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Jetzt die Bestände optimieren!

Kapitalkosten senken
Jetzt die Bestände optimieren!

Jetzt die Bestände optimieren!
Mit einer pauschalen Bestandsreduktion ist es nicht getan – das lehren uns die Erfahrungen aus der Krise. Bild: Smart AI/stock.adobe.com
In der Materialkrise wurden die Bestände zur Lebensversicherung der Versorgung. Jetzt, da die Kapitalkosten gestiegen sind und die Versorgungslage eine andere, schwingt das Pendel zurück. Trotzdem ist eine pauschale Reduktion keine gute Idee.

Kurze Lieferzeiten bei steigender Vielfalt und das zu vertretbaren Kosten: Die Anforderungen an das Bestandsmanagement bleiben hoch. Das gilt für OEM genauso wie für mittelständische Zulieferer. Auch die in Deutschland durchweg kleineren bis mittleren Großhändler stehen marktseitig unter Druck. Lieferfähigkeit und niedrige Kapitalbindung sind angesichts hoher Kundenerwartungen und steigender Zinsen auch für sie kritische Erfolgsfaktoren.

Wichtig sind Absatzprognosen, die ein Out-Of-Stock genauso verhindern, wie hohe, kapitalintensive Sicherheitsbestände. Doch zu allererst braucht es Transparenz: über das, was auf Lager ist, wo Sicherheitsbestände angesichts der Versorgungslage und zu erwartender Verbräuche zu hoch oder zu niedrig sind.

Bestände runter, Liquidität hoch, an den richtigen Stellen

Je mehr Glieder die Lieferkette hat, je weniger die Bestellperioden von Lieferanten und Kunden übereinstimmen, je intransparenter der Informationsfluss zwischen Auftrag, Bestellung und Lieferung, desto größer sind die gefürchteten Bullwhip- und Burbidge-Effekte, die Bestände und Kosten gleichermaßen in die Höhe treiben. Insbesondere bei stark schwankenden Verbräuchen und Langsamdrehern stoßen die Standardprognosen aus den ERP-Systemen an Grenzen. Auch Ersatzteile für Maschinen, die es schon lange nicht mehr gibt, finden sich in vielen Lägern. Diese Nulldreher verstopfen über Jahre wertvolle Lagerflächen.

Mit einer pauschalen Bestandsreduktion ist es jedoch nicht getan – das lehren uns die Erfahrungen aus der Krise. Der Einfluss von Materialien auf Umsatz und Deckungsbeitrag muss – neben den aus den Absatzprognosen abgeleiteten zu erwarteten Verbräuchen – in das Bestandsmanagement einfließen. Hierfür müssen die Bestände strategisch verwaltet und deutlich besser kategorisiert werden als bisher.

Kritikalität einbeziehen

Dass sich Bestände zu Warengruppen zuordnen lassen, ist für die Wiederbestellung und Ausgabentransparenz entscheidend. Für ein ausgewogenes Risiko- und Versorgungsmanagement ist die Einteilung in Warengruppen jedoch zu grob. Um die Kritikalität von Materialien beurteilen zu können, braucht es eine Verknüpfung der Inputmaterialien mit den Outputmaterialien. Die Kritikalität definiert sich u. a. aus der allgemeinen Versorgungssituation der Inputmaterialien und ihrem Einfluss auf Umsätze und Deckungsbeiträge (siehe auch weiter unten). Wie wichtig diese Verbindung ist, zeigte sich schmerzlich in der Lieferkrise, als Firmen aufgrund fehlender C-Teile wie einfacher Schrauben, die in vielen Produkten verbaut wurden, plötzlich nicht mehr lieferfähig waren.

Die Daten sind da, es fehlt die Verknüpfung

Die Material- und Bestandsdaten zu allen Teilen liegen im ERP vor. Dennoch ist die Verbindung von Stücklisten und Bestandsnummern in der deutschen Fertigungslandschaft eher die Ausnahme. Die Gründe sind vielfältig:

  • Unterschiedliche Standorte arbeiten mit unterschiedlichen Materialnummern.
  • Die Bestände werden nur je Standort oder je Werk und nicht übergreifend betrachtet.
  • Übergreifend lassen sich die Daten nicht abrufen, weil es keine einheitlichen Stammdaten oder sogar verschiedene ERP-Systeme gibt.
  • Wareneingänge werden falsch verbucht, Materialien doppelt angelegt. Es gibt insgesamt viele Dubletten und Fehlbuchungen.

In der Lieferkrise haben Firmen die Erfahrung gemacht, wie schwierig es sein kann, an Kunden verlässliche Lieferzeitpunkte zu kommunizieren. Auch dies ist der Tatsache geschuldet, dass Materialinput und Output nicht gemeinsam betrachtet werden können, weil die Verbindung für eine verlässliche Aussage erst mühsam hergestellt werden muss. Um die Kritikalität von Materialien zu berechnen, braucht es ein übergreifendes Datenmanagement.

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Bestände klassifizieren

Dabei führen die Lieferfähigkeit von Lieferanten, das historische Verbrauchsverhalten, die Bewertung von Ausfallwahrscheinlichkeiten und die Auswirkung von Ausfällen zur Bewertung der Gesamt-Kritikalität einzelner Artikel. Die Auswirkung von Ausfällen ergibt sich aus den folgenden Kennzahlen:

  • Ersatzteile: Umsatz je Anlage, Substitut für Ersatzteil, Anzahl Maschinen, für die das Ersatzteil benötigt wird
  • Rohstoffe/Halbzeuge: Umsatz und Anzahl der Fertigwaren, in die der Rohstoff/das Halbzeug einfließt, Wiederbeschaffungszeit, Substitutionsmöglichkeiten
  • Fertigware: Umsatz, Herstellzeit, Substitute

Klassisch werden Bestände auf Basis ihrer Bestandswerte/Kapitalbindung (ABC) sowie ihres Versorgungsrisikos in Verbindung mit der Verbrauchsvorhersehbarkeit (XYZ) kategorisiert. Weitere Klassifikationsansätze sind:

  • die Verteilung des aktuellen Lagerwerts auf die erste Ebene der Warengruppen,
  • die Verteilung der Verbrauchswerte auf Kostenstellen sowie
  • die Verteilung des aktuellen Lagerwertes auf die Kostenstellen.

Regelprozesse installieren

Auf Basis alle dieser Kennzahlen lässt sich artikelweise das Optimierungspotenzial von Beständen ermitteln. Und zwar, indem Kapitalkosten (ABC), Versorgungssicherheit (XYZ), Ausfallrisiken (Kritikalität) und Wiederbeschaffungszeiten von Materialien in die Bestandsplanung einbezogen werden. Daraus ergeben sich dann neue, in der Regel niedrigere Soll-Dispositionsparameter, die sowohl die Kapitalbindung, als auch den Verbrauch und die mit dem Artikel verbundenen Risiken berücksichtigen und den Bestand entsprechend dieser Ziele ausbalancieren.

In vielen Fällen sind die Abläufe in der Bestandsverwaltung historisch gewachsen. Oft gibt es für die Lagerverwaltung kein wirkliches Konzept. Damit es nicht bei einer Einmalbereinigung bleibt, braucht strategisches Bestandsmanagement feste Regelprozesse, die die Einbindung der verschiedenen Abteilungen, digitalen Informationsströme und Verantwortlichen vorsehen.

Ersatzteile versus Produktionsmaterial

Dabei sind die Anforderungen von Material zu Material unterschiedlich. Bei Ersatzteilen ist ein Mindestbestand für Ausfälle und Restrisiken gewünscht. Da Anlagenausfälle nur bedingt planbar sind, müssen Servicelevel und Kritikalität prozessual erfasst werden und in die Soll-Planung eingehen. Betrachtet wird ein Zeitraum von mindestens drei Jahren.

Die Bestandshöhe von Rohstoffen und Halbzeugen ist vom Fertigwaren-Umsatz, der Wiederbeschaffungszeit und Substitutionsmöglichkeiten abhängig. Auf Basis von Stücklisten wird die Anzahl der Fertigwaren, in die die Materialien einfließen, bestimmt. Ziel ist eine hohe Lieferbereitschaft bei möglichst geringen Kapitalkosten. Die Planbarkeit ist abhängig von Branche und Industrie. Die eigentliche Bedarfsplanung erfolgt in einem bereichsübergreifenden, rollierenden S&OP-Prozess (Sales & Operating Planning), in den neben Vertrieb, Produktion und Einkauf auch die Materialwirtschaft eng eingebunden sein sollte.

Knappe Lagerflächen bleiben Thema

Auch knappe Lagerflächen sind seit der Materialkrise ein Thema. Sofortmaßnahmen, die Transparenz und Platz schaffen, sind Verschrottung und Bestandsabbau. Obsolete Bestände brauchen ein konsequentes, nachhaltiges Entsorgungskonzept und eine wirtschaftliche Bestandsverwertung (Recycling). Als Bewertungsgrundlage dient eine Analyse der Nulldreher (in 3,5 Jahren nicht verbrauchte Ersatzteile), eine Bodensatzanalyse (geringst aufgetretene Lagerbestand eines Materials innerhalb von 3,5 Jahren) und eine Gleichteileanalyse bzw. werksübergreifende Konsolidierung der Bestände. Die überdimensionierten Soll-Bestände werden reduziert, indem der Meldebestand um das Bodensatzniveau abgesenkt wird.

Schnelle Ergebnisse, langfristige Effekte

Auch für Rohstoffe, Halbzeuge und Verbrauchsmaterialien gibt es die Möglichkeit schnell einzugreifen und die Bestände kurzfristig zu reduzieren. Dabei sollten die „Quick-and-Dirty“ Maßnahmen immer von einem langfristigen Bestandsmanagement begleitet werden. Die Maßnahmen umfassen die folgenden Schritte:

    • Bestandsstrategie: Zielsetzung Bestandsmanagement (Flexibilisierung, Risko-, Kostenreduktion)
    • Bestandsplanung: KPI festlegen, Rahmenbedingungen gemäß der Zielsetzung in Mindest-, Maximal-, Sicherheits- und Meldebestände überführen (Sollzustand definieren)
    • Bestandsanalyse: Lagerbegehung, Experten-Interviews, ERP-Datenabfrage zu Bestellhistorie, Verbrauchs- und Inventurdaten, Analyse Lagerreichweite, Problembestände, Teileverwendung, Anpassen der Dispositionsparameter (ABC/XYZ inkl. Kritikalität).
    • Bestandsbewertung: Artikel und Materialgruppen strukturieren und priorisieren, Optimierungspotenziale bewerten und verifizieren, Maßnahmen ableiten
    • Bestandsoptimierung: Maßnahmen priorisieren, terminieren und abstimmen, Verantwortlichkeiten zuordnen, Meilensteine vereinbaren (Bestandsreduktion, Aufbau notwendiger Sicherheitsbestände, Abbau obsoleter Bestände…)

Bild: amc

Der Autor:

Felix Franke

amc-Group

 

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