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Wie Plattformen den Einkauf von Bauteilen verändern

Lohnfertigung im Wandel
Wie Plattformen den Einkauf von Bauteilen verändern

Digitalisierung, Prozessoptimierung und Kosteneffizienz sind Vorteile, mit denen sich digitale Fertigungsplattformen von traditionellen Beschaffungsmethoden abheben möchten. Wir wollen Ihnen einen Überblick verschaffen und betrachten dabei insbesondere die Qualitätssicherung und die Kosten.

Yannick Schwab, Beschaffung aktuell

Steigende Kosten und ein anspruchsvolles Wettbewerbsumfeld verlangen Industrieunternehmen einiges ab und machen Einsparungen nötig. Dabei ist unter anderem zu entscheiden, ob man gewisse Komponenten selbst fertigt oder einkauft. Neben einer grundsätzlichen Make-or-Buy-Entscheidung stellt sich die Frage nach dem passenden Lieferanten. Allerdings kann es sich aufwendig gestalten, einen Preis für Fertigungsbauteile zu bekommen.

In den letzten Jahren sind deshalb Beschaffungsplattformen für individuelle Fertigungsteile verstärkt in den Fokus gerückt. Ausgerüstet mit Kalkulationsalgorithmen und einem Netz von Fertigungspartnern wollen Plattformbetreiber wie Facturee, CNC24, Protolabs und Spanflug Preisermittlung und Bestellprozesse erheblich beschleunigen. Dabei bieten sie Zugriff auf ein breites Lieferantenportfolio und je nach Anbieter verschiedene Fertigungstechnologien – von spanabhebenden Verfahren, der Blechbearbeitung, über die Kunststoffverarbeitung und den Druckguss bis hin zur additiven Fertigung. Für jedes Projekt wird, oftmals KI-gestützt, der geeignete Fertiger im Hinblick auf Qualität, Preis, Verfügbarkeit und Lieferzeit ausgewählt. Gleichzeitig fungieren die Betreiber als zentrale Ansprechpartner und wickeln Zahlung und Logistik ab. Ein weiterer Vorteil des Netzwerkansatzes liegt in der Skalierbarkeit: Wer mit der Fertigung von Prototypen beginnt und ein skalierbares Geschäft betreibt, möchte sich bei einer steigenden Nachfrage nicht um die Fertigungskapazitäten seines Lohnfertigers sorgen müssen.

Qualität sicherstellen

Qualitätsmängel und Reklamationen sollen bei digitalen Plattformen bereits durch das Onboarding und die Wahl des idealen Fertigungsbetriebs vermieden werden. „Alles startet mit einem strukturierten und persönlichen Onboarding von neuen Kunden. Schon hier erfassen wir erste Anforderungen und geforderte Qualitätsstandards“, erklärt Willi Ruopp, CEO und Co-Founder von CNC24. Somit können individuelle Verpackungsrichtlinien umgesetzt, Qualitätssicherungsvereinbarungen abgestimmt, Produktfreigabedokumente unterschiedlicher Standards realisiert oder Zertifizierungsanforderungen sichergestellt werden. Wie bei den Kunden, findet auch bei neuen Lieferanten ein ausführliches Onboarding statt. Diese auditiert CNC24 sowohl per Web-Audit als auch persönlich vor Ort. Darüber hinaus betreibt CNC24 eigenen Angaben zufolge als einzige Fertigungsplattform ein eigenes Messzentrum, in dem alle Bauteile zur Qualitätssicherung vermessen werden. So möchte das Unternehmen gewährleisten, dass die Kunden ihre Bauteile in bestellter Qualität erhalten.

Der Online-Fertiger Facturee wählt für jede Anforderung KI-gestützt den am besten geeigneten Fertiger aus und empfiehlt seinen Kunden das passende Fertigungsverfahren. Durch das breite Leistungsspektrum (weitere Infos auf S. 49) können auch komplexe Anfragen mit unterschiedlichen Fertigungstechniken und Oberflächenbehandlungen bedient werden. „Durch die Auswahl von hochspezialisierten Betrieben werden Reklamationen auf ein Minimum reduziert, da sichergestellt ist, dass die Aufgabenstellung von dem am besten geeigneten Anbieter erfüllt wird. Auch die Logistikpartner wählen wir hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit aus“, betont Benjamin Schwab, Co-Gründer und CMO bei Facturee. „Für die Qualitätssicherung setzen wir auf ein ISO 9001-zertifiziertes datengetriebenes Qualitätsmanagement.“

Es kommt auch auf die Kosten an

Die möglichen Kosteneinsparungen der Kunden lassen sich bei digitalen Fertigungsplattformen grob in drei Bereiche aufgliedern: Reduktion der Transaktions- bzw. Prozesskosten im Einkauf, Senkung der Bauteilkosten und eine Reduzierung der Qualitätssicherungsaufwände. Diese ergeben sich beispielsweise durch die vereinfachte Interaktion über eine digitale Schnittstelle, die automatisierte Abwicklung von Vertrags- oder Zahlungsprozessen, die Standardisierung von Kommunikation und Vertragsbestandteilen und einen geringeren Abstimmungsaufwand. Viele Fertigungsplattformen bündeln darüber hinaus die Einkaufsvolumen der Aufträge und können so Netzwerkeffekte nutzen und im Ergebnis attraktivere Konditionen bieten, z. B. bei CNC24 durch ein Pooling im Material- und Werkzeugeinkauf oder bessere Logistikkonditionen. Ruopp: „Darüber hinaus gibt es eine deutliche Effizienzsteigerung in den Einkaufsabteilungen unserer Kunden. Diese können Anfragen unabhängig vom benötigten Fertigungsverfahren bündeln und so ein deutlich größeres Bauteilvolumen pro Mitarbeiter beschaffen und interne Transaktionskosten reduzieren.“

Auch der Co-Gründer von Facturee Schwab sieht Kostenvorteile bei der Online-Fertigung – insbesondere bei der eigenen: „Uns ist seit jeher wichtig, den Kunden zu entlasten und den besten Preis zu bieten. Daher ist Instant-Pricing für uns keine Option – und das zahlt sich aus. Gemäß unserer Wettbewerbsanalyse schaffen wir es in mehr als 80 Prozent der Fälle, Instant-Pricing-Angebote von Mitbewerbern, die uns unsere Kunden vorlegen, zu unterbieten“, betont Schwab. „Aus diesem Grund diskutieren wir gerade die Einführung einer Art verbindlicher ‚Bestpreisgarantie‘.“

Plattformen unterscheiden sich

Wie vielfältig die Plattform-Landschaft im Bereich der Fertigung ist, zeigt ein kurzer Blick auf einige Anbieter. Der Online-Fertiger Facturee verfügt eigenen Angaben zufolge über ein Produktionsnetzwerk von rund 2000 Partnern aus den Bereichen CNC- und Blechbearbeitung, 3D-Druck, Gussverfahren, Oberflächentechnik sowie Baugruppenmontage. Mit der Plattform lassen sich Projekte im Prototyping ebenso wie Klein- und Großserienfertigungen realisieren. Rund 15.000 Maschinen sollen bereitstehen.

Spanflug Technologies betreibt eine Plattform für CNC-Dreh- und Frästeile. Ziel ist es, die Fertigung von individuellen Zeichnungsteilen für Kunden und Lieferanten so schnell und einfach wie möglich zu gestalten. „Spanflug Buy“ soll dem Einkauf einen automatisierten Beschaffungsprozess vom Sofortangebot bis zur Lieferung bieten. Das Start-up CNC24 verzichtet hingegen auf die Erstellung von Sofortangeboten per Online-Kalkulator. „Bei uns kalkulieren ausgewählte Lohnfertiger ihre Preise und wir wählen die beste Kombination aus Preis und Lieferzeit für unseren Kunden aus. So sind wir in der Lage, auch die Fertigung von komplexen Bauteilen anzubieten und können gewährleisten, dass unsere Preise zuverlässig sind“, beschreibt es Ruopp.

Die weltweit agierende Fertigungsplattform Protolabs fokussiert sich auf die Technologiefelder Spritzguss, CNC-Bearbeitung und 3D-Druck. Anwender sollen innerhalb von einem Tag ein Online-Angebot mit kostenloser Designanalyse erhalten. Das Netzwerk umfasst über 250 geprüfte Fertigungspartner auf der ganzen Welt.

Im Bereich der Kunststoff-Tiefziehteile haben die Geschwister Lisa-Marie und Moritz Bittner im September 2021 die digitale Beschaffungsplattform Formary an den Start gebracht (weitere Infos ab S. 50).

Orderspot verfolgt einen anderen Ansatz als die meisten Online-Fertiger und möchte dem Kunden nicht nur das eine passende Angebot anzeigen, sondern einen Vergleich für Laser- und Biegeteile bieten auf Basis dessen der Einkauf seine Wahl treffen kann. Co-Gründer sowie CSO Martin Lenter: „Wir bieten dem Anwender eine Plattform, wo er die Bauteilzeichnung hochladen kann und Anbieter mit Preis, Entfernung und Liefertermin aufgelistet sieht.“

Effizienz und Sicherheit

Auch in Zeiten von KI-Chatbots gilt meist noch der Grundsatz „Geschäfte werden zwischen Menschen gemacht“. Wer seit Jahren mit einzelnen Betrieben arbeitet und die Beziehung weiter pflegen will, weil etwa patentierte Spezialprozesse genutzt werden, der ist sicher in der direkten Geschäftsbeziehung besser aufgehoben. Wer allerdings die strategischen Vorteile der Plattformökonomie – günstigere Konditionen, effiziente Prozesse, Standardisierung und hohe Verfügbarkeit – für sein Geschäft nutzen will, der wird um eine moderne digitale Lösung kaum mehr herumkommen. Auch achten die Plattformanbieter auf die Einhaltung der Qualitätsanforderungen oder führen sogar selbst eine Qualitätssicherung durch.

„Bei sich verändernden Gegebenheiten im Markt können wir flexibler und zuverlässiger reagieren als einzelne Fertigungsbetriebe. Unternehmen, die auf Online-Fertigung setzen, bleiben stets produktionsfähig, da die sichere und flexible Beschaffung gewährleistet ist. Damit bewahren Unternehmen ihre Handlungsfähigkeit. Die Risiken von Lieferausfällen und -verzögerungen werden durch den Netzwerkansatz minimiert“, betont Schwab abschließend.

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