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Einkaufsberichte „nach oben“

Vom Controlling bis zur Prognose
Einkaufsberichte „nach oben“

„Gehe nie zu Deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst!“ – Dieser Spruch beflügelte ganze Generationen von Führungsleuten der mittleren Ebene, wenn es darum ging, nach oben zu berichten.

Horst Strache, Institut für Beschaffungspraxis, Mettmann

Wir leben aber im Informationszeitalter, in dem die Anzahl der Informationen, die für die Geschäftsleitung wichtig sind, täglich zunehmen, so daß ein gekonntes Berichtswesen über die Entwicklung der Einkaufsmärkte und über Einkaufsergebnisse an die obere Hierarchie eine wesentliche Voraussetzung für die sachgerechte Einschätzung des Einkaufsgeschehens von dort aus ist.
Obwohl Einkaufscontrolling in Seminaren hinreichend geschult wird, bedarf es wohl noch vieler Jahre, bis auch mittelständische oder kleinere Unternehmen mit strategischen Zahleninhalten wirkungsvoll umgehen. Sicher muß sich auch die Datenverarbeitung auf diesem Gebiet noch einiges einfallen lassen.
In vielen Unternehmen gibt es vom Controlling her schon eine Reihe von – mindestens bestandsbeeinflussenden – Kennzahlen. Es fehlen aber Strukturanalysen über Prozesse und die Gruppierung der Materialien. Ganz und gar vernachlässigt ist der Soll-/Ist-Vergleich von Einkaufsergebnissen in weiten Kreisen der Industrie.
Hinderungsgründe für ein aktuelles Berichtswesen aus dem Einkauf
–Es fehlt die Anforderung seitens der Geschäftsleitung.
–Es fehlt die Einkaufs-/Beschaffungspolitik, die als Leitlinie für solche Informationen Voraussetzung wäre.
–Der Einkaufsleiter ist sein erster Einkäufer und hat nie Zeit für wesentliche Führungsaufgaben.
–Das Datenverarbeitungssystem ist oft nicht berichtsfähig.
–Es fehlt Zeitkapazität im Einkauf.
–Wir sind zu feige, Soll- und Ist-Vergleiche zuzulassen, weil wir befürchten, schlecht auszusehen.
–Es wird oft ohne den Einkauf wild im Unternehmen eingekauft.
–Der Einkauf kauft hinter dem Bedarf her ein.
–Planungsvorhaben gehen oft am Einkauf vorbei.
–Investitionen werden technisch präjudiziert und gar nicht mehr vom Einkauf eingekauft.
–Einsparungsprogramme, die sinnvoll sind, werden mit Rotstiftaktionen konterkariert.
–Der Einkauf ist nicht selten als Bestellbüro definiert.
–Die Qualifikation der Einkäufer/innen ist den schreibenden und abschreibenden Tätigkeiten entsprechend niedrig.
–Viele Einkaufsmitarbeiter/innen verhandeln nach dem „Mister 5%“-Verfahren, weil ihnen Preisanalyseverfahren unbekannt sind.
Vorteile und Ziele des Einkaufscontrollings
Für aktuelle Trends auf den globalen Beschaffungsmärkten müssen die Gründe aufgezeigt werden, denen zufolge die Aktivitäten des Einkaufs nachhaltig forciert und durch ein geeignetes Berichtswesen von oben unterstützt werden sollten.
•Aus der Presse kann man eine dichte Kollektion von Firmenzusammenschlüssen erkennen, die alle unter dem Tenor interpretiert werden, daß weitreichende Synergieeffekte und Einsparungen der Grund für diese Zusammenschlüsse seien. Diese Synergien werden auch und besonders in den Einkaufsaktivitäten wirksam.
•Der Kampf um die Arbeitsplätze findet unmittelbar neben uns statt. Die Erosion von Arbeit durch Automation und Roboter wird durch die Globalstrategien im Einkauf erweitert.
•Das Outsourcing puscht das Einkaufsvolumen permanent nach oben. Wo früher mit Hilfe von vielen Zulieferanten durch eigene Arbeitsleistung Wertschöpfung stattfand, sind heute Systemlieferanten gefragt, die ganze Baugruppen fix und fertig anliefern.
Diese Trends erfordern eine deutliche Steigerung der technischen und kaufmännischen Intelligenz, die auch im Einkauf angesiedelt sein muß. Sie muß ihre Intentionen und Prognosen sowie deren Erfolgsfaktoren nach oben darstellen. Wo früher die Geschäftsleitungen durch Rationalisierungsplanung mit ihren eigenen Produktionsmitteln und Investitionskunststücken ihre Reserven mobilisiert haben, müssen heute Einkäufer und Einkäuferinnen im Zusammenwirken mit technischen Funktionen der Unternehmen diese Rationalisierungsvorteile bei Lieferanten einfordern.
Was muß für ein Einkaufscontrolling geschehen?
Die erste Voraussetzung für ein qualifiziertes Berichtswesen aus der Einkaufsabteilung in die Vorgesetztenebenen ist eine eindeutige Einkaufsstrategie, die sich der Einkauf selbst entwickeln muß. Eine Grobgliederung der strategischen Inhalte ist zugleich auch die Grobgliederung für ein einheitliches Berichtswesen über die künftige Zeit.
Einkaufsstrategische Inhalte
–ABC-Analyse des Einkaufsvolumens,
–Aufstellen einer Gemeinkostenwertanalyse innerhalb der Einkaufsabteilung und den vor- und nachgeschalteten Bereichen (Disposition, Warenannahmesektor),
–Ermittlung von Kosten und Nutzen aus den Aktivitäten der Gemeinkostenwertanalyse und deren Einbringen in die Kostenstellenrechnung,
–Strukturelle Veränderung der Aufbauorganisation im Einkauf,
–Entfeinerung der Abläufe innerhalb des Einkaufs und Organisation mittels einer modernen EDV-Software,
–Einsatz von intelligenten Einkaufsverfahren bis hin zur Preisanalyse eingekaufter Produkte und deren Auswirkungen auf die A-Teilefamilien,
–C-Teile-Strategien durch Auslagern von C-Teile-Sortimenten zu Handelshäusern,
–Projektierung von Werbemitteleinkauf, Stromeinkauf, Dienstleistungseinkauf, Logistikeinkauf, Versicherungsoptimierung u.a.,
–Entwicklung von Konsignationslägern und Just-in-time-Verfahren für die angelieferten Güter,
–Wertanalysearbeit im eigenen Hause und mit Lieferanten,
–Schaffen von Berichtsinhalten von wesentlicher Qualität aus dem Einkauf für die Entscheidungsträger im Unternehmen,
–Weiterbildungsprogramm für Mitarbeiter/innen im Einkauf und in vor-/nachgeschalteten Funktionen,
–Personalentwicklung und Gehaltsfindung/Prämiensysteme?
Es mutet wie Anachronismus an, wenn wir heute noch aus Unternehmen von Rang erfahren, daß die Innenrevision Fallprüfungen an Beschaffungsvorgängen vornimmt, um herauszufinden, daß der Anweisung folgend drei Angebote aus dem Markt abgefragt worden sind. Das zeigt, wie weit der Einkauf mit seinen Innovationen zurückliegt.
Der Einkauf ist aufgerufen, seine Leistungsinhalte zu planen, die Maßnahmen durchzusetzen und die Ergebnisse zu berichten. Er ist als Beschaffungsmarktforscher außerdem aufgerufen, Kostentreiber, die gar nichts mit dem Produkt zu tun haben, aufzuspüren, Lösungen zu finden und vorzuschlagen, damit unsere Preiswirtschaft positiv beeinflußt wird.
Sogar in den Zulieferindustrien zur Automobilindustrie und sicher auch in der Automobilindustrie selbst herrschen sehr unterschiedliche Vorstellungen vom Einkaufen. Wenn wir die Einkaufsanteile am Umsatz von Automobilherstellern gegenüberstellen, zeigt sich ein Trend:
So wie in der Automobilindustrie die Steigerung der Einkaufspotentiale am Umsatz ständig vorangetrieben wird, geht ein vergleichsweiser Prozeß auch in anderen Branchen vor sich. Ein Berichtswesen aus dem Einkauf würde deshalb auch die qualitativen und quantitativen Hinweise auf Verbesserungsvorschläge berichten können und müssen.
In einem gut geführten Unternehmen muß der Einkauf mit einem festgefügten Berichtssystem an die Geschäftsleitung permanent über Bewegungsprozesse seiner Mengendaten, der Werte, die der Einkauf umschlägt und dem gesamten Marktumfeld im Beschaffungsmarkt informieren. Der Rhythmus einer solchen Berichterstattung ist monatlich oder quartalsweise. Das Datenmaterial muß mit Hilfe bestehender Software-Systeme leicht und schnell komprimierbar sein. Die Berichte müssen mit graphischen Mitteln die wesentlichen Aussagen darstellen.
Die Kür der Berichterstattung liegt in der Prognostik. Es gibt ja in vielen Unternehmungen am Jahresende die Frage an den Einkaufsleiter: Was schätzen Sie denn, wie nächstes Jahr die Preise steigen? Viele Einkaufsleiter stehen aber bei solchen Prognosen auch etwas im Abseits, wenn man sie entweder gar nicht fragt oder ihnen nicht zutraut, daß sie über ihre Märkte Aussagen machen können.
Hauptursache dafür ist das Fehlen einer geeigneten Beschaffungsmarktforschung im Sekundärbereich, das sind die Informationen aus den Marktsegmenten, die wirtschaftlichen und monetären Veränderungen und die Erkenntnisse über Verfügbarkeiten von richtigen Materialien. Die Sekundärinformationen werden in vielen Firmen entweder gar nicht zur Kenntnis genommen oder sie werden nur punktuell von einzelnen Interessierten verwertet.
Viele Einkaufsabteilungen scheuen die Kosten für Informationsdienste und periodisch einzukaufende Marktberichte, weil sie „sparen“ müssen. Sie haben weder von ihrer Geschäftsleitung erfahren noch selbst entdeckt, daß solche Informationen viel Geld wert sind, wenn sie richtig umgesetzt werden. Für die Zukunft müssen die kommunikativen Voraussetzungen der Einkaufsabteilung und der einzelnen Facheinkäufer/innen im Sinne der in der Grafik dargestellten Inhalte beeinflußt werden.
Unternehmensleitungen müssen angesichts der Informationen, die sie aus dem Einkauf erhalten haben, zu Diskussionen mit den Funktionen des Unternehmens kommen, bei denen die Gefahren und Wirkungen der internationalen Beschaffungsmärkte Mittelpunkt der Sachinhalte sind. Nur so kann das ganze Einkaufsgeschehen nutzbringend und kostenwirksam für das Unternehmen ausgenutzt werden.
Es macht keinen Sinn, aus dem Einkauf Leute zu entlassen, weil weniger Bestellungen zu schreiben sind. Vielmehr müssen die vorhandenen qualifizierten Kräfte fortentwickelt werden, um die wichtigeren Beschaffungsfälle im ständig steigenden Einkaufsvolumen noch intensiver in den internationalen Märkten bearbeiten zu können.
Für die einzelnen Berichtsstufen stellt sich das abgebildete Schema dar:
Schema für die Berichterstattung:
•Herausgabe eines sporadisch oder regelmäßig erscheinenden Beschaffungsmarkt-Bulletins mit „Informationen über Tendenzen und aktuelle Beschaffungsmarkt-Informationen“ an einen festgelegten Verteilerkreis.
•Monatliche Berichterstattung von Kennzahlen aus Einkauf und Materialwirtschaft, die mit der Geschäftsleitung konkret abgesprochen sind und aktualisiert berichtet werden.
•Erweiterte Berichterstattung zu jedem Quartalsende mit Fortschrittszahlen für Projekte, Wertanalyseprojekte und den Kosteneinsparungen innerhalb der Verwaltung. Gleichzeitig wird über die Projektprobleme und deren Beseitigung berichtet.
•Jahresberichterstattung: Der Einkauf stellt seine Ergebnisrechnung mit den Jahresendzahlen dar, die sich aus den vorangegangenen Berichtszeiträumen kumuliert haben. Gleichzeitig gibt er einen Kurzüberblick über die Projektarbeit mit den Ergebnisständen und den Fortschrittsdaten.
Der Einkauf berichtet über die Prognose für das kommende und das darauffolgende Jahr mit der Angabe von Tendenzen in Teilmärkten und Marktsegmenten nach Materialgruppen.
Ein solcher Berichtsstatus muß an einen gezielten Verteiler abgegeben werden. Es genügt nicht, nur nach oben zu berichten. Diese Informationen müssen auch quer in der Organisation verteilt werden. Dazu ist es sinnvoll, sich mit den einzelnen Empfängern abzustimmen, welche Nachrichten für sie wichtig sind, und wie damit umgegangen werden soll.
Für das Kennzahlensystem ist ein Formvorschlag des Autors abgebildet.
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