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Ölpreis – Überraschungen einkalkulieren!

Meinung
Ölpreis – Überraschungen einkalkulieren!

Der viel beachtete Oil Market Report der Internationalen Energieagentur (IEA) vom März gab dem Öl-Preis in jüngster Zeit Auftrieb, und dies dürfte für die kommenden Monate so bleiben. Die IEA rechnet für das erste Quartal 2024 mit einem Wachstum der globalen Ölnachfrage in Höhe von 1,7 mb/d (million barrels per day). Dies ist mehr als erwartet. Zu erklären ist dies mit den besseren Wirtschaftsaussichten für die USA, deren am 1. April veröffentlichter ISM-Index erstmals seit 17 Monaten wieder über 50 stieg. Die IEA verweist zudem auch auf die Zunahme der Bevorratung.

Noch zum Jahresende 2023 hatten die schwachen Fundamentaldaten für Druck auf die Preise für die Rohölsorten Brent (Europas wichtigste Rohölsorte) sowie die US-Sorte WTI gesorgt. Im Dezember 2023 war der Preis für ein Barrel Brent auf weniger als 74 USD gefallen. Am 1. April wurde schon wieder die Marke von 88 USD überschritten.

Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die kurzen Laufzeiten der Kontrakte teurer sind als die längerfristigen. Wir befinden uns im Zustand der Backwardation. Daran lässt sich ablesen, dass es derzeit Knappheit am Ölmarkt gibt. Auch die IEA, die noch vor wenigen Wochen von einem Überangebot für 2024 ausging, prognostiziert mittlerweile ein Defizit. Dies liegt nicht zuletzt auch an den besser als erwarteten jüngsten Daten über die chinesische Industrieproduktion. Es ist auffällig, dass die Produktion der chinesischen Raffinerien in den ersten beiden Monaten des Jahres 2024 auf ein Allzeithoch gestiegen ist, was für eine robuste Nachfrage spricht.

Auf der Angebotsseite ist indessen eine weitere Verknappung zu erwarten. So wollen die acht Mitgliedsstaaten des Ölkartells OPEC+ ihre Förderkürzung bis ins zweite Quartal hinein fortsetzen. Die freiwillige Reduzierung der Produktion im ersten Quartal bezog sich auf immerhin 2,2 Mio. Barrel pro Tag. Es wird spekuliert, dass die Förderkürzungen in der zweiten Jahreshälfte anhalten.

Der aktuell zu beobachtende Ölpreisanstieg hängt auch mit den geopolitischen Spannungen zusammen (Eskalation des Ukraine-Krieges und des Nahost-Konfliktes). Zudem haben die Angriffe der Huthi-Miliz auf die Handelsschifffahrt im Roten Meer dazu geführt, dass die tägliche Transportmenge von Rohöl durch das Rote Meer nach Europa von 1 Mio. Barrel auf nur noch 200.000 Barrel pro Tag eingebrochen ist. Stark beeinträchtigt ist die Versorgung Europas mit Diesel. Diesel kommt vor allem aus Indien und wird dort aus russischem Rohöl produziert. Indien beliefert nunmehr in erster Linie den asiatischen Markt. Die Folge ist eine erhebliche Angebotsverknappung im europäischen Dieselmarkt.

In den kommenden Monaten dürften zwei Faktoren für einen steigenden Ölpreis sorgen: Einerseits die weiterhin ungelösten geopolitischen Spannungen und andererseits das begrenzte Ölangebot, das auf eine robuste Nachfrage trifft. Die Meinungen der Experten zum Ölpreis sind gemixt: Einige erwarten eine Stabilisierung des Brent-Ölpreises oberhalb von 80 USD. Andere sehen den fairen Wert bereits bei 90 USD und mehr. Letztere dürften richtig liegen, und darauf sollten sich die Einkäufer vorsorglich einstellen.

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Der Autor: Prof. Dr. Robert Fieten, wissenschaftlicher Berater der Beschaffung aktuell, Köln
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