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Behavioral Economics: Verhaltensmuster in Verhandlungen kennen und nutzen

Mit Behavioral Economics besser verhandeln, Teil 2
Verhaltensmuster kennen und nutzen

Verhaltensmuster kennen und nutzen
Um Verhaltensmuster – bei sich und anderen – zu ändern, muss man sie erst erkennen. Bild: Ayesha/stock.adobe.com
Wir alle verhandeln und verhalten uns in irgendeiner Form – bewusst oder unbewusst. Um bessere Verhandlungsergebnisse zu erreichen, gilt es sich dieses Verhaltens bewusst zu machen und es zu trainieren. Behavioral Economics hilft Ihnen dabei Ihren Gegenüber einen Tick besser zu verstehen, um so erfolgreicher zu verhandeln.

Im ersten Teil der Serie haben wir Ihnen gezeigt, was Behavioral Economics überhaupt sind und Ihnen zwei Verhaltensmuster erläutert. Diese Erläuterungen setzen wir mit drei weiteren Verhaltensmustern fort.

Lügenaversion

Der Verhandlungstisch ist ein Paradies für Lügner. Ihr Gegenüber verfolgt stets seine Strategie und Vertrauen wäre töricht. Oder? Bestimmt hatten auch Sie schon regelmäßig in Verhandlungen die Vermutung, von ihrem Verhandlungspartner angelogen zu werden. Hat mein Verhandlungspartner schon alle Möglichkeiten zur Preisreduktion ausgeschöpft? Kann ich der mir gewährten Kostentransparenz wirklich vertrauen? Der Anreiz, den Verhandlungspartner anzulügen, liegt auf der Hand. Behavioral Economics lehrt uns in diesem Zusammenhang jedoch das Gegenteil. Menschen fällt es erstaunlich schwer zu lügen, selbst dann, wenn eine Lüge für sie einen nennenswerten Vorteil bedeuten würde und sie zeitgleich keine persönliche Beziehung zum Gegenüber haben. Das eigene Verständnis von Moral und die Angst vor dem schlechten Gewissen dominieren die möglichen Vorteile einer Lüge. Befindet man sich in einer längeren Geschäftsbeziehung, wird diese sogenannte Lügenaversion noch stärker. Natürlich dürfen wir nicht naiv werden. Am Verhandlungstisch wird öfter gelogen als an anderen Orten, jedoch weit weniger als man denkt. Nehmen Sie in Ihrer nächsten Verhandlung mal die Informationen Ihres Gegenübers bewusst auf und tun Sie diese nicht als bloße Verhandlungsstrategie ab. Jede Information kann möglicherweise von Ihnen genutzt werden, um das eigene Verhandlungsergebnis zu verbessern.

Informationskaskade

Informationskaskaden kennt jeder Mensch aus dem Privatleben. Man ist im Urlaub, möchte etwas essen gehen und sieht sich zwei Restaurants gegenüber. Eins der beiden ist gut besucht, das andere eher leer. Selbstverständlich fällt die Entscheidung auf das volle Restaurant, denn so viele Menschen können sich ja schließlich nicht irren. Haben Sie sich schon einmal hinterfragt, wie die vorherige Person, die in das Restaurant gegangen ist, Ihre Entscheidung gefällt hat? Und die davor? Es ist gut möglich, dass Sie Ihre Entscheidung auf Basis der Entscheidung von anderen Menschen gefällt haben, die ebenfalls wie Sie, einfach nur der Mehrheit nachgeeilt sind. Derartige Informationskaskaden müssen keinen fundierten Beginn haben. Das Beispiel könnte durch eine Gruppe Einheimischer ausgelöst worden sein, die mit dem Besitzer des Restaurants befreundet ist. Zu keinem Zeitpunkt hat die Qualität eine Rolle gespielt.

Solche Situation treten nur zu häufig in der Businesswelt auf – mit schwerwiegenden Folgen für Verhandlungen. Produkte, die in einer Industrie bereits von der Konkurrenz verwendet werden, erhalten eine viel höhere Wertschätzung als qualitativ gleichwertige Alternativen. Die Produzenten dieser Produkte werden zu Quasi-Monopolisten und können in Verhandlungen deutlich höhere Preise erzielen. Deshalb sollten Sie zu Beginn jeder Verhandlung Zeit in eine ausführliche Recherche des Marktes investieren, um aus einer Monopolverhandlung eine Wettbewerbsverhandlung zu machen.

Risikoaversion

Der Abschnitt über die Risikoaversion widmet sich weniger den Verhandlern selbst als mehr den Unternehmen, die eine Vielzahl an Einkäufern und Vertrieblern beschäftigen. Menschen scheuen hohes Risiko in nahezu jeder Lebenslage. Ebenso entscheiden sie sich in Verhandlungen eher für sichere als für risikobehaftete Gewinne, die zwar höher, aber eben auch geringer ausfallen können. Entscheidend ist, dass bei fast allen Verhandlern öfter höhere Gewinne eintreten würden, wenn Sie nur bereit wären etwas mehr Risiko einzugehen.

Der Grund dafür liegt auf der Hand: Jeder Verhandler wird an seinen Verhandlungsergebnissen gemessen und mit anderen Verhandlern innerhalb des Unternehmens verglichen. Geht man nun ein höheres, aber dennoch gesundes Risiko, hat allerdings Pech, fällt die nächste Jahresbewertung eher schlecht aus.

Das Unternehmen selbst möchte eigentlich, dass seine Verhandler etwas mehr Risiko eingehen. Durch seine Vielzahl von Einkäufern und Vertrieblern können so schlechte Ergebnisse von einigen wenigen durch die Mehrheit an höheren Gewinnen ausgeglichen und übertroffen werden. Der Gesamtunternehmensgewinn würde auf die Weise steigen.

Dieses Problem ist aus der Prinzipal-Agenten-Theorie bekannt. Der Prinzipal, also das Unternehmen, möchte, dass seine Agenten, also die Verhandler, etwas mehr Risiko eingehen, doch erreichen durch die gewählte Incentivierungsstruktur genau das Gegenteil. Unternehmen sollten sich so aufstellen, dass Verhandler ermutigt werden, Risiken einzugehen ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen. Am Ende profitiert davon das gesamte Unternehmen.

Zuletzt noch ein Tipp für Ihre nächste Verhandlung: Denken Sie daran, dass Ihr Gegenüber vermutlich ähnlich incentiviert ist wie Sie. Unterbreiten Sie ihm doch mal risikobehaftete Angebote und versuchen Sie auf diese Weise, ihn in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Irrationalität bewusst wahrnehmen

Behavioral Economics bietet viele Möglichkeiten, das eigene Verhandlungsergebnis zu verbessern. Allein die beispielhaft genannten Verhaltensmuster zu vermeiden, könnten Ihr nächstes Verhandlungsergebnis bereits deutlich erfolgreicher gestalten.

Irrationalität muss bewusst wahrgenommen werden. Ein guter Verhandler hat verinnerlicht, wie man es vermeidet, manipuliert zu werden und welche Möglichkeiten der aktiven Manipulation einsetzbar sind. Bei der Vielzahl an Effekten und der Komplexität menschlicher Interaktionen verbleibt selbst erfahrenen Verhandlern immer wertvolles Verbesserungspotenzial.


Bild: Kerkhoff

Dr. Marvin M. Müller

Kerkhoff Consulting


Bild: Kerkhoff

Fabian Spühler

Kerkhoff Consulting


Verhaltensmuster

Erschienen in der Ausgabe März 2023:

  • Ankereffekt
  • Status-Quo-Bias

Erschienen in der Ausgabe April 2023:

  • Lügenaversion
  • Informationskaskade
  • Risikoaversion
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