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Zukunft gemeinsam gestalten

ZF Friedrichshafen, Successful Practice, Teil IV
Zukunft gemeinsam gestalten

Steigende Kundenforderungen stellen den Einkauf von Zulieferunternehmen vor große Herausforderungen. So muss der Einkauf beispielsweise mit einer zunehmenden Bedeutung von Innovationsfähigkeit, Qualität und Serviceleistungen ebenso erfolgreich umgehen können wie mit einer verkürzten Time-to-Market, einer Verlagerung von Fertigungsumfängen zu Zulieferern und einem hohen Preisdruck.

Johannes Kamzelak E-Mail: johannes.kamzelak@zf.com www.zf.com Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Günther Schuh, E-Mail: guenther.schuh@ipt.fraunhofer.de Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.-Ing. Simon Orilski, E-Mail: simon.orilski@ipt.fraunhofer.de www.ipt.fraunhofer.de

Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen wendet unter diesen Randbedingungen besonders erfolgreiche Vorgehensweisen im Einkauf an und wurde daher als eines von fünf Unternehmen vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT als „Successful Practice in Purchasing 2007“ ausgezeichnet. Nachdem in den vorigen Ausgaben bereits die Kernergebnisse des gesamten Benchmarking-Projekts sowie der Einkauf der BMW Group vorgestellt wurden, wird in diesem Heft auf das systematische Lieferantenmanagement von ZF Friedrichshafen eingegangen. Hier wurde besonders positiv bewertet, dass die Lieferantenstrategien aus einer Kombination der strategischen Bewertung und der Beurteilung der operativen Performance abgeleitet werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor im Einkauf von ZF Friedrichshafen ist ein ausgeprägtes Corporate Thinking, sodass sich der Einkauf gemeinsam mit anderen Abteilungen an konsistenten, übergeordneten Unternehmenszielen orientiert.
ZF ist ein weltweit führender Automobilzulieferkonzern in der Antriebs- und Fahrwerktechnik. Technologieführer ZF will mit seinen Produkten für mehr Fahrdynamik, Sicherheit, Komfort und Wirtschaftlichkeit, sowie für weniger Verbrauch und Emissionen in den Fahrzeugen der Kunden sorgen: Zu Land, zu Wasser und in der Luft. ZF beschäftigt rund 55 000 Mitarbeiter an 120 Standorten in 26 Ländern. Der Konzern erwirtschaftete im Jahr 2006 einen Umsatz von 11,7 Milliarden Euro. Auf der Weltrangliste der Automobilzulieferer ist ZF unter den 15 größten Unternehmen.
Der Einkauf von ZF versteht seine Aufgaben sehr viel umfangreicher als die reine Materialbeschaffung. Vielmehr trägt er mit seiner strategischen und internationalen Ausrichtung mit einem globalen Netzwerk aus leistungsfähigen Lieferanten entscheidend zum Unternehmenserfolg bei. Daher ist das systematische Lieferantenmanagement ein wichtiger Erfolgsfaktor. So wird einerseits eine effiziente, zuverlässige und innovative Lieferantenbasis geschaffen, andererseits eine zu hohe Komplexität aufgrund zu vieler Zulieferer vermieden. Mit ausgewählten Lieferanten, die in Bezug auf Technologie, Qualität, Logistik und Kooperation mit dem Einkauf in ihren jeweiligen Produktgruppen führend sind, arbeitet ZF Friedrichshafen sehr eng zusammen. Kernelemente dieser Zusammenarbeit sind eine frühzeitige Einbindung dieser Lieferanten in Entwicklungsprojekte, eine präventive Qualitätssicherung, eine gemeinsame Optimierung der gesamten Logistikkette und eine langfristige Vertragsbindung an innovative Partner.
Erfolgsfaktor Lieferantenmanagement
Die Auswahl der richtigen Lieferanten für eine derartige strategische Zusammenarbeit erfolgt in einem vierstufigen Verfahren, dessen wesentlichen Elemente die strategische Klassifizierung und die davon unabhängige Beurteilung der operativen Lieferantenperformance sind. Nach einer allgemeinen Vorauswahl geeigneter Lieferanten werden so Partner identifiziert, mit denen zum einen eine strategische Zusammenarbeit sinnvoll ist, und die sich zum anderen auch im operativen Tagesgeschäft als zuverlässig erweisen werden. Schließlich kommt bei Bedarf ein gezielter Lieferantenentwicklungsprozess zum Einsatz.
SAZUG-Klassifizierung zur Positionierung der Lieferanten
Ziel der zunächst vorgenommenen Klassifizierung ist die Identifikation von Lieferanten, mit denen eine langfristige, strategische Zusammenarbeit sinnvoll und von ZF Friedrichshafen auch erwünscht ist. Die Klassifizierung wird für solche Lieferanten vorgenommen, die aus einem vorgeschalteten Auswahlprozess hervorgehen. In diesem werden beispielsweise die generelle technologische Eignung, die Fähigkeit zur qualitätssicheren Produktion in Serie, das voraussichtliche Kostenniveau der Teile und die Bonität der in Frage kommenden Lieferanten überprüft. Die Klassifizierung der Lieferanten erfolgt dann nach dem sogenannten SAZUG-Schlüssel, mit dem die Lieferanten anhand definierter Kriterien in fünf Gruppen eingeteilt werden:
  • S – strategische Lieferanten sind Partner für eine Konzentration und Bündelung des Bedarfs von ZF Friedrichshafen. Mit diesen Lieferanten wird eine langfristige Zusammenarbeit angestrebt. Es werden Neuaufträge an die Lieferanten vergeben und in der Entwicklung findet eine sehr enge Kooperation statt.
  • A – Aufbaulieferanten sollen zu strategischen Lieferanten entwickelt werden. Einem Aufbaukandidat sollte in der Regel ein Abbaukandidat gegenüberstehen, um ein übermäßiges Steigen der Anzahl strategischer Lieferanten zu vermeiden.
  • Z – von Abbaulieferanten werden keine Neuteile mehr bestellt. Die Lieferanten werden gezielt und terminlich definiert abgebaut, soweit das wirtschaftlich vertretbar ist.
  • U – unerwünschte Lieferanten sind eigentlich Abbaulieferanten, die jedoch aus spezifischen Gründen noch benötigt werden (Beispiel: Kundenvorschrift oder Monopolstellung eines Lieferanten). Langfristig soll jedoch ein Abbau erfolgen.
  • G – gesperrte Lieferanten sind von Neubestellungen aus unterschiedlichen Gründen – beispielsweise mangelnde Bonität, mangelnde Termintreue oder Qualitätsprobleme – ausgeschlossen. Grundsätzlich sollte die Einstufung als gesperrt nur vorübergehend sein, sodass Maßnahmen zur Aufhebung der Sperrung ergriffen werden.
Diese strategische Positionierung der Lieferanten nach ihrem Potenzial bildet jedoch nur eine Grundlage zur Auswahl strategischer Partner. Damit auch im operativen Tagesgeschäft eine gute Zusammenarbeit gewährleistet ist, wird im nächsten Schritt die operative Performance der Lieferanten beurteilt. Zur Messung der operativen Performance eines Lieferanten nutzt ZF Friedrichshafen sowohl Hard- als auch Soft–facts hinsichtlich der Beurteilungskriterien
  • Technologie und Entwicklung (allgemeine Entwicklungsleistungen und Kommunikation),
  • Qualität (Fehlerquoten und weitere Qualitätskennzahlen),
  • Logistik (Liefertreue) sowie
  • Zusammenarbeit mit dem Einkauf (Eigeninitiative zur Kostensenkung und Vertragsabwicklung).
Für jedes Beurteilungskriterium wird ein prozentualer Erfüllungsgrad ermittelt. Fällt dieser unter 70 Prozent, sind in jedem Fall Maßnahmen zur Verbesserung zu entwickeln und umzusetzen. Schließlich wird aus den vier einzelnen Kenngrößen ein Gesamterfüllungsgrad der operativen Performance abgeleitet, dem qualitative Einstufungen entsprechen. So werden Lieferanten mit 100 bis 90 Prozent Erfüllungsgrad in der operativen Performance der Kategorie A zugeordnet, bis 70 Prozent der Kategorie AB usw.
Die Definition der Lieferantenstrategien erfolgt anschließend auf Grundlage der Kombination der strategischen Klassifizierung mit der Beurteilung der operativen Performance. Die zunächst voneinander unabhängige Bewertung von strategischem Potenzial und operativer Performance der Lieferanten, und die anschließende systematische Ableitung von Lieferantenstrategie hieraus, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor zum Aufbau einer innovativen und gleichzeitig nicht zu umfassenden Lieferantenbasis. Lieferanten, die sowohl in der strategischen Klassifizierung als auch in der operativen Performancebeurteilung sehr positiv bewertet wurden, werden als strategische Partner beibehalten bzw. zu solchen entwickelt. Hierzu nutzt ZF spezielle Lieferantenentwicklungsprogramme wie ZF Start vor SOP und ZF League bei Lieferanten in der Serie, also nach SOP.
Corporate Thinking als Maxime für den Einkauf
Neben dem ausgezeichneten Lieferantenmanagement beeindruckte ZF Friedrichshafen im Konsortialbenchmarking durch ein stark ausgeprägtes Corporate Thinking. Dieser Grundsatz der abteilungsübergreifenden Ausrichtung an übergeordneten Unternehmenszielen wird sowohl innerhalb des Einkaufs als auch im gesamten Unternehmen gelebt.
Innerhalb des Einkaufs wird eine Zielkonvergenz zwischen den weltweiten Einkaufsstandorten durch die Etablierung eines Commodity Manager Committees als oberste Struktur im Einkauf erreicht. Dort sind alle Leiter der verschiedenen Standorte vertreten und jeweils für eine Warengruppe verantwortlich. Durch diese Bündelung von Verantwortlichkeiten wird eine ausreichend zentrale Einkaufsstruktur geschaffen, ohne den einzelnen Standorten eigene Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeiten im Einkauf zu nehmen.
Doch nicht nur im Einkauf, sondern auch abteilungsübergreifend werden nach dem Grundsatz „Gesamtnutzen vor Einzelnutzen“ Zieldivergenzen unterschiedlicher Unternehmensbereiche (z.B. Einkauf, Produktion, Qualitätswesen) vermieden. Hierfür werden beispielsweise Abteilungsziele an unternehmensweiten Zielen ausgerichtet, Verantwortlichkeiten gebündelt und persönliche Zielsysteme am Unternehmensergebnis ausgerichtet.
Beurteilung der operativen Performance
Somit zeigt sich, dass ZF Friedrichshafen zwei wesentliche Erkenntnisse aus dem Benchmarking-Projekt erfolgreich umsetzt. So werden bei der Entwicklung der Lieferantenstrategien sowohl das strategische Potenzial der Lieferanten als auch deren operative Performance berücksichtigt. Weiterhin wird die zum Erreichen der Unternehmensziele notwendige enge Verzahnung verschiedener Fachbereiche im Sinne eines ganzheitlichen Corporate Thinkings erreicht, wobei dem Einkauf eine wichtige Rolle zukommt. Dass diese Kooperation durchaus auch über die Unternehmensgrenzen hinaus geht zeigt das Beispiel des Maschinen- und Anlagenbauers Bühler, der ebenfalls als „Successful Practice“ ausgezeichnet wurde. Im nächsten Artikel lesen Sie, wie Bühler durch Beschaffungsingenieure die Zusammenarbeit mit der Entwicklung bei Lieferanten erfolgreich handhabt.

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