3D-Druck.

Mithilfe von künstlicher Intelligenz lassen sich mit der „Instant Quoting Engine“ innerhalb von Sekunden verbindliche Angebotspreise ermitteln. Auch die weitere Abwicklung der Aufträge ist vollständig digitalisiert, sodass zwischen Angebotserstellung und Lieferung meist nur zwei bis drei Wochen vergehen sollen. Auf die aktuellen Herausforderungen angesprochen sagt Kafidov: „Die Schwierigkeiten betreffen unsere Partner ebenso wie die gesamte Wirtschaft. Allerdings können wir durch unser Lieferantennetzwerk vieles auffangen. In der Regel findet sich dort immer ein Betrieb, der die Bauteile in den gewünschten Materialien liefern kann.“

Mit ihrem digitalen Ansatz bieten diese und weitere Plattformen wie Spanflug, Instawerk, CNC24, Mipart, V-Industry, Orderfox, Kreatize und Makerverse dem Einkauf die Möglichkeit, die Versorgung mit Bauteilen zu sichern.

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