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EU-Regularien gemeinsam mit Lieferanten umsetzen

Scope-3-Berichterstattung
EU-Regularien gemeinsam mit Lieferanten umsetzen

EU-Regularien gemeinsam mit Lieferanten umsetzen
Unternehmen und Einkaufsentscheider sollten Regularien wie die CSRD-Richtlinie oder das geplante EU-Lieferkettengesetz nicht als Bedrohung verstehen. Sie sind vielmehr eine Aufforderung an die Unternehmen, ihre Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten ernst zu nehmen. Bild: tanakorn/stock.adobe.com
Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG): Auf Unternehmen kommt eine Flut neuer Vorschriften zu. Sie machen das kontinuierliche Monitoring von Emissionen, CSR-Richtlinien und Nachhaltigkeitsinitiativen für viele Unternehmen zur Pflicht. Dazu gehören neben der Bewertung des eigenen Geschäftsmodells und möglicher Nachhaltigkeitsrisiken auch die Überwachung von Scope-3-Emissionen in den Lieferketten sowie konkrete Pläne zur CO2-Neutralität.

Eines haben die Regelungen gemeinsam: Ihre Umsetzung hängt von validen Daten und deren strukturierter Auswertung ab – und sie gelten künftig nicht nur für Konzerne, sondern auch für kleinere Unternehmen. Wer nicht liefert, riskiert Abmahnungen, Bußgelder und den Verlust von Kunden und Marktanteilen. Was also tun?

Zugang zu ESG-Daten ist essenziell

Die Umsetzung der neuen Regularien ist alles andere als trivial. Dies liegt nicht nur an den weit verzweigten Lieferketten, sondern ist vor allem ein Datenproblem: Viele Unternehmen wissen zu wenig über ihre Lieferanten. Lieferantendaten sind oft ungenau, unvollständig, stammen aus ungeprüften Quellen oder liegen in verschiedenen Anwendungen (Datensilos). Je weiter man in der Lieferkette nach unten geht, desto fragmentierter werden sie.

Dies führt dazu, dass Unternehmen zwar ihre strategischen oder direkten Lieferanten kennen, aber kaum Informationen über ihre Sublieferanten und deren Partner haben. Diese Intransparenz gilt grundsätzlich für alle Nachhaltigkeitsdaten und macht auch die Messung von Scope-3-Emissionen schwierig bis unmöglich – insbesondere, wenn über die komplette Lieferkette berichtet werden soll.

Hinzu kommt das Fehlen klar definierter Standards, wie Unternehmen die Scope-3-Berichterstattung durchführen sollen. Ohne gemeinsame Standards für die Datenerhebung ist es nicht möglich, Umwelttransparenz in vollem Umfang herzustellen – insbesondere für globale Unternehmen mit geringer Fertigungstiefe und weit verzweigten Lieferketten.

Ein guter Ansatzpunkt ist die Schaffung einer zentralen Datenquelle für Lieferanteninformationen, in der eigene Daten – zum Beispiel Ausgaben und Performancedaten – mit denen von Lieferanten und Drittanbietern zusammengeführt werden. Darüber hinaus sollten einheitliche Standards für die Erfassung und Bewertung der berichtsrelevanten Scope-3-Emissionen definiert werden.

Analyse schafft Klarheit

Die nächste Herausforderung besteht darin, diese Daten zu speichern, zu analysieren und sowohl im Einkaufsprozess als auch in der Berichterstattung zu berücksichtigen. Der Schlüssel dazu ist moderne Software.

Bislang wurden Beschaffungslösungen vor allem eingesetzt, um strategisch einzukaufen, Kosten zu senken und die Kontinuität der Versorgung sicherzustellen. Dementsprechend konzentrieren sich die Anwendungen stark auf Prozesseffizienz und sind auf die Zusammenarbeit mit Lieferanten ausgerichtet.

Sie können jedoch auch eingesetzt werden, um Nachhaltigkeitsinformationen und Emissionsdaten von Lieferanten, ihren Partnern und Drittanbietern zu sammeln und die Umweltauswirkungen von Einkäufen entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verfolgen. Auf diese Weise erhalten Unternehmen einen detaillierten Überblick über die ESG-Performance ihrer Lieferkette und können gleichzeitig ihre aktuellen Scope-3-Emissionen berechnen – auf Lieferanten-, Kategorien-, oder Projektebene.

Moderne Tools können auch die Entwicklung der Kohlendioxidemissionen für Einkäufe bereits ermitteln, bevor sich Unternehmen für einen bestimmten Lieferanten oder ein bestimmtes Produkt entscheiden.

Transparenz allein genügt nicht

Die Schaffung von Transparenz allein reicht nicht aus, um die EU-Anforderungen zu erfüllen und Scope-3-Emissionen zu reduzieren. Sie ist bestenfalls ein Ausgangspunkt, um geeignete Verbesserungsmaßnahmen zu ergreifen.

Unternehmen können die Daten beispielsweise nutzen, um strategisch wichtige Lieferanten mit hohen Emissionen zu identifizieren und mit diesen intensiver zusammenzuarbeiten. Durch gemeinsame Nachhaltigkeitsinitiativen oder gezielte Incentivierung kann die ESG-Performance der gesamten Lieferkette verbessert werden.

Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie ihre Fortschritte bei den Emissionen rechtssicher dokumentieren. Das bedeutet, dass sie ihre Umweltauswirkungen regelmäßig messen und mit anderen ESG-Datenquellen abgleichen müssen. Dabei kann es sich um Aktualisierungen bestehender Vorschriften und länderspezifischer Richtlinien, Bewertungen von Umweltrisiken durch Dritte oder um die Umsetzung eigener Nachhaltigkeitsziele handeln.

Auf Basis dieser Informationen können Unternehmen den Ist-Zustand dokumentieren und die Erfolge ihrer Nachhaltigkeitsstrategien objektiv und nahezu in Echtzeit messen – und darüber berichten.

Ohne vertrauensvolle Zusammenarbeit keine Umsetzung

Die Umsetzung der neuen Regelungen ist eng mit der Verfügbarkeit und Auswertung von Emissions- und ESG-Daten verbunden. Nur wenn Unternehmen Zugang zu diesen Informationen haben und gezielt in moderne Technologien investieren, können sie diese Aufgabe bewältigen. Andernfalls sind sie gezwungen, Kompromisse beim Monitoring einzugehen und setzen sich dem Vorwurf des Greenwashing und dem Risiko von Strafzahlungen aus.

Doch selbst die beste Lösung kann derzeit nicht alle Herausforderungen lösen: Sollte das europäische Lieferkettengesetz wie geplant auf internationale Zulieferer und deren Partner ausgeweitet werden, stehen Unternehmen vor einer zusätzlichen Herausforderung: Sie müssen Verantwortung für die Geschäftspraktiken internationaler Partner übernehmen, die in anderen Rechtsräumen agieren und die neuen europäischen Gesetze derzeit noch nicht einmal kennen.

Viele Lieferanten und Sublieferanten sind zudem vertraglich zur Geheimhaltung verpflichtet und dürfen keine Informationen über ihre Geschäftsbeziehungen weitergeben. Da die Hauptauftraggeber nicht wissen, von wem ihre Partner die für die Produktion benötigten Materialien, Produkte und Dienstleistungen beziehen, sind sie nicht in der Lage, deren Emissionen oder die Einhaltung von CSR- oder ESG-Richtlinien zu überprüfen.

Selbst die fortschrittlichste Beschaffungslösung nützt also wenig, wenn Lieferanten und deren Partner keinen Einblick in ihre Lieferketten gewähren. Die vom Gesetzgeber erwartete Lieferkettentransparenz erfordert daher zunächst den Aufbau vertrauensvoller Lieferantenbeziehungen und eine Abkehr vom reinen Kostenfokus. Dies setzt eine neue Art der Zusammenarbeit voraus, die sich in den meisten Unternehmen jedoch erst noch etablieren muss.

Fazit

Unternehmen und Einkaufsentscheider sollten Regularien wie die CSRD-Richtlinie oder das geplante EU-Lieferkettengesetz nicht als Bedrohung verstehen. Sie sind vielmehr eine Aufforderung an die Unternehmen, ihre Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren Lieferketten ernst zu nehmen.

Gleichzeitig bieten sie die Chance, die Effizienz und Robustheit der eigenen Einkaufsprozesse zu verbessern, strategische Antworten auf zukünftige Herausforderungen in den Lieferketten zu finden und gleichzeitig das Vertrauen von Kunden, Partnern und Stakeholdern zu stärken.


Bild: Ivalua

Alex Saric

ist Experte für Smart Procurement bei Ivalua.

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