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Rohstoff Gold

Der Rohstoff des Monats: Aurum
Rohstoff Gold

Und alles andere ist Kredit. Diese Erkenntnis von John Pierpont Morgan ist über hundert Jahre alt, aber aktuell wie nie. Gerade in Krisenzeiten gewinnt das glänzende Edelmetall an Bedeutung – und an Wert. Aktuell hat Gold ein Allzeithoch erreicht.

Gold ist mehr als ein Metall, Gold ist ein Mythos. Über die Hälfte des geförderten Goldes wird zu Schmuck verarbeitet und am Körper getragen, zum Beispiel in Form von Armreifen und Eheringen. Das edle Metall begleitet seine Besitzer oft über deren Tod hinaus. Die ersten güldenen Grabbeigaben stammen aus einem Gräberfeld im heutigen Bulgarien aus der Zeit um 4500 v. Chr. Früh schon hat Gold auch die Weltwirtschaft geprägt. Der lydische König Krösus gilt als Erfinder des gemünzten Geldes. Münzen sind praktischer als Tausch-handel oder die Bezahlung mit den bis dahin üblichen Kupfer-, Silber- und Goldklumpen: Sie sind transportabel und ersparen die aufwendige Prozedur des Abwägens und der Bestimmung ihrer Reinheit. Mit seinem Stempel bürgt Krösus für den Wert und schafft Vertrauen in sein Zahlungssystem. Damit gewann er Macht über den damaligen Fernhandel und die damit verbundenen Volkswirtschaften – und wurde legendär reich.

Als Geld noch Gold war

Gold galt die nächsten 2500 Jahre als Basiswährung für den Handel. Dieser Goldstandard endete erst am 15. August 1971. An diesem Tag hob US-Präsident Nixon die verbürgte Eintauschbarkeit des Dollars gegen Gold auf. Bis zu diesem Zeitpunkt garantierte die US-Regierung, Gold für 35 Dollar je Unze zu kaufen und zu verkaufen, was einer unbedingten Absicherung des Dollars entsprach. Mit der Aufkündigung dieses Systems ist der Dollar nichts anderes mehr als bedrucktes Papier ohne inneren Wert. Ein Versprechen – oder eben ein Kredit, so wie jede andere Papierwährung auch. Die Entscheidung zur Aufhebung des Goldstandards machte die enorme Geldmengenausweitung in den heutigen Wirtschaftsräumen erst möglich. Und sie führte dazu, dass wir Stand Mitte September 2020 für eine Unze Gold über 1900 Dollar zahlen müssen. Anders ausgedrückt: Der Dollar hat seit 1971 über 98 Prozent seines Wertes gegenüber dem Gold verloren. Aber auch ohne Goldstandard: Nach wie vor besitzen die Zentralbanken große Vorräte. Allen voran die USA mit einem Lagerbestand von 8133 t, gefolgt von Deutschland mit 3363 t und dem IWF mit 2814 t (Stand April 2020). China und Russland sind die Länder mit dem größten Wachstum ihrer Goldreserven, während Usbekistan und Deutschland ihre Vor-räte 2019 am stärksten abgebaut haben. Im internationalen Währungssystem mit seinen freien Wechselkursen dienen die jeweiligen Goldreserven als Sicherheit und finanzielle Rücklage für die einzelnen Staaten.

Gold kommt überwiegend gediegen, das heißt in elementarer und metallischer Form vor. Bis zu 20 Prozent des jährlich geförderten Goldes wird als Bei-Produkt hauptsächlich in Kupfer-, Nickel- und anderen Edelmetall-minen gewonnen.

10.648 Kubikmeter Glanz

Ungefähr 195.000 t wurden seit dem Goldrausch im Jahr 1848 gefördert. Das entspricht einem Würfel mit einer Kantenlänge von rund 22 Metern. Die größten Förderländer sind China (420 t), Australien (330 t), Russland (310 t) und die USA (200 t). Laut World Gold Council betrug die Gesamtförderung im Jahr 2019 rund 3400 t. Das entspricht einem leichten Rückgang um ein Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Verantwortlich dafür ist vor allem China, wo die Förderrate um sechs Prozent zurückging. Manche Marktbeobachter leiten daraus den „Gold Peak“ ab – einen nicht mehr zu erreichenden historischen Wert. Ihre Argumente lauten: erschöpfte Lagerstätten, ein hoher Aufwand für die Erschließung neuer Goldvorkommen sowie ein weltweit abnehmender Goldgehalt der geschürften Erze. Optimisten verweisen dagegen auf die Entdeckung neuer Förderstätten und innovative Fördermethoden.

Bestseller auf hohem Niveau

Die Deutsche Rohstoffagentur DERA analysiert in ihrem aktuellen Wachstumsraten-monitor die langfristige Entwicklung der globalen Rohstoffproduktion und des Rohstoffbedarfs anhand von circa 80 mineralischen Rohstoffen. Autor der Studie Arne Schumacher: „Während die Wachstumsraten der Rohstoffe Aluminium, Blei, Kupfer, Zinn sowie Eisen und Stahl eng an die globale Wirtschaftsentwicklung gekoppelt sind, gilt das bei Edelmetallen wie Gold nicht.“

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fungieren Edelmetalle oftmals als Sicherheitsanker. Dies ist zurzeit auch beim Gold festzustellen. Aktuell ist der Markt auch von gegenläufigen Strömungen gekennzeichnet. Einerseits ging die Nachfrage von Industrie und privaten Käufern zurück, wobei China mit 65 Prozent den stärksten Rückgang verzeichnete. Dieser weltweit größte Schmuckmarkt war das erste Opfer der Pandemie. Andererseits kaufen Investoren und Zentralbanken seit langer Zeit wieder verstärkt ein. Im Zeichen unsicherer Märkte wuchsen die globalen Goldreserven im ersten Quartal um 145 Tonnen.

Dagegen setzte Russland sein langfristiges Aufkaufprogramm aus, was wiederum zu einer Entlastung des Marktes führte. Gleichzeitig arbeiten viele Bergwerke immer noch im Krisenmodus, was preistreibend wirkt. Unter dem Strich sind sich die meisten Marktbeobachter einig: Gold bleibt teuer. Goldman Sachs sieht den Preis innerhalb der nächsten zwölf Monate bei 2300 Dollar je Feinunze, die Bank of America gar bei 3000 Dollar. Abwarten ist in puncto Goldbeschaffung deshalb vermutlich keine gute Wahl.

Goldene Zeiten

Gold besitzt erwartungsgemäß eine hohe Recyclingquote – über ein Viertel des Marktangebotes besteht aktuell aus Recycling-metall. Dieser Anteil wird mit steigenden Goldpreisen weiter zunehmen, weil die Rückgewinnung immer lukrativer wird. Der Großteil besteht aus Schmuck, Barren, Münzen und Medaillen; sie machen weltweit 90 Prozent des recycelten Edelmetalles aus. Nur knapp zehn Prozent stammen aus der Industrie, hauptsächlich aus den Branchen IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik. Interessant sind dabei vor allem Handys – in jedem Mobiltelefon stecken durchschnittlich 35 mg Gold – genug für eine rentable Aufbereitung. Bei geschätzten 200 Mio. Altgeräten in deutschen Schubladen summiert sich das auf sechs Tonnen Gold.

Für das Recycling kommen drei verschiedene Verfahren infrage: Bei der mechanischen Aufbereitung wird das Scheidgut geschreddert, gemahlen und gesiebt. Beim Pyrolyseverfahren wird das Ausgangsmaterial unter hohen Temperaturen verbrannt und das Gold abgeschieden. Beim Aufschlussverfahren wird das Edelmetall in Königswasser (eine Salz- und Salpetersäuremischung) gelöst, mit Schwefeldioxid reduziert und dann mit Elektrolyse herausgezogen.

Hightech und Highlights

Als Werkstoff ist Gold naturgemäß teuer, aber flexibel und besitzt einzigartige Eigenschaften. Es lässt sich einfach mechanisch bearbeiten, ist korrosionsbeständig und fügt sich gut an jede Kontaktfläche. Optimale Eigenschaften beispielsweise für die Zahnprothetik – rund um den Globus wandern jedes Jahr 29 t Gold in menschliche Münder. In der Industrie wird Gold dagegen vor allem für Schaltkreise und zum Vergolden von Drähten, Leiterplatten, Kontakten und Steckverbindern eingesetzt.

Alles Lowtech? Mitnichten: Aus einem Gramm Gold kann ein Draht mit einer Länge von 3700 Metern gezogen werden. Diese Eigenschaft nutzt die Halbleiterindustrie in Form sogenannter Bonddrähte. Diese feinen Strukturen verbinden Chips mit integrierten Schaltkreisen. Und was den Alchemisten vor fünfhundert Jahren noch unmöglich war, geht heute: unedle Metalle in Gold zu verwandeln. Dazu müssen „nur“ Quecksilber oder Platin mit Neutronen beschossen werden. Der Versuch rechnet sich allerdings nach wie vor nicht.


Michael Grupp, Journalist in Stuttgart

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