Laut einer aktuellen Sourcing-Analyse des BME-Expertenkreises China wollen derzeit nur wenige deutsche Firmen ihre Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik verringern.
„Das Potenzial des chinesischen Beschaffungsmarktes ist noch lange nicht ausgeschöpft, trotz der Herausforderungen, vor denen wir derzeit stehen“, betont Dr. Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME). „Die Strategie vieler Unternehmen ist es, ihr China-Geschäft durch punktuelles Engagement in benachbarten Märkten Asiens zu diversifizieren, anstatt sich aus dem Markt zurückzuziehen.“
Eine aktuelle Analyse des BME-Expertenkreises China zeige demnach, dass die Volksrepublik auch nach dem Ende der Null-Covid-Politik als verlässlicher Partner in der Lieferkette wahrgenommen wird. „Für die meisten Unternehmen ist ein Rückzug aus dem chinesischen Markt derzeit kein Thema“, so die Experten.
Potenzielle Märkte in Südostasien
Der aus 46 mittelständisch geprägten Industriebetrieben bestehende BME-Expertenkreis China hat potenzielle Märkte Südostasiens näher untersucht, die als Ausweichstandort an Bedeutung gewinnen können.
Anhand eines nach „politischer Stabilität“ und „Marktpotenzial“ ermittelten Rankings zeigt sich, „wie komplex und ressourcenintensiv der Aufbau alternativer Lieferantenstrukturen zum bestehenden Geschäft in China ist. Im Vergleich zu einer vollständigen Verlagerung dieser Aktivitäten in einen neuen Markt und der Etablierung auf diesem, scheint das kurzfristige Verfehlen von Gewinnzielen noch ein akzeptables Szenario zu sein“, sagt Riccardo Kurto, Leiter des BME-Büros China.
Gewachsene Strukturen und Partnerschaften
Der BME-Expertenkreis, dessen Mitglieder ein jährliches Einkaufsvolumen von rund 11 Milliarden Euro verantworten, plädiert mit Blick auf das China-Geschäft deutscher Unternehmen für mehr Realismus. Über Jahrzehnte aufgebaute Strukturen und Partnerschaften ließen sich den Experten zufolge weder kurz- noch mittelfristig durch alternative Produktionsstandorte und Beschaffungsmärkte ersetzen.
Zudem sei Reshoring und damit die Rückverlagerung von Fertigungsstätten nach Europa kostspielig und häufig mit deutlichen Preissteigerungen verbunden. Falls sich in China aktive Unternehmen doch dazu entscheiden, stünde das in Jahrzehnten zu ihren Geschäftspartnern aufgebaute Vertrauen auf dem Spiel, so die Analyse.
Standortvorteil China
China verfügt laut der Sourcing-Analyse über eine gut ausgebaute Infrastruktur und enge Supply Chains. Ausländische Fabriken können den Angaben des Expertenkreises zufolge nahezu sämtliche Vorprodukte günstig und rasch vor Ort einkaufen. Das einheimische Lieferantennetzwerk wird vom BME als der größte Standortvorteil Chinas eingestuft.
„Tatsächlich reagieren einige vor Ort tätige westliche Firmen auf die globalen Entkopplungstendenzen nicht mit Rückzug, sondern teils mit stärkerer Lokalisierung ihrer Produktion in China“, betont Kurto.
Melnikov verweist abschließend darauf, dass die größte Volkswirtschaft Asiens trotz der Corona-bedingten schwierigen Rahmenbedingungen auch 2022 Deutschlands wichtigster Handelspartner gewesen sei.
Den vorläufigen Destatis-Ergebnissen zufolge wurden allein im vergangenen Jahr Waren im Wert von 298,2 Milliarden Euro zwischen Deutschland und China gehandelt. Damit war die Volksrepublik 2022 zum siebten Mal in Folge wichtigster Handelspartner Deutschlands. Darüber hinaus gilt China als einer der weltweit stärksten Liefer- und Absatzmärkte. (ys)